Leblos im Schnalser Stausee. Kh Beyer

Leblos im Schnalser Stausee - Kh Beyer


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kann jetzt nichts trinken, Danke."

      Auf die Frage, ob er etwas gehört oder gesehen hat, antwortet Joseph: "Etwas schon. Ein Plätschern."

      "Wann hast du das gehört"

      "So geschätzt, gegen Vier."

      "Ich notiere mir das mal kurz. Halte Dich bitte zur Verfügung."

      Joseph gibt ihm seine Telefonnummer. Toni reicht ihm seine Karte. Markus gibt er auch eine Karte. "Wenn dir etwas einfällt, ruf mich an."

      Soviel Toni weiß, wird der Stausee von Vernagt, mit Fischen zum Angeln besetzt. Neben Saiblingen, werden verschiedene Forellenarten ausgebracht. Mit dem Tageslicht entsteht im See eine Farbe, die etwas an Türkis erinnert. Wäre Toni ein Geologe, würde er hier Kupfer vermuten. Die Farbe gibt es in vielen Seen in Südtirol und im Trentino.

      "Kann das Plätschern auch von Fischen verursacht worden sein?", hakt er im Gehen bei Joseph nach.

      "Wenn, dann von einer Riesenforelle", antwortet Joseph. "So eine hätte ich gern mal an der Angel."

      Markus lacht über die Bemerkung. Er hatte im letzten Jahr den größten Fang.

      Bei der weiteren Suche um den See, bemerkt Toni viele italienische Touristen. Sie fotografieren und schauen nebenbei nach ein paar Pilzen. Um den See werden reichlich Pilze vermutet. Weniger Steinpilze, dafür aber reichlich Butterpilze und Goldschwammerln. Um den Stausee stehen reichlich Lärchen. Die wirken wie Magnete auf Pilzsammler.

      Die Leute, die Toni trifft, fragt er, wann sie gekommen sind. Er stellt sich als Kommissar vor. Sonst würde er wohl keine Antwort bekommen. Die meisten Besucher sind Gäste in einem der Hotels des Tales. Das Gros kommt aus Kurzras unterhalb des Schnalser Gletschers.

      Marco geht indes in Vernagt nach Zeugen suchen. Die Leute wirken teilweise etwas verschlossen. Die Begrüßung ist aber stets herzlich und einladend.

      Die Schäferfamilien sind seit vierzehn Tagen vom Schafübertrieb zurück. Das ist eine recht spektakuläre Veranstaltung im Schnalstal. Der Übertrieb gibt reichlich Nachbearbeitung zu Hause. Die Schlachtung der Tiere, die über Winter nicht versorgt werden können, ist angesagt.

      Im ganzen Ort riecht es gegen Mittag nach Schöpsernem.

      Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten oder dem Übertrieb, wurden keine Opfer gemeldet. Man ist vollzählig im Ort und im Tal.

      Marco ruft Toni an und sagt, er fährt jetzt wieder ins Büro. Die, beim Opfer gefundenen Sachen, müssen bestimmt werden. Toni sagt, er bleibt noch etwas. Er möchte noch oberhalb des Sees Befragungen durchführen.

      Am See ist Alles erledigt und Toni fährt mit dem Motorrad in Richtung Kurzras. An den Gasthöfen hält er an und befragt die Besucher der Stammtische und die Wirtsleute.

      In einem großen Hotel in Kurzras geht Toni an die Rezeption. Dort trägt er sein Anliegen vor. Der Manager, ein italienischer Landsmann, empfängt ihn.

      Bei der Befragung stellt sich heraus, einige Mitarbeiter sind abkömmlich. Silvio, der Manager, findet das aber normal in seinem Betrieb. Toni verlangt die Liste der Mitarbeiter, die fehlen. Silvio lässt sie ihm zusammen stellen.

      Eine Sekretärin mit einem Kurzen Schwarzen bekleidet, bringt ihm die Liste. Sie läuft wie auf einem Laufsteg. Silvio lächelt sie an. Toni denkt sich seinen Teil.

      Toni studiert die Liste gleich vor Ort. Vielleicht entdeckt er Anhaltspunkte. Die Sekretärin schmiert noch etwas um den Schreibtisch und macht einladende, bewusst ungeschickte Bewegungen.

      "Darf ich noch Etwas bringen?"

      Silvio fragt umgehend, ob Toni einen Kaffee oder Tee möchte.

      "Einen doppelten Macciato bitte."

      Auf der Liste sind einige Gastarbeiter eingetragen. Ungarn, Polen, Slowaken und, man staune, Italiener aus Kalabrien. Toni muss die Daten mitnehmen und mit den Papieren bei Marco vergleichen.

