Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Andrea Wechsler

Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - Andrea Wechsler


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Anwendbarkeit erfüllt sind. - Auch andere Schöpfungen, die sich nur an den menschlichen Geist richten, sog. Anweisungen an den menschlichen Geist, sind nicht technisch und scheiden daher als Erfindung aus, z.B. Werbetexte, Werbepostkarten, Werbekalender, der Gedanke, in einem Unterhaltungsbuch Reklametexte psychologisch geschickt in bestimmter Weise einzufügen, die Anordnung und Einteilung von Adressbüchern, Kontenplänen und Preislisten (BGH, GRUR 75, 549 f. – Buchungsblatt).

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      Über die in § 1 III PatG genannten „Nichterfindungen“ hinausgehend, bestimmt § 1a I PatG Nichtpatentierbarkeit in Bezug auf den menschlichen Körper: Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können nicht Gegenstand eines Patents sein. Dies gilt jedoch nicht für einen isolierten Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eine Gens (§ 1a II PatG).

      Für Pflanzensorten und Tierrassen werden keine Patente erteilt (§ 2a I Ziff. 1 PatG). Was die Pflanzensorten angeht, gilt es aber ein Spezialgesetz zu beachten, das Sortenschutzgesetz: Hiernach genießt der Ursprungszüchter oder Entdecker Sortenschutz für eine Pflanzensorte, wenn sie unterscheidbar, homogen, beständig und neu und durch eine eintragbare Sortenbezeichnung bezeichnet ist. Das Bundessortenamt prüft die für die Erteilung maßgeblichen Kriterien und trägt im Falle eines positiven Ergebnisses die Sorte in die Sortenschutzrolle ein. Die Dauer des Sortenschutzes beträgt 25 Jahre, bei Hopfen, Kartoffel, Rebe und Baumarten 30 Jahre.

      Weiterhin sind im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren und die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnen Pflanzen und Tiere nicht patentfähig (§ 2a I Ziff. 1 PatG). Darunter sind nach § 2a III Ziff. 3 PatG Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren zu verstehen, die vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruhen.

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      Eine Erfindung

- geht von einer technischen Aufgabe (einem technischen Problem) aus und
- führt dieses einer Lösung mit bestimmten technischen Mitteln zu unter Zuhilfenahme der genannten Naturkräfte.

      Aufgabe ist der erstrebte technische Erfolg, betrachtet aus der Zeit vor der Vollendung der Erfindung.

      Der Einsatz bestimmter technischer Mittel – die oben beschriebenen physikalischen, chemischen oder biologischen Naturkräfte – ist ursächlich für die Problemlösung; ein bekanntes Beispiel: das „ABS-Bremssystem“.

      Beispiel:

- Die Aufgabe: Bei einem Antiblockierregelsystem, mit dessen Hilfe beim Bremsen der einzelnen Fahrzeugräder wegen der bekannten nachteiligen Folgen deren Blockieren (Gleiten) verhindert werden soll, die Beendigung der Druckabsenkung (besser) den Fahrbahnverhältnissen anzupassen.
- Die Lösung: Ein System mechanischer, elektrischer oder elektronischer Art mit bistabilen Schaltvorrichtungen, mit Drehverzögerungs- und Drehbeschleunigungs-Schaltvorrichtungen, bei dem bestimmte Signale gegeben werden und die einzelnen Elemente so miteinander verbunden sind, dass sie beim Auftreten eines Verzögerungssignales in einen Schaltzustand geraten, in dem sie – über die Steuerung jeweils eines Einlass- und eines Auslassventils – eine Absenkung des Bremsdrucks bewirken, und erst beim Auftreten eines Beschleunigungssignals eine andere Schaltstellung einnehmen, in der der Bremsdruck konstant gehalten wird.

      (Vgl. hierzu BGH, GRUR 80, 850 – Antiblockiersystem).

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      Eine Erfindung offenbart als Lehre zum technischen Handeln nur dann eine fertige Lösung, wenn ein Fachmann sie nach den Angaben des Erfinders ausführen, also in beliebiger Wiederholung nach dieser Lehre mit gleich bleibendem Erfolg arbeiten kann. Die Lösung des technischen Problems darf also nicht auf Zufall beruhen, sondern auf der Gesetzmäßigkeit der Naturkräfte. Ein einmaliges technisches Ergebnis kann also niemals Gegenstand einer Erfindung sein. Gerade in dieser Wiederholbarkeit der Erfindung liegen die technische Regel und die Bereicherung der Allgemeinheit.

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      Der Begriff neu wird in § 3 PatG definiert. Nach der formellen Abgrenzung dieser Vorschrift gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor einem bestimmten Stichtag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, gleichgültig, ob im Inland oder im Ausland (absoluter Neuheitsbegriff). Stichtag ist der für den Zeitrang der Anmeldung maßgebliche Tag. Dies ist in der Regel der Tag der Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Wird ein Prioritätsrecht in Anspruch genommen – etwa die innere Priorität nach § 40 PatG oder die Unionspriorität (§ 41 PatG) nach Art. 4 PVÜ (Rn. 874) –, so ist der Prioritätstag der maßgebliche Zeitpunkt.

      Um sich ein Bild über das sehr problematische Kriterium „Stand der Technik“ und damit über die Aussichten für eine Patenterteilung zu verschaffen, kann der Patentanmelder beim Patentamt schriftlich den Antrag auf eine Recherche stellen. Das Patentamt ermittelt hierauf den Stand der Technik, der für die Beurteilung der Patentfähigkeit der angemeldeten Erfindung in Betracht zu ziehen ist, und beurteilt vorläufig die Schutzfähigkeit der angemeldeten Erfindung nach den §§ 1 bis 5 und ob die Anmeldung den Anforderungen des § 34 III bis V genügt (§ 43 I PatG). Das Patentamt führt die Recherche durch und teilt das Ergebnis ohne Gewähr für Vollständigkeit dem Anmelder im Recherchebericht mit (§ 43 VII). Diese selbstständige – isolierte – Recherche ist kein notwendiger Teil des Patenterteilungsverfahrens.

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      Nach § 5 I PatG gilt eine Erfindung als gewerblich anwendbar, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann.

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      Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (§ 4 PatG). Häufig wird hier das Synonym Erfindungshöhe verwendet. Materiell gesehen geht es um eine bestimmte „Erfindungsqualität“, die mit der „Schöpfungsqualität“ (vgl. Rn. 28 f.) im Urheberrecht vergleichbar ist.

      Der „Sprung“, den die neue Erfindung über den Stand der Technik hinaus macht, kann sehr groß sein – etwa bei Pioniererfindungen –, kann aber auch recht gering ausfallen (vgl. Abb. 13).

      Ob der Grad der Erfindungshöhe im Einzelfall für eine Patenterteilung ausreicht, ist oft eine schwer zu entscheidende Frage, deren Beurteilung dem technischen Mitglied der Prüfungsstelle obliegt.


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