Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook. Christian Wittmann
Zusammenschluss der Kassenärzte (heute: Vertragsärzte) eingerichtet, dem bestimmte Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen werden konnten. Zunächst waren die Kassenärztlichen Vereinigungen als privatrechtliche Verbände organisiert, wurden aber bald darauf (Verordnung vom 2.8.1933)[23] zu Körperschaften des öffentlichen Rechts erklärt.[24]
b) Rechtsstatus
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Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung sind mitgliedschaftlich organisierte Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V).[25] Für den Bereich jeder Kassenärztlichen Vereinigung (in der Regel der Bereich eines Bundeslandes)[26] sind die zugelassenen Ärzte gemäß § 77 Abs. 3 S. 1 SGB V Zwangsmitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung. Aufgrund der Pflichtmitgliedschaft haben die Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber ihren Mitgliedern die Disziplinarbefugnis.[27] Die Kassenärztlichen Vereinigungen dienen zur Erfüllung der ihnen nach dem SGB V übertragenen Aufgaben (§ 77 Abs. 1 S. 1 SGB V), welche sie im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung eigenverantwortlich zu erfüllen haben (Selbstverwaltung).[28]
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Die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder bilden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (§ 77 Abs. 4 SGB V). Mitglieder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind also die Kassenärztlichen Vereinigungen selbst.[29] Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertritt die Belange der Kassenärztlichen Vereinigungen bei Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene, sie führt das Bundesarztregister (§ 10 Abs. 1 Ärzte-ZV), sie ist zuständig für den Erlass bestimmter Richtlinien (§ 75 Abs. 7 SGB V), sie spielt eine wesentliche Rolle bei der gemeinsamen Selbstverwaltung als Partner des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (§ 217a SGB V), insbesondere beim Abschluss des Bundesmantelvertrages (§ 82 Abs. 1 SGB V) und des EBM (§ 87 SGB V), und sie ist Teil des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA, § 91 Abs. 1 SGB V).[30]
c) Aufgaben
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Die zentralen Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen ergeben sich aus § 75 SGB V und darüber hinaus aus einer Vielzahl von Einzelvorschriften.[31] Als zentrale Aufgaben sind zu nennen:
aa) Sicherstellungsauftrag
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Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag).[32] Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist eine kollektive Pflicht der Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen (§§ 72 Abs. 1, 95 Abs. 3 S. 1 SGB V).[33] Aus dem Sicherstellungsauftrag ergibt sich in erster Linie eine Sicherstellungsverantwortung, d.h. eine Gesamtverantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung.[34] Damit haben die Kassenärztlichen Vereinigungen auch ein umfassendes rechtlich geschütztes Interesse an der Regelung von Zulassungsangelegenheiten.[35] Nur in dem Ausnahmefall des § 105 Abs. 1c S. 3 SGB V verpflichtet der Sicherstellungsauftrag die Kassenärztlichen Vereinigungen, die vertragsärztliche Versorgung durch den Betrieb von Eigeneinrichtungen sicherzustellen.[36]
bb) Gewährleistungsauftrag
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Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Diese Gewährleistungspflicht ist das Gegenstück zur Übertragung des Sicherstellungsauftrages. Damit werden die Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen in die Pflicht genommen, die wiederum gegenüber ihren Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis leistungspflichtig sind (vgl. § 11 SGB V).[37] Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht nur verpflichtet, die Durchführung der Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten zu gewährleisten. Unter den Gewährleistungsauftrag fällt auch die Aufgabe, die Abrechnung der Vertragsärzte und Psychotherapeuten auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und Plausibilität zu überprüfen und eventuelle Honorarrückzahlungsansprüche wegen unwirtschaftlicher Behandlung oder fehlerhafter Abrechnung geltend zu machen.[38] Ebenso zählen dazu die Verteilung der Gesamtvergütung und die sonstige Überwachung der Einhaltung der Pflichten der Vertragsärzte (§ 95 Abs. 3 S. 4 SGB V) sowie die Organisation des Notdienstes.[39]
cc) Rechtswahrnehmungsauftrag
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Gemäß § 75 Abs. 2 S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen (Rechtswahrnehmungsauftrag).[40] Der Rechtswahrnehmungsauftrag gibt den Kassenärztlichen Vereinigungen einen gewerkschaftsähnlichen Zug und den Charakter eines Interessenverbandes. Er beschränkt sich allerdings auf die Wahrnehmung solcher Rechte und rechtlichen Interessen, die die Vertragsärzteschaft als Ganzes betreffen oder aus anderen Gründen über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sind.[41] Der genossenschaftliche Charakter der Kassenärztlichen Vereinigungen gestattet diesen nicht, wie wirtschaftliche Unternehmen zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder aufzutreten, beispielsweise als Einkaufsgenossenschaft zu agieren. Dies zeigt sich an § 77a SGB V, der die Gründung von Dienstleistungsgesellschaften zulässt. Solche Dienstleistungsgesellschaften sind auf einen abschließenden Katalog von Leistungen beschränkt. Dem liefe es zuwider, könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen außerhalb von Dienstleistungsgesellschaften im Sinne des § 77a SGB V in weiterem Umfang als (wirtschaftlicher) Dienstleister agieren.[42] Letztendlich gehören zum Rechtswahrnehmungsauftrag auch – in gewissem Rahmen – Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit.[43]
d) Organe
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Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben eine Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan sowie einen hauptamtlichen Vorstand (§ 79 Abs. 1 SGB V).
aa) Vertreterversammlung
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Die Vertreterversammlung als alleiniges Selbstverwaltungsorgan der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist das Legislativ- und Kontrollorgan, während für die Verwaltung allein der Vorstand zuständig ist.[44] Ihre Aufgaben werden insbesondere durch § 79 Abs. 3 SGB V sowie durch die Satzung (§ 81 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V) bestimmt. Die Aufgabenumschreibung in § 79 Abs. 3 SGB V ist typisierend und nicht abschließend.[45] Die Satzung kann der Vertreterversammlung weitere Zuständigkeiten zuweisen. Unzulässig ist jedoch eine Zuständigkeitsverlagerung vom Vorstand auf die Vertreterversammlung, durch die der Vorstand an der ordnungsgemäßen und verantwortlichen Erfüllung seiner Aufgaben nachhaltig gehindert und somit die vom Gesetz vorgegebene Aufgabenteilung in Frage gestellt wird.[46]
bb) Vorstand
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Der Vorstand ist das hauptamtliche Organ der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, was eine bewusste Parallele zum hauptamtlichen Vorstand der Krankenkassen[47] darstellt.[48] Der Vorstand verwaltet die Körperschaft und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich (§ 79 Abs. 5 S. 1 SGB V). Das Vorstandsamt ist ein öffentliches Amt im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG.[49] Als Verwaltungs- und Vertretungsorgan der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen