Verwehte Spuren. Franz Treller
Abgesessenen die Pferde wieder und Athorees Roß mit sich führend, bewegten sie sich eilig auf den Indianer zu. Dieser sprang in den Sattel und sagte dabei: »Wie ich denken, er gleich weiter reiten — er nehmen Prairie, ihn jetzt fassen.«
So rasch es anging, eilten sie in breiter Front durch den Wald.
Graf Edgar hatte einigen riesenhaften, wahrscheinlich von einem Sturm entwurzelten Baumstämmen ausweichen müssen und war dadurch, daß er gezwungen ward, sie zu umreiten, wohl an hundert Schritte ins Hintertreffen gekommen. Niemand, selbst sein treuer Heinrich nicht, hatte ihn innerhalb der belaubten Wälder vermißt.
Während die andern bereits in die Prairie einritten und sich nach ihren Opfern umsahen, weilte der Graf noch im Walde.
Als er an einer uralten Eiche vorbeiritt, sprang plötzlich Morris dahinter hervor, faßte mit der einen Hand die Zügel und stieß gleichzeitig mit der messerbewehrten Rechten nach dem jungen Manne.
So plötzlich und unerwartet dieser Angriff auch war, so führte der ebenso gewandte als entschlossene Offizier doch einen so kräftigen Stoß mit dem Kolben seiner Büchse nach der Brust des Angreifers, daß dieser zurückwankte und sein Messer den Grafen nicht erreichte.
Morris, ein riesenstarker und zugleich behender Mann, ließ das Messer fallen, faßte mit beiden Händen des Grafen Bein und riß ihn, ehe er auch nur Maßregeln zur Abwehr treffen konnte, herab, so daß er zur Erde stürzte und ihm die Büchse entfiel. Augenblicklich war der Graf aber wieder auf den Beinen und faßte den Gegner fest mit beiden Händen.
Ein wildes Ringen entstand. Der Jüngling besaß außergewöhnliche Körperkraft und er wußte, es galt das Leben; aber sein zur Verzweiflung getriebener Gegner, welcher sich durch die Verwundung seines Pferdes des letzten Rettungsmittels beraubt fand, war ihm überlegen, das fühlte er.
»Hallo! Herr Graf! Herr Graf! Hallo!« ertönte Heinrichs Stimme in nicht großer Entfernung.
Todesangst verdoppelte bei dem Nahen eines zweiten Feindes des Banditen herkulische Kraft und er schleuderte den jungen Mann mit solcher Wucht zu Boden, daß er fast betäubt dalag, unfähig, sich gleich wieder zu erheben. Dann ergriff er seine Büchse, haschte mit wenig Mühe des Grafen Roß, schwang sich darauf und ritt davon, als eben Heinrich sein Pferd auf den Schauplatz drängte. Nur die im Angesichte des Feindes gebotene schnelle Flucht und die Notwendigkeit, einen Schuß in der Büchse zu haben, verhinderten es, daß er dem Grafen eine Kugel zusandte. Mächtig erschrak Heinrich, als er seinen Herrn am Boden liegen sah, und sprang aus dem Sattel.
Doch schon erhebt sich Graf Edgar. »Sei unbesorgt, Heinrich, es ist mir außer einigen Quetschungen nichts geschehen,« und erzählt dem erregten Mann, wie der Bandit in überfallen hatte
Der Jäger half dann dem Grafen auf sein Pferd und führte es durch den Wald nach der Prairie, wo die andern harrten.
Ein Schrei der Wut ließ sich hören, als der junge Offizier den Ueberfall und diesen Ausgang mitteilte.
» Damned his soul!« schrie Jones.
»Ist der größte Schurke entkommen. Was nun? Sollen mir dem Morris nachsetzen oder die Hunde vor uns jagen?«
»Geh, Jones,« sagte der Indianer, »fechte in der Prairie — Athoree wird der Fährte des Morris folgen.«
»Skalpiere den Hund, John, und du sollst ein Faß Rum haben.«
Schon ritt der Indianer in den Wald zurück.
»Vorwärts, Männer, hinter den Dieben her.«
»Ich will die Jagd mitmachen, Heinrich, auf deinem Pferde, bleibe du hier, wir holen dich wieder ab, lange kann es nicht dauern,« sagte der erregte Graf.
»Ich würde zurückbleiben, Herr.«
»Nein, mein Blut ist warm, ich will reiten, besser als hier im Walde sitzen und meine Quetschungen fühlen.«
Von den Verfolgten war bei der Bodengestaltung, man bezeichnet sie im Lande als rollende Prairie, im Augenblick nichts zu erblicken, sie ritten deshalb die höchste Erdanschwellung, die sich ihren Augen darbot, hinan, um Umschau zu halten. Der Graf schloß sich ihnen an, während Heinrich besorgt am Waldessaum zurückblieb.
