Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Andrea Wechsler
letztlich also der BGH, den europäischen Gerichten, letztlich also dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), zur Vorabentscheidung vorlegen. Wir sehen also: Was europäische Normen angeht, hat der EuGH Auslegungskompetenz in letzter Instanz. Der Urteilsspruch selbst erfolgt hingegen durch die nationalen Gerichte.
Mittels dieses Vorabentscheidungsverfahrens soll durch den EuGH die Einheitlichkeit der Anwendung des EU-Rechts gewährleistet werden.
Hieraus erklärt sich, dass als höchstrichterliche Rechtsprechung einmal der EuGH, einmal der BGH zitiert wird.
B. Schutzgegenstand
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Der Schutzgegenstand liegt sowohl beim Urheberrecht als auch beim Gewerblichen Rechtsschutz auf geistigem bzw. immateriellem Gebiet. Es geht um Rechte, die sich auf den schöpferischen Geist oder erfinderische Tätigkeit beziehen. Plakativ spricht man häufig vom „geistigen Eigentum“.
Da es sich hier nicht um den Schutz von materiellen Gütern handelt – wie etwa beim Eigentum –, sondern um den Schutz von immateriellen Gütern, pflegt man diese Rechtsgebiete auch als Immaterialgüterrechte zu bezeichnen.
Das Urheberrecht schützt Geistesschöpfungen, Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§ 2 I UrhG).
Beim Gewerblichen Rechtsschutz schützt die Rechtsordnung die geistige gewerbliche Leistung.
- | Beim Patent: Schutz der erfinderischen gewerblichen Leistung auf dem Gebiet der Technik. |
- | Beim Gebrauchsmuster: Schutz der erfinderischen gewerblichen Leistung auf dem Gebiet der Technik. |
- | Beim eingetragenen Design: Schutz der gewerblichen Gestaltungsleistung. |
- | Bei den Kennzeichenrechten: Schutz von gewerblichen Bezeichnungen als Marketingleistung. |
- | Beim UWG: Schutz der unternehmerischen Leistung, aber auch Schutz der Verbraucher und der Allgemeinheit, dadurch, dass bestimmte geschäftliche Handlungen als „unlauter“ und damit unzulässig zu qualifizieren sind. Dieses Lauterkeitsrecht ist – im Grundsatz – als Sonderdeliktsrecht anzusehen. |
- | Beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen: Schutz von Informationen. |
Vgl. hierzu die folgende Übersicht:
Abb. 1: Gegenstand der Sonderschutzrechte
C. Standort in der Gesamtrechtsordnung
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Welchem der beiden großen Rechtskreise gehören das Urheberrecht und die Rechte des Gewerblichen Rechtsschutzes an? Dem Privatrecht, bei dem sich die Beteiligten gleichberechtigt gegenüberstehen (Koordination), oder dem öffentlichen Recht, bei dem der Bürger dem Staat untergeordnet ist (Subordination)?
Beispiele:
Unternehmer U geht vor gegen
1. | Unternehmer A, weil dieser einen Gegenstand, für den U ein Patent, ein Gebrauchsmuster oder ein eingetragenes Design hat, unbefugt gewerbsmäßig herstellt (§§ 9, 139 PatG, §§ 11, 24 GebrMG, §§ 38, 42 DesignG); |
2. | Unternehmer B, weil dieser die für U eingetragene Marke „Orizur“ widerrechtlich benutzt (§ 14 MarkenG); |
3. | Unternehmer C, weil dieser in seiner Werbung behauptet, seine Säfte schmecken besser als die des U (§§ 6,3 I, 8 I UWG); |
4. | Unternehmer D, weil dieser seinen künstlerisch gestalteten Werbeprospekt unbefugt nachahmt (§ 97 UrhG). |
In allen vier Fällen stehen sich U einerseits, A, B, C und D andererseits gleichberechtigt gegenüber: keiner ist dem anderen untergeordnet. Ergebnis also: Das Urheberrecht und die gewerblichen Schutzrechte gehören grundsätzlich dem Privatrecht an.
