Leblos im Schnalser Stausee. Kh Beyer
Soltan überall gearbeitet hat. Die einzelnen Betriebe müssen abgeklappert werden. Vielleicht gibt es Zeugen und Aussagen. Hat Soltan eine Freundin oder Frau? Gibt es eine Familie bei ihm zu Hause?
Das Amt hat fast alle Daten von Soltan. Marco gibt seiner Veronika die Daten. Veronika sucht in den Unterlagen der Gewerkschaft. Volltreffer. Die Gewerkschaft hat mehr Unterlagen als das Arbeitsamt. Jetzt gilt es nur noch zu erfahren, was Soltan ausgerechnet am Stausee wollte.
Den Unterlagen nach, kommt Soltan vom Plattensee. Balaton. Aus Balatonfüred. Toni kann sich erinnern. Er war dort schon mal drei Tage. 'Wieso arbeiten die Ungarn vom Balaton ausgerechnet hier?', fragt er sich. 'Die haben dort doch auch Saison.' Er kann sich das nicht so richtig erklären.
Vielleicht wollte er sich zu Hause ein Geschäft aufbauen. Das Geld dafür, konnte er sich hier verdienen.
Jetzt gilt es, heraus zu finden, ob eventuell Angehörige da sind. Toni ist sich sicher, Angehörige zu finden.
Zunächst nimmt er telefonischen Kontakt mit den dortigen Behörden auf. Zu seiner Überraschung, sprechen die sehr gut Deutsch. Offensichtlich sind deutsche Touristen deren Haupttouristen. Österreicher und Schweizer sprechen ja auch deutsch. Er ist überrascht von den guten Sprachkenntnissen.
Es gibt eine Familie von Soltan. Eine Frau, ein Kind und beide Eltern nebst Schwiegereltern. Toni überlegt, wie er dieser Familie die traurige Nachricht übermitteln kann. 'Sage ich es kurz oder hole ich weit aus? Sage ich es dem Amt?'
Toni will es persönlich tun. Das Amt zu Hause bei Soltan gibt ihm die Adresse und die Telefonnummer. Die schlechte Nachricht per Telefon zu übermitteln, kommt Toni etwas unpersönlich vor. Er entscheidet sich, die Nachricht über die ungarischen Kollegen mitteilen zu lassen. Die Angehörigen müssen noch zur Identifikation kommen. Das Land bezahlt die Anreise.
Der Tag ist schnell vorüber. Die Kontakte nach Ungarn waren sehr zeitintensiv. Toni will aber noch die letzte Arbeitsstelle heraus bekommen. Und siehe da, Soltan hat bei Silvio gearbeitet. In dem Hotelklotz in Kurzras. Alpenrast. Der Komplex wirkt wie aus einem Stück. Restaurants, Geschäfte, Dienstleistungen. Alles in einem Komplex. Gegenüber geht die Seilbahn hinauf zum Gletscherhotel. Unten ist alles grün und Oben, fährt man Ski. Traumhaft.
Die Ermittlung
Toni meldet sich bei Silvio an. Er möchte das Personalzimmer von Soltan sehen.
"Jetzt muss ich wieder ins Schnalstal", sagt er zu Marco am Telefon.
"Soll ich mit suchen?"
"Das kannst du schon. Wir müssen schnell sein, bevor irgend Jemand das Zimmer zu stark verändert."
"Ich rufe Silvio an, er soll das Zimmer versiegeln."
"Hab ich schon getan."
"Wir treffen uns dort."
Toni fährt mit dem Motorrad. Das Wetter ist etwas wechselhaft. Der Himmel sieht nicht besonders einladend aus. Toni packt die Regenkombi mit ein.
Bis nach Kurzras hinauf bleibt es trocken. Es scheint sich etwas auf zuziehen.
An der Rezeption wartet Silvio bereits. Er hat Sorgenfalten auf der Stirn. Ganz ruhig sagt er zu Toni: "Hoffentlich merken unsere Gäste nichts."
Die Sekretärin bringt wieder den Kaffee. Heute trägt sie Hosen. Die trägt sie so eng, wie eine zweite Haut. Ihr Schambereich ist bildhaft in die Hose gedruckt.
"Ist sie schon mal sexuell belästigt worden?", fragt Toni, Silvio. "Ich hab fast den Verdacht, sie will das."
"Beklagen kann die sich aber nicht bei dem Auftritt. Das wäre damit vergleichbar, als würde ich Hosen aus Frischhaltefolie tragen."