Auch von oben war nichts zu erspähen, die Gejagten hielten sich wohlweislich in den leichten Einsenkungen des Bodens.
»Vorwärts, Männer, Huppih!« rief Jones, der jetzt die Führung übernahm, »vom nächsten hohen Punkte aus müssen wir sie sehen,« und fort galoppierten sie, so rasch die Pferde laufen konnten.
Ein scharfer Nordwind hatte sich erhoben, der sie, ihnen ins Gesicht blasend, eisig anwehte. Aber vorwärts, vorwärts, die wildeste Jagdlust war erwacht.
Wiederum leiteten sie ihre Pferde nach Zurücklegung einer großen Strecke eine Bodenanschwellung hinan, und »Huppih! dort sind sie, die Hunde!«
In der Ebene, die sich vor ihnen ausbreitete, sahen sie jetzt deutlich die drei Flüchtlinge, welche sich nach verschiedenen Richtungen hin bewegten.
»Sie haben sich getrennt, aber das soll ihnen nichts helfen. Ich nehme den links, Grover, du den in der Mitte und Morton den andern.«
»Nein, laß uns zusammenbleiben, Jones —« aber schon sprengte jener dem Gegner, den er sich erwählt hatte, nach. Die Flüchtenden waren kaum eine Meile weit vor ihnen und konnten bald erreicht sein, und dann mußten die Büchsen sprechen.
Während sie so vorwärts ritten, erschien zu ihrer Linken Morris auf des Grafen Pferd am Horizont, und nach kurzer Frist hinter ihm der Indianer, dessen gellender Schlachtruf bis zu ihnen herüberdrang. Aber das Pferd des Grafen, welches der Mörder ritt, war augenscheinlich kräftiger, als das des Indianers.
Der Nord brauste immer stärker.
Plötzlich verschwanden die drei, welchen Jones, Grover und der Graf nacheilten, vom Erdboden, nur Morris war von den Verfolgten noch sichtbar, hinter ihm der Indianer.
Grover hielt mit seinen Begleitern und rief mit Stentorstimme Jones zu, gleichfalls zu halten.
»Dort, quer vor uns, muß eine sich lang ausdehnende Senkung sein, und wir laufen ins Feuer der Schurken, wenn wir uns unvorsichtig nahen. Jones! Jones! Halt! Da seht, der Indianer gibt die Verfolgung auf, er hält, er wendet sogar; was ist das, er winkt uns zu, zurückzureiten? Bei Jove, er jagt zurück! Was ist das?«
Eine leichte, kaum bemerkbare Dunstwolke zeigte sich an dem Rande, hinter welchem die drei Räuber verschwunden waren.
»Allmächtiger Gott! zurück! zurück! Der Wind weht scharf gegen uns, und die Schurken haben das dürre Gras angezündet. Zurück, Herr Graf, jetzt geht‘s ums Leben!«
Staunend sah Graf Edgar die furchtbare Aufregung des starken Mannes, folgte ihm aber, gleich dem andern Farmer, indem er sein Pferd wandte und es zur wahnsinnigen Eile anspornte.
Jones hatte gleichfalls den Rückweg angetreten.
Graf Edgar schien die Gefahr keineswegs so dringend zu sein, er wandte trotz des schnellen Rittes sogar den Kopf, und bemerkte freilich, daß die Rauchwolke sich verstärkt hatte.
Etwas vor ihm ritt schwerkeuchend Grover, unaufhörlich sein Pferd antreibend, drüben tat Jones augenscheinlich ein Gleiches.
Nur Pferde von dieser ungewöhnlich dauerhaften Rasse vermochten solche Anstrengungen zu ertragen. Fort ging‘s in wilder Flucht.
Der Wind sauste hinter ihnen her, gleich als ob er ihre Eile beschleunigen, oder mit den Pferden um die Wette rennen wollte.
Ein unangenehmer brenzlicher Geruch machte sich nach einiger Zeit bemerkbar, den der Sturm auf seinen Flügeln ihnen nachführte.
»Vorwärts! Vorwärts!« keuchte Grover.
Dennoch konnte es der Graf nicht unterlassen, einen Moment zu halten, und sich umzusehen.
Fast der ganze nördliche Horizont war bereits in Dunst gehüllt, und dichte Dampfwolken stiegen aus der Prairie auf, welche der Wind nach Süden fegte.
Wild