Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Andrea Wechsler
beruht, sind zwei Ausgangspunkte: Der Stand der Technik und das Können eines Durchschnittsfachmannes auf dem einschlägigen Fachgebiet. Eine Erfindung ist dann nicht naheliegend, wenn sie von einem Durchschnittsfachmann aus dem Stand der Technik heraus mittels seines Fachwissens nicht gemacht worden wäre.
Einige Beispiele für das Fehlen der Erfindungshöhe:
Hat die Erfindung das bloße Verändern von Dimensionen zum Gegenstand, so wird in der Regel die Erfindungshöhe fehlen.
Übliche Maßnahmen von Handwerkern und Ingenieuren, wie etwa die Auswahl eines als geeignet bekannten Werkstoffes, ergeben sich für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, so dass die Erfindung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Bei der bloßen Übertragung von einem in einem bestimmten technischen Gebiet bekannten Erzeugnis oder Verfahren auf ein anderes technisches Gebiet wird es häufig der Erfindungshöhe ermangeln, wie etwa bei der Übertragung
- | eines Verfahrens zur Herstellung von Blechgefäßen auf ein solches zur Herstellung von Tonnen, |
- | einer Vorrichtung von Rechenmaschinen auf Schreibmaschinen, |
- | der Verwendung von Hartglas für Fenster für Torpedoboote auf Kraftfahrzeug-Windschutzscheiben. |
Als ein bedeutsames Indiz dafür, dass eine neue Erfindung sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, mithin also Erfindungshöhe aufweist, kann das Überraschungsmoment gewertet werden (BGH, GRUR 89, 899 ff. – Sauerteig), nicht hingegen der wirtschaftliche Erfolg des neuen Erzeugnisses.
Vgl. Fälle 1, 5, 45.
Abb. 13: Erfindungshöhe (A = neue Erfindung)
III. Schutzausschließungsgründe
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Nach § 2 I PatG werden für Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, keine Patente erteilt. Ethische Gründe, die dieser Vorschrift zugrunde liegen, kommen besonders deutlich im Absatz 2 zum Ausdruck, wonach insbesondere keine Patente erteilt werden für
- | Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen (Ziff. 1); |
- | Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens (Ziff. 2); |
- | die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken (Ziff. 3). – Hierzu eine hochbrisante Entscheidung des EuGH vom Oktober 2011 (C34/10), höchst umstritten, von der europäischen Forschung zutiefst bedauert, von Greenpeace (dem Prozessführer) und den Kirchen begrüßt: Es geht um ein biotechnologisches Verfahren, bei dem aus menschlichen embryonalen Stammzellen Nerven-Vorläuferzellen gewonnen werden (vor allem zur Therapie von Gehirnerkrankungen, wie Alzheimer, Parkinson, Depressionen und Schizophrenie). – Ausgangspunkt ist eine weite Auslegung des Begriffes „menschlicher Embryo“. Der EuGH sieht hierin jede menschliche Eizelle bereits vom Zeitpunkt der Befruchtung an, da hierdurch der Prozess der Entwicklung menschlichen Lebens in Gang gesetzt wird. Bei der Gewinnung der genannten Nervenzellen aus den menschlichen Embryonen werden letztere zerstört. Dies verstößt gegen die Menschenwürde, und wenn zu industriellen oder kommerziellen Zwecken verwendet, was auf Grund der Patentverwertung letztlich ja geschieht, gegen die guten Sitten (§ 2 I PatG), so der EuGH. |
Auch in Bezug auf Tiere ergeben sich Beschränkungen aus ethischen Aspekten. Nach § 2 II Ziff. 4 PatG sind nicht patentfähig Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen Nutzen für Mensch oder Tier zu verursachen.
IV. Der Erfinder
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Bei der Frage, wer der Erfinder des Patentes ist, ergibt sich eine entsprechende Problematik wie bei der Frage des Schöpfers in Bezug auf das Werk beim Urheberrecht (Rn. 51).
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Erfinder ist derjenige, der das technische Problem mit technischen Mitteln einer Lösung zugeführt, also die technische Regel entwickelt hat.
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Es kann dies auch durch mehrere Personen gemeinsam in der Weise geschehen, dass jeder einen wesentlichen geistigen Anteil an dem Erfolg hat. Wir sprechen hier von Miterfindern. Ihnen steht das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu (§ 6, 2 PatG).
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Haben mehrere Personen unabhängig voneinander eine Erfindung gemacht, also eine Doppelerfindung (Rn. 188), so steht das Recht auf das Patent demjenigen zu, der die Erfindung zuerst beim Patentamt anmeldet (§ 6, 3 PatG).
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Kein Erfinder ist der die Erfindung lediglich Anregende, also etwa derjenige, der eine bestimmte Aufgabe stellt, eine Richtung weist, wie es häufig durch Arbeitgeber oder Vorgesetzte vorkommt.
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Kein Erfinder ist auch der Gehilfe. Darunter versteht man denjenigen, der an der Erfindung zwar beteiligt war, aber keinen wesentlichen geistigen Anteil am Erfolg hatte. Dies ist etwa ein Mitarbeiter, dessen Arbeit sich auf rein handwerkliche Tätigkeiten nach Vorgaben beschränkt hat, wie etwa bei einem Chemielaboranten. Die Grenzziehung Gehilfe/Miterfinder kann im Einzelfalle schwierig sein.
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Erfinder kann nur eine natürliche Person sein. Eine juristische Person ist nur in der Lage, durch ihre Organe zu handeln.
Da die meisten Erfindungen von Personen in abhängiger Arbeit gemacht werden, ist das mehrfach geänderte Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ANEG) von großer praktischer Bedeutung. Dessen Anwendungsbereich: Arbeitnehmer im privaten und im öffentlichen Dienst sowie Beamte und Soldaten (§ 1 ANEG).
Gegenstand der gesetzlichen Regelungen sind Erfindungen, die patent- oder designfähig sind (§ 2 ANEG) sowie technische Verbesserungsvorschläge (§ 3 ANEG).
Erfindungen können gebundene Erfindungen = Diensterfindungen sein. Dies sind solche, die in ursächlichem Zusammenhang mit dem Dienst stehen (§ 4 I, II ANEG).
Sonstige Erfindungen von Arbeitnehmern sind freie Erfindungen (§ 4 III ANEG).
Sowohl bei den Diensterfindungen als auch bei den freien Erfindungen entsteht das Erfinderrecht in der Person des Arbeitnehmererfinders.
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Für die Erfindungen der Arbeitnehmer im privaten Dienst gelten die Vorschriften der §§ 5 bis 39 ANEG.
Der Arbeitnehmer hat seine Diensterfindung unverzüglich – in besonderer Form – zu melden (§ 5 ANEG).
Der Arbeitgeber kann nun diese Diensterfindung in Anspruch nehmen (§ 6 ANEG). Mit der Inanspruchnahme gehen alle vermögenswerte