Im Reiche des silbernen Löwen I. Karl May

Im Reiche des silbernen Löwen I - Karl May


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sich also wieder eingestellt.

      Zunächst blieben wir noch halten, und ich horchte in das Thal hinab. Es herrschte tiefe Stille unten; die Roten hatten ja mit der Vermutung zu rechnen, daß noch mehr Weiße in der Nähe seien; sie durften also ihre Nachforschungen nur im Finstern vornehmen und konnten darum die Spur, welche ich zurückgelassen hatte, nicht entdecken. Diese war morgen früh wohl nicht mehr zu sehen, und so mußte ihnen das Entkommen des Gefangenen ein unlösbares Rätsel sein, wenn sie nicht etwa durch eine Unvorsichtigkeit der Snuffles etwas über meine Anwesenheit erfuhren.

      Daß ich alles daran setzen würde, diese Letzteren, und mit ihnen natürlich auch die andern Weißen, zu retten, das versteht sich ganz von selbst. Wie dies anzufangen sei, darüber war ich schon jetzt im klaren. Heute war selbstverständlich nichts mehr anzufangen.

      Es zeigte sich, daß der Fremde gehen konnte, allerdings langsam, wie er gesagt hatte; aber wir brauchten uns ja nicht zu beeilen, weil wir nicht verfolgt wurden. Als er mich jetzt wieder bat, ihm meinen Namen zu nennen, antwortete ich:

      »Man heißt mich hier im Westen gewöhnlich Old Shatterhand; nennt mich auch so, Sir. Und Ihr? Seid Ihr vielleicht Mr. Dschafar?«

      »Ja – aber Ihr kennt meinen Namen? Wie kommt denn das?«

      »Ich habe ihn von Perkins, Eurem Führer, gehört.«

      »Wann?«

      »Heute.«

      »So habt Ihr ihn heute gesehen? Er ist nicht verunglückt? Ich glaubte ihn verloren.«

      »Sagt mir zunächst, was Ihr von ihm haltet! Was ist er für ein Mensch?«

      »Ich habe bisher keine Ursache gehabt, über ihn zu klagen.«

      »So ist er also wohl nicht so schlimm, wie ich dachte. Kommt, wir müssen weiter! Während wir gehen, werde ich Euch erzählen, wie ich ihn kennen gelernt habe.«

      Ich nahm ihn bei der Hand, um ihn zu führen, denn wir mußten durch den Wald. Während wir vorsichtig unter und zwischen den Bäumen hinschritten, erzählte ich. Als ich zu Ende war, sagte er:

      »Sir, er ist kein Held; das habe ich wiederholt bemerkt. Der Schreck und die Angst haben ihn zu dem getrieben, was Ihr eine Treulosigkeit nennt. Lassen wir es bei der bisherigen Strafe. Er ist feig, aber kein Bösewicht.«

      »Mir soll es recht sein. Ihr meint also, daß ich ihn losbinden kann?«

      »Ja.«

      »Ohne befürchten zu müssen, daß uns dies Schaden bringt?«

      »Ihr dürft ihm trauen. Er wird Euch nur dann täuschen, wenn Ihr Heldenthaten von ihm erwartet. Aber, Sir, wie bedaure ich meine anderen Begleiter! Sie sind unbedingt verloren!«

      »Noch nicht. Sprechen wir später von ihnen. jetzt werden wir gleich an Ort und Stelle sein.«

      »Bei Perkins?«

      »Ja.«

      »Was müßt Ihr für Augen haben! Sich des Nachts im finstern Walde ebenso zurecht zu finden, wie am hellen Tage!«

      »Das ist Uebung, weiter nichts.«

      Wir hatten keine Veranlassung, ganz leise zu sprechen; darum hörte uns Perkins. Er erkannte uns beide an unsern Stimmen und rief, noch ehe wir ihn erreicht hatten, uns entgegen:

      »Ihr kommt, Mr. Shatterhand? Gott sei Dank, es ist gelungen! Ich höre Euch mit Mr. Dschafar sprechen; Ihr habt ihn also befreit. Hoffentlich gebt Ihr mir nun auch meine Freiheit wieder!«

      »Wollen sehen,« antwortete ich, indem ich zu ihm trat.

