Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Andrea Wechsler
Begriffes gibt es nicht – patentfähig sind, wurden und werden immer wieder hitzige Diskussionen geführt, was ja durchaus verständlich ist, da es hier um massive wirtschaftliche Interessen geht.
Mit dem Ziel der Harmonisierung der Patenterteilungspraxis brachte die Europäische Kommission im Jahre 2002 eine Richtlinie über „computerimplementierte Erfindungen“ auf den Weg. Nach heftigen Grundsatzdebatten wurde diese Richtlinie im Juli 2005 vom Europäischen Parlament in Straßburg abgelehnt. Somit bleibt es bei den nationalen und europäischen Handhabungen.
Nach deutscher und europäischer Rechtspraxis wurde bei computerimplementierten Erfindungen Patentfähigkeit dann anerkannt, wenn das Computerprogramm einen Beitrag leistet, um ein technisches Problem mit technischen Mitteln zu lösen (BGH, Xa 20/08, v. 22.4.2010 – Dynamische Dokumentengenerierung). Im Einzelnen sind die Grenzen hier sehr fließend.
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Das Verhältnis zwischen dem Urheberrecht und dem eingetragenen Design ist differenziert zu sehen: Urheberrechte an Werken der Literatur und Wissenschaft haben wegen des ganz anderen Gegenstandes keine Berührungspunkte mit dem eingetragenen Design. Hingegen ist die Grenzziehung zwischen Werken der Kunst, insbesondere der angewandten Kunst, und dem eingetragenen Design nicht ganz einfach, da es vom Tatsächlichen her gesehen in beiden Fällen um gestalterische Leistungen geht. Von der gesetzlichen Terminologie her betrachtet, sind die Kriterien jedoch verschieden. Beim Urheberrecht geht es um eine eigenpersönliche Schöpfung, beim Designrecht hingegen um eine Design-Leistung mit „Eigenart“. Dementsprechend stehen diese beiden Schutzrechte aus derzeitiger Sicht – früher sah man einen engen Bezug im Sinne einer Stufung innerhalb „eines wesensgleichen Schutzrechtes“ – völlig unabhängig und eigenständig nebeneinander. Es ist durchaus möglich, dass eine bestimmte Erscheinungsform eines Objektes sowohl den Anforderungen des geschützten Designs (§ 2 DesignG) als auch denen des Urheberrechts (§ 2 II UrhG) entspricht. In derartigen Fällen besteht Koexistenz von Urheberrechtsschutz und Designschutz, so dass sowohl die Vorschriften des Urheberrechts als auch die des Designrechts Anwendung finden. Ein solcher Doppelschutz ist nicht nur im Rahmen unseres deutschen Rechts möglich, sondern auch im Verhältnis des europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu den jeweiligen nationalen Urheberrechten (Art. 96 II GGVO; vgl. Rn. 895 ff.).
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Urheberrechte und Marken schließen sich nicht aus. Sie können, je nach Sachlage, nebeneinander treten und sich gegenseitig ergänzen. Ein Beispiel:
Ein Unternehmer hat ein künstlerisch gestaltetes Zeichen entwickelt. Dieses kann Urheberrechtsschutz genießen. Wird es im Zusammenhang mit der Werbung für eine Ware oder Dienstleistung verwendet und dabei bekannt, so kann es neben dem Urheberrechtsschutz auch Schutz als Marke durch Verkehrsgeltung (§ 4 Ziff. 2 MarkenG) erlangen. Wird es als Marke eingetragen, so treffen ohnehin Markenschutz und Urheberrechtsschutz zusammen.
G. Verhältnis der Rechte des Gewerblichen Rechtsschutzes untereinander
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Von dem Prinzip „Spezialvorschrift hat Vorrang vor Generalnorm“ ausgehend, ergibt sich im Grundsatz folgendes Rangverhältnis:
- | Patent, Gebrauchsmuster, eingetragenes Design, Marke |
- | UWG. |
Aus dieser Rangfolge ergibt sich der Aufbau des Grundrisses Gewerblicher Rechtsschutz: Zunächst werden die Sonderschutzrechte dargestellt, dann das ausgesprochen bedeutsame UWG, das etwas breiter darzulegen ist. Das Buch endet mit dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen – also für den Fall, dass Informationen nicht für anderweitige Schutzrechte qualifizieren oder aber geheim gehalten werden sollen.