"Du Scherzbold. In der Saison sind alle mal in Not."
"In Dauernot oder gelegentlich?"
Marco kommt zu dem Gespräch. Er hört lieber etwas weg. Ihn interessiert das wenig.
Beide gehen auf das Zimmer. Das Siegel ist gebrochen. Es war Besuch da. Die Kollegen, welche die Zwei treffen, wissen von nichts. "Vielleicht waren es Gäste."
'Es gibt wieder keine Schuldigen', denkt sich Toni.
"Die glotzen überall rein. Auch in unsere Zimmer."
"Die Ausrede ist gut", sagt Marco zu einem Angestellten.
"Wir brauchen von Allen die persönlichen Daten", fügt er an.
Eigentlich stehen die unten in den Arbeitsverträgen. Trotzdem will Marco das mit den Pässen abgleichen.
"Ich hab schon Pferde kotzen sehen", sagt er zu Toni.
Soltan hat auf dem Zimmer nicht allein geschlafen. Der Kollege von Soltan arbeitet gerade. Er musste aus dem Zimmer ausziehen. Das erklärt den Beiden das kleine Durcheinander. Neben diversen Proben, nehmen die Zwei Briefe, Notizen und Bilder mit. Sogar das Handy liegt noch da.
"Der ist ohne Handy aus dem Haus gegangen?"
Toni notiert sich das.
Der Zimmerkollege von Soltan kommt. Er stellt sich mit Petr vor. Marco schreibt sich Peter auf. Petr berichtigt ihn und sagt. "Petr."
"Was ist der Unterschied?"
"Es wird wie Pjotr gesprochen."
"Ach so. Waren sie mit Soltan befreundet?"
"Wir arbeiten seit acht Jahren zusammen."
"Hier oder auch wo anders?"
"Hier in Südtirol. Im Pustertal, auf der Seiser Alm und auf dem Reschen."
"Gefällt es ihnen hier in Südtirol?"
"Die Landschaft etwas. Die Arbeit nicht."
"Was verdienen sie hier?"
"Mit a la carte und Kasse, etwa zweitausend fünfhundert. Ohne Kasse und a la carte, eintausend vierhundert."
"Und zu Hause? Was verdienen sie da?"
"Einhundert Euro weniger."
"Warum sind sie dann hier?"
"Weil ich im vergangenem Jahr, hier, Ja gesagt habe. Ich hatte auch ein paar Freunde hier. Damit ist gesagt, ich komme nächstes Jahr nicht mehr."
"Mein Beileid. Trotzdem müssen sie mir noch etwas zur Verfügung stehen wegen Soltan."
"Gerne."
"Hatte Soltan eine Freundin?"
"Zu Hause hat er keine. Ich spreche auch Ungarisch. Wir haben uns oft besucht."
"Und hier?"
"Schon. Mal Diese oder mal Jene. Zuletzt ging er scheinbar etwas fester mit Jolka."
"Jolka klingt aber nicht ungarisch."
"Jolka ist Polin. Sie ist, glaub ich, mit Darek verheiratet."
"Also, ist sie mit Soltan fremd gegangen."
"Das glaube nicht. Darek ist mein Oberkellner und Jolka die Barfrau. Ich glaube, Darek hatte nichts dagegen, wenn Jolka etwas dazu verdient."
"Er ist sozusagen, der Zuhälter."
"Das auch nicht. Darek braucht Kontakte. Er handelt auf dem Bauernmarkt auch mit gebrauchten Skiausrüstungen, Textilien, Fahrrädern und Kinderspielsachen aus dem Westen."
"Alles klar. Ich komme noch auf sie zu."
"Sie können ruhig du zu mir sagen."
"Ich bin Marco. Mein Kollege ist Toni. Seine Frau ist Monika."
"Danke Marco. Bis später."
Toni hat Darek zu sich rufen lassen. Das hat etwas gedauert. Darek leitet gerade das Nachfüllen des Buffets. Es gibt viele Beschwerden, weil das Buffet angeblich zu leer wäre. Dazu hat er gerade eine Auseinandersetzung mit einem Gast, der das Fünf-Minuten-Ei moniert.
"Sie sind hier auf fünfzehn hundert Meter Höhe. Da werden Fünf-Minute-Eier etwas weicher."
Der Disput geht ewig. Eine Serviererin muss Darek losreißen. Jetzt streitet sie mit dem Hotelgast.
"Sie bekommen doch die Frühstückseier