      Auf dem Weg zurück spürt Toni mit dem Motorrad, die Außenseite ist oberhalb der Viadukte, ziemlich gefährlich. Der Abgrund hinter der kurzen Mauer am Straßenaußenrand, kurz vor Juval, scheint hundert Meter tief zu sein. Ein nachlässiger Fahrer im Gegenverkehr, der üblicherweise die Kurve, Spur übergreifend – ausholend anfährt, kann dort für einen kostenlosen Flugunterricht sorgen. Ein Linienbus im Gegenverkehr reicht für einen Freiflug. Es gilt, vorhandene Spiegel gut zu beobachten. Bei Regen, der dort nicht selten ist, kann das ziemlich problematisch sein.

      Unten angekommen, herrscht schon wieder Stau. Und das schon vor Naturns. Zu dieser Tageszeit. Toni schüttelt den Kopf. Er wird bei Naturns abbiegen. Vielleicht fährt er durch die Apfelplantagen. Mit dem Motorrad geht das bei achtsamer Fahrt.

      Nach Naturns ist von dem Stau nichts mehr zu sehen. Toni vermutet einen Unfall im Tunnel.

      Kaum ist er in Meran angekommen, trifft er auch Marco. Marco ist schon vor ihm aufgebrochen. Die gefundenen Sachen geben sie der Spurensicherung. Im Büro überlegen sich die Zwei, wie sie weiter vorgehen.

      Heute ist erst einmal Feierabend. Toni fragt Marco, ob er nicht mal mit seiner Veronika auf die Hütte kommen möchte. Matteo, der Sohn, würde sich garantiert darüber freuen. "Immer in der Stadt. Das ist kein Auskommen."

      "Höchstens am Wochenende", ist die trockene Antwort Marcos. "Unter der Woche hat Veronika einfach zu viel zu tun."

      "Arbeitet sie noch bei der Gewerkschaft?"

      "Ja, sicher. Es gibt viel Arbeit bei ihnen, weil die höher liegenden Betriebe schon die Saison beendet haben."

      Marco nimmt sich seine Notizen mit und fährt nach Hause.

      Monika wartet schon. Sie war bei ihren Eltern.

      "Diese Woche haben wir viel zu tun. Papa ist krank."

      "Wünsch ihm Gute Besserung von mir. Hast du gleich etwas zu Essen mitgebracht?"

      Toni bemerkt zwei große gegrillte Koteletts, eingepackt in Alufolie.

      Monika hat ihm ein Bier mitgebracht. Toni trinkt selten Bier und nur wirklich süßen Wein. Das saure Zeug schmeckt ihm nicht. Egal, unter welchem Pseudonamen das verkauft wird. Trocken, extra trocken oder furztrocken. Monika ahnte das. Sie hat  Marsala und Vino Santo ein getan. Toni gratuliert ihr zu dieser Wahl. Bei Bier bevorzugt Toni alkoholfreies. Zum Glück bieten das jetzt auch Südtiroler Brauereien.

      Monika ist zufrieden mit ihrem Mann. Der säuft nicht. Und kochen kann der auch noch. Da würde eigentlich nur Eins fehlen. Ausgerechnet das, kann er auch. Ein glücklicher Griff.

      Nach dem Abendessen schauen sich die Zwei die Notizen an, die Toni gemacht hat. Monika denkt, das Opfer ist ein Saisonarbeiter. Toni denkt das Gleiche. Es gibt, bis auf drei Bergsteiger, keine Vermisstenanzeigen. Die Bergsteiger werden im Ortlergebiet vermisst. Seit zwei Tagen fliegt die Bergrettung regelmäßig Streife. Bisher gibt es keine Funde.

      Das Wetter heute ist sehr ruhig. Die Abendsonne zeigt sich nur mit einem gelbroten Rand hinter den Bergen.

      Marco ruft noch einmal an. "Morgen bekommen wir schon die Daten. Gute Nacht."

      Am Morgen fahren die Zwei zur Arbeit. Moni in die Boxerhütte und Toni nach Meran. Für den Weg zur Boxerhütte nutzt Monika neuerdings ein Quad. Ein Elektroquad. Toni hört sie gar nicht bei ihrer Abfahrt. Er nimmt sich vor, in den kommenden Tagen das Teil mal zu probieren. Es sieht recht wuchtig aus.

      Das Laub auf der Straße in die Töll ist noch etwas feucht. Toni fährt wie auf Eiern. Er nimmt sich vor, unten in Rabland einen Garagenplatz für sein Motorrad zu suchen. So kann er mit der Seilbahn fahren. Mit dem Auto nach Meran zu fahren, kostet einfach zu viel Zeit. Das Gleiche gilt auch für die Bahn oder gar für das Fahrrad. Ein Elektroquad gänge vielleicht. Nur, mit dem stünde er auch im Stau. Und ob dafür die Batterie reicht? Das bezweifelt Toni zu Recht. 'Das Motorrad ist und bleibt das Beste', denkt er sich.

      Kaum ist er im Büro, kommt schon eine Kollegin und bringt die Daten der Proben. Das Opfer ist tatsächlich ein Saisonarbeiter. Er heißt Soltan und ist ein Ungar. Den Papieren nach, arbeitet er schon viele Jahre in Südtirol. In Dorf Tirol, in Schenna und in Meran. Toni steht ein hartes Programm bevor.

      Zuerst


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