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Patent und Gebrauchsmuster als technische Schutzrechte grenzen sich klar gegenüber dem eingetragenen Design ab. Erstere betreffen technisches Schaffen, letzteres hat eine gestalterische Leistung zum Gegenstand. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich gegenseitig ausschließen.
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Beispiel:
Wir haben eine neue Verpackungsform entwickelt. Was den Mechanismus angeht, können wir an ein Patent oder Gebrauchsmuster denken. Hinsichtlich der Form- und/oder der Farbschönheit werden wir Designschutz beantragen. Wir erkennen also: An der gleichen Sache können ein technisches Schutzrecht und ein eingetragenes Design bestehen. Ersteres erfasst allein die Erfindung, letzteres die gestalterische Leistung (vgl. BGH, GRUR 81, 272 f. – Haushaltsschneidemaschine II).
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Auch die Abgrenzung der technischen Schutzrechte von der Marke ist im Ansatz problemlos. Patent und Gebrauchsmuster beziehen sich auf technisches Schaffen, das Kennzeichen dient der Individualisierung von Ware und Dienstleistung. Auch diese Schutzrechte können bei ein und derselben Sache zusammentreffen. Das Produkt – oder ein Teil davon – ist patentgeschützt und trägt zugleich eine bestimmte Marke. Die Verschiedenartigkeit der Schutzgegenstände ist auch hier evident.
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Die Abgrenzung der eingetragenen Designs einerseits von Marken andererseits ist im Grunde einfach. Erstere beziehen sich auf die gestalterische Leistung, letztere auf die Kennzeichnung. Eingetragene Designs und Marken können nebeneinander treten. Ist das o.g. Zeichen (Rn. 12) als eingetragenes Design geschützt und wird es als Marke eingetragen, so bestehen Design- und Markenschutz nebeneinander.
H. Das Immaterialgüterrecht im Wirtschaftsverkehr
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Das Rechtsgebiet des Immaterialgüterrechts gewinnt in der praktischen Wirtschaftsordnung zunehmend an Bedeutung.
So wird den gewerblichen Schutzrechten sowie dem Urheberrecht eine wichtige Rolle im Innovationsprozess zugeschrieben. Ganz entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und einer Volkswirtschaft als Ganzes sind innovative Ideen, Produkte und Verfahren. Diese können sodann über gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht gegen den Wettbewerb geschützt werden.
Unternehmen profitieren unter anderem von ihren geschützten Erfindungen über eine Verwertung derselben in Lizenz- und Verwertungsverträgen. Diese gewähren Dritten Nutzungsrechte an Immaterialgüterrechten unter definierten Bedingungen. So regeln Lizenzverträge Fragen der einfachen oder ausschließlichen Nutzung, Fragen des Marktsegments für ein Produkt, der Laufzeit und des Entgelts für die Nutzung.
Eine besondere Problematik ist in Bezug auf die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht durch die Digitalisierung aufgetreten. Sobald ein Schutzrecht digitalisiert vorliegt, wird bei einer Kopie eines digitalen Gutes dem eigentlichen Rechteinhaber nichts weggenommen. Es entsteht für den Rechteinhaber genau genommen kein Schaden. Doch entgehen den Rechteinhabern in großem Umfang Gewinne aus Lizenzzahlungen; die Schutzrechte werden ausgehöhlt.
Auf der einen Seite hat die gestiegene Bedeutung der Immaterialgüterrechte in der Praxis zum Erstarken von Technologietransferaktivitäten und finanziellen Fördermechanismen geführt. Auf der anderen Seite sind Forderungen nach einer Anpassung der Schutzrechte an die Anforderungen des digitalen Zeitalters laut geworden.
Teil 2 Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
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