Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Andrea Wechsler
über Übliches Hinausgehendes. An die Individualität nach § 69a III UrhG werden jedoch geringere Anforderungen gestellt als an § 2 II UrhG. Das ist die erklärte Absicht des Gesetzgebers. Das bedeutet, dass nach § 69a III UrhG für Computerprogramme geringere Schöpfungshöhe ausreicht als nach § 2 II UrhG. Bereits ein durchschnittliches Computerprogramm genießt – Individualität vorausgesetzt – Urheberrechtschutz. Bringen wir dies vereinfacht in eine griffige Formel: Bei der Werkart Computerprogramm wird Urheberrechtsschutz die Regel und fehlende Gestaltungshöhe die Ausnahme sein, in der Tendenz also anders als bei den traditionellen Werkarten.
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Das Urheberrecht an einem Computerprogramm steht dessen Schöpfer zu (§ 7 UrhG). Ist dies ein Arbeitnehmer und hat er das Computerprogramm in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen, so ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart worden ist (§ 69b UrhG).
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Das Urheberrecht an einem Computerprogramm beinhaltet das ausschließliche Recht, dass allein der Rechtsinhaber, also der Schöpfer oder der Arbeitgeber, die Vervielfältigung, die Bearbeitung und jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken vornehmen darf. Des Weiteren steht nur ihm das Recht der drahtgebundenen oder drahtlosen Wiedergabe eines Computerprogrammes zu einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist (§ 69c Ziff. 1, 4 UrhG).
Was die Verbreitung angeht, so haben wir den Erschöpfungsgrundsatz bereits kennen gelernt. In Bezug auf Computerprogramme gilt diesbezüglich § 69c Ziff. 3, S. 2 UrhG: Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in Bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts.
Beispiel:
Das Unternehmen U hat bei dem Anbieter für Datenbanksoftware S eine Volumenlizenz erworben. Im Gegensatz zu Einzelplatzlizenzen erlauben Volumenlizenzen das Herunterladen der Lizenz von einer sicheren Website und die Verteilung der Einzellizenzen mittels eines Volumenlizenzschlüssels. Als U die Software nicht mehr im ursprünglichen Umfang benötigt, verkauft er einen Teil der Lizenzen aus der Volumenlizenz an den Händler H, der mit Gebrauchtsoftware handelt. H bietet nun diese Lizenzen zum Verkauf im Internet an. Hiergegen wehrte sich U mit einer Klage, die sich auf § 69c UrhG beruft. H auf der anderen Seite beruft sich auf den Grundsatz der Erschöpfung des Urheberrechts. Fraglich ist nun, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch für den Weiterverkauf einer per Internet-Download gekauften Software gilt.
Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof im Jahr 2012 in seinem Urteil im Fall UsedSoft gegen Oracle geklärt. Dieses wurde vom BGH im Jahr 2013 bestätigt (I ZR 129/08). Beide Gerichte bekräftigen die prinzipielle Zulässigkeit des Vertriebs von gebrauchten Softwarelizenzen. Auch der Weiterverkauf einer per Internet-Download gekauften Standardsoftware kann nicht mehr untersagt werden. Darüber hinaus ist nun das Aufspalten von Volumenlizenzen in Einzellizenzen sowie deren Weitervertrieb ebenfalls gestattet.
Im Ergebnis kann sich H auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen. Er darf einzelne Lizenzen aus einer Volumenlizenz herauslösen und diese per Internet-Download weiterverkaufen.
Was die Vervielfältigung betrifft, so ist das Gesetz hier wesentlich strenger: Ohne Zustimmung des Rechtsinhabers ist es nicht gestattet, Kopien von Computerprogrammen zu erstellen, auch nicht, diese weiterzugeben. Diese Verbote gelten selbst dann, wenn dies lediglich zu rein privaten Zwecken geschieht.
§ 69d UrhG macht 3 Ausnahmen von diesen Vervielfältigungs- und Verbreitungsverboten, wobei hier nur auf die Zulässigkeit des Erstellens einer Sicherungskopie hingewiesen sei (§ 69d II UrhG).
§ 69e UrhG ermöglicht unter bestimmten Bedingungen die Dekompilierung, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten.
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Wer das Urheberrecht an einem Computerprogramm verletzt, den treffen neben den allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Sanktionen der §§ 97 ff. UrhG auch die speziellen des § 69f UrhG: Vernichtung aller rechtswidrig hergestellter, verbreiteter oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmter Vervielfältigungsstücke. Dies kann der Rechtsinhaber vom Eigentümer oder Besitzer verlangen.
Vgl. Fall 47.
2. Schutz der ausübenden Künstler
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Ausübender Künstler ist derjenige, der ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt (§ 73 UrhG). Hierzu gehören insbesondere Schauspieler, Sänger, Musiker, Tänzer und als künstlerisch Mitwirkende der Dirigent und der Regisseur.
Die bloß technisch, handwerksmäßig oder organisatorisch Mitwirkenden sind keine ausübenden Künstler, in der Regel also nicht der Beleuchter, der Toningenieur, der Theaterfriseur, der Bühnenbildner, der Maskenbildner, der Souffleur.
Den Rechten des Urhebers entsprechend, gewährt das Gesetz dem ausübenden Künstler Schutz unter persönlichkeitsrechtlichen und verwertungsrechtlichen Aspekten, allerdings in geringerem Umfange als dem Urheber.
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Zum persönlichkeitsrechtlichen Schutz: Wie der Urheber ein Recht auf Anerkennung seiner Urheberehre in Bezug auf sein Werk hat, so hat auch der ausübende Künstler ein Recht auf Anerkennung in Bezug auf seine Darbietung (§ 74 I UrhG). Haben mehrere Künstler gemeinsam eine Darbietung erbracht und erfordert die Nennung eines jeden einzelnen einen verhältnismäßig großen Aufwand, so können sie nur verlangen, als Künstlergruppe genannt zu werden (§ 74 II, 1 UrhG). Nach § 75 UrhG hat der ausübende Künstler auch das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seiner Darbietung zu verbieten, die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf zu gefährden. Wie wir sehen gilt hier das, was wir beim Urheberpersönlichkeitsrecht kennen gelernt haben, entsprechend.
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Zu den Verwertungsrechten: Hier werden dem ausübenden Künstler – ähnlich wie dem Urheber – bestimmte Ausschließlichkeitsrechte eingeräumt, nämlich
- | seine Darbietung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen (§ 77 I UrhG), |
- | den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen oder zu verbreiten (§ 77 II UrhG), |
- | seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen, zu senden oder außer halb des Raumes, in dem sie stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 78 I UrhG). |
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Probleme können auftreten, wenn mehrere ausübende Künstler gemeinsam eine Darbietung erbringen, wie etwa bei Chor-, Orchester- und Bühnenaufführungen, weil dort ein einziges Mitglied aus einer Vielzahl ausübender Künstler durch Verweigerung seiner Zustimmung die Verwertung vereiteln könnte. Hier schreibt § 80 I UrhG vor, dass ihnen das Recht zur Verwertung zur gesamten Hand zusteht und dass keiner der beteiligten ausübenden Künstler seine Einwilligung zur Verwertung wider Treu