      »Zunächst muß ich etwas wissen, was höchst wichtig für mich ist. Ich gab Mr. Snuffle meine Gewehre. Wo sind sie?«

      »Sie liegen hier neben mir; das seinige und das seines Bruders auch.«

      »So war meine Sorge unnötig. Dieser Mann hat heut den dümmsten Streich seines ganzen Lebens begangen, indem er von hier fortging.«

      »Ich habe ihm zugeredet, hier zu bleiben; er ließ sich aber nicht halten.«

      »Obgleich er einen Gefangenen zu bewachen hatte! Vollständig unverzeihlich! Wenn nur ein einziger Riemen bei Euch locker war, konntet Ihr Euch losmachen und mit unsern Gewehren und Pferden auf und davon gehen. Die Strafe hat ihn schnell genug ereilt!«

      »Strafe? Was ist ihm widerfahren?«

      »In die Gefangenschaft ist er geraten, oder vielmehr förmlich gefahren und gestürzt.«

      Ich erzählte ihm, was geschehen war, und fügte hinzu:

      »Ihr seht, was es für Folgen hat, wenn man so ohne Sinn und Ueberlegung handelt; Ihr habt es sogar an Euch selbst erfahren. Ihr tragt selbst die Schuld, daß ich so streng gegen Euch gewesen bin.«

      »Das sehe ich ein, Sir. Nun aber denke ich, daß Ihr in dieser Strenge einmal nachlassen könnt.«

      »Gut! Mr. Dschafar hat für Euch gebeten, und so will ich Euch freigeben, hoffe aber, daß Ihr Euch von jetzt an bewähren werdet!«

      »Das werde ich, Sir, das werde ich! Sagt mir nur, was ich thun soll.«

      Ich band ihn frei und gab ihm alles wieder, was ich ihm aus den Taschen genommen hatte. Dann warnte ich ihn:

      »Glaubt aber ja nicht etwa, daß ich Euch nun gleich mein vollständiges Vertrauen entgegenbringe! Ich würde Euch noch sehr scharf beaufsichtigen, wenn ich nicht in der Lage wäre, dies lieber den Comantschen zu überlassen.«

      »Die Comantschen? – Mich beaufsichtigen? – Wie meint Ihr das?«

      »Sehr einfach: Ihr seid verloren, wenn Ihr Euch nicht treu zu mir haltet und nur das thut, was ich will. Wenn Ihr abermals feig oder treulos handelt, so werdet Ihr ihnen in die Hände fallen. Sie werden, sobald der Tag anbricht, nachforschen, und nur ich bin es, der sie irre zu leiten vermag. Ihr könntet sie nicht täuschen; Euch würden sie einholen und erwischen. Eure Sicherheit liegt also in Eurer Treue zu uns, und so bin ich überzeugt, daß ich mich aus diesem Grunde auf Euch verlassen kann.«

      »Das könnt Ihr, Mr. Shatterhand. Wie dumm von Tim Snuffle, daß er Euch nicht auch gehorcht hat! Nun ist er gefangen. Könnt Ihr nicht vielleicht etwas für ihn thun?«

      »Ich hoffe, daß ich sie alle noch befreien werde. Ihr könnt mir dabei helfen.«

      »Herzlich gern! Aber – wird das nicht sehr gefährlich sein?«

      »Für Euch nicht. Habt keine Sorge um Eure Person und Euer Leben! Ihr sollt mir nur dadurch behilflich sein, daß Ihr mich nicht stört und mir vielleicht eine kleine Handreichung leistet, die vollständig ungefährlich ist.«

      »Werden die Roten lange hier bleiben?«

      »Nein, ich bin überzeugt, daß sie morgen fortreiten werden.«

      »Reiten wir ihnen etwa nach?«

      »Nein, sondern voran.«

      »So wißt Ihr also, wohin sie wollen?«

      »Ja.«

      »Da ist es gut, daß wir die Maultiere der beiden Snuffles haben; da kann ich reiten, während ich sonst laufen müßte.«

      »Die Maultiere nehmen wir nicht mit.«

      »Nicht? – Aber warum denn nicht?«

      »Um die Indianer zu täuschen. Sie sollen denken, daß die Snuffles allein hier gewesen sind.«

      »Werden sich hüten!«

      »O doch! Die Snuffles wissen, daß sie verloren sind, wenn ich sie nicht rette; es wird ihnen also nicht einfallen, zu verraten, daß noch jemand bei ihnen gewesen ist. Die Roten werden freilich nachforschen und dabei die Maultiere und die Flinten der Snuffles finden. Hierauf werden sie überzeugt sein, daß die Brüder wirklich allein waren, denn wenn noch jemand bei ihnen gewesen wäre, der hätte die Tiere und Gewehre gewiß fortgeschafft.«

      »Ah, das ist freilich pfiffig! Aber die Indianer werden unsere Spuren sehen!«

      »Nein, denn die sind bis morgen früh undeutlich geworden. Und selbst wenn sie noch zu sehen wären, würden


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