Im Rahmen des Privatrechts unterscheidet man bekanntlich das allgemeine und das besondere Privatrecht. Das allgemeine Privatrecht gilt für alle Bürger; es ist das bürgerliche Recht. Das Sonderprivatrecht gilt nur für bestimmte Personenkreise, z.B. für Kaufleute, für Arbeitnehmer. Wie nun das Handelsrecht das Sonderprivatrecht der Kaufleute, das Arbeitsrecht das der Arbeitnehmer darstellt, so ist auch der Gewerbliche Rechtsschutz Sonderprivatrecht, ebenso wie das Urheberrecht.
Aus dieser systematischen Stellung der genannten Schutzrechte als Sonderprivatrecht ergibt sich eine bedeutsame Erkenntnis: Sie sind im Grundsatz Spezialnormen, leges speciales, im Verhältnis zu den allgemeinen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), den leges generales. Die lex specialis hat bekanntlich Vorrang vor der lex generalis. Dem BGB kommt daher nur lückenausfüllender Charakter zu. Diese Erkenntnis ist vor allem wichtig in Bezug auf den Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ein sonstiges Recht i.S. von § 823 I BGB.
Beispiel:
Unternehmer A stellt eine Sache, auf die U ein Patent hat, gewerbsmäßig her. Hierbei wird neben § 9 PatG auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB, verletzt. Die letztere Vorschrift kommt hier als lex generalis nicht zur Anwendung, da wir in § 9 PatG eine Sondervorschrift haben.
Drücken wir es einmal anders aus: Das Konkurrenzproblem Sonderschutzrechte – BGB ist nach dem Prinzip der Subsidiarität zu lösen. Die Regeln des BGB sind subsidiär. Sie dürfen im Rahmen der Sonderschutzrechte nicht angewendet werden. Ausnahmen hiervon sind nur dann zulässig, wenn ergänzend Lücken zu schließen sind, die durch die Sonderschutzrechte nicht gedeckt und dennoch regelungsbedürftig sind. Für die Annahme derartiger Ausnahmefälle bedarf es jedoch konkreter Anhaltspunkte (BGH, GRUR 2009,871 – Ohrclips).
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Wie sich in den Sonderprivatrechtsbereichen des Arbeits- und des Handelsrechts einige Gebiete finden, die dem öffentlichen Recht angehören (z.B. das Arbeitsschutzrecht sowie die Pflichten zur Anmeldung beim Handelsregister und zur Führung von Handelsbüchern), so gibt es auch bei den gewerblichen Schutzrechten Bereiche, die öffentliches Recht sind. Es sind dies zum Beispiel die zur Entstehung des Patent-, Gebrauchsmuster-, eingetragenen Design- und Markenrechts erforderliche Mitwirkung des Deutschen Patent- und Markenamtes oder die Strafbarkeit bei vorsätzlicher Verletzung der gewerblichen Schutzrechte. Auch im Urheberrecht und im UWG finden sich Teilbereiche öffentlichen Rechts, insbesondere strafrechtliche Vorschriften.
D. Charakterisierung des Urheberrechts und des Gewerblichen Rechtsschutzes
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Gegenstand des Urheberrechts und des Gewerblichen Rechtsschutzes sind keine körperlichen Gegenstände im Sinne von § 90 BGB, keine Materie. Man spricht daher von Rechten an unkörperlichen Gütern (sog. Immaterialgüterrechte), auch von Rechten an verselbstständigten Geistesgütern. Verdeutlichen wir uns das an einem Beispiel:
Ein Künstler erstellt ein Gemälde.
Die bemalte Leinwand, das Werkstück, ist eine Sache, ein körperlicher Gegenstand (§ 90 BGB). Hierfür gilt Sachenrecht: