Verwehte Spuren. Franz Treller
sind,« lachte Jones, »wissen sich zu wehren.«
Heinrich, der, als er die Gefahr, welche seinen Herrn bedrohte, erst erkannte, in Todesangst die wilde Flucht vor dem Feuer mit angesehen hatte, eine Angst, die sich steigerte, als der Dampf die Reiter einhüllte, war körperlich frisch, aber immer noch sehr bewegt und beschäftigte sich mit rührender Treue um seinen Herrn, ihm kleine Dienste leistend, um sein Lager möglichst bequem zu machen, wiederholt nach seinem Befinden sich erkundigend, von den noch vorhandenen Vorräten anbietend, die aber der erschöpfte junge Mann ablehnte. Während er so um ihn beschäftigt war, traf sein Auge einen zierlichen Wapitihirsch, welcher sich etwa hundert Schritte von ihnen erhoben hatte und sicherte. Das Tier, wahrscheinlich auch vor dem Feuer entflohen und hier Rast suchend, stand schußgerecht. Eine schnelle Bewegung brachte die Büchse in Heinrichs Hand, sie lag an der Wange — ein Krach — hoch ansteigend fiel das Tier im Feuer.
Alle sprangen erschreckt empor.
»Was gibt‘s?« fragte hastig der Graf.
»Ein Hirsch, er liegt.«
Beruhigt setzten sie sich wieder und Jones lachte. »Das ist gut, den Braten können mir brauchen.«
Heinrich brach das Tier rasch auf, brachte die Beute heran und mit Hilfe des Indianers loderte bald ein Feuer empor und der Duft des schmorenden Hirschfleisches füllte einschmeichelnd die Luft.
»Hallo, Boys!« ertönte eine kräftige Stimme, »nennt ihr das Jagd machen?«
Es war Weller, welchem in einiger Entfernung seine Gefährten folgten.
»Hoho! der Konstabel, der hat den Braten gerochen — der hat eine Nase.«
»Habe wenigstens den Rauch des Feuers gesehen, aber ist gut, Leute, haben einen bärenmäßigen Hunger. Was war das für ein Dampf?«
Man gab ihm rasch Kenntnis von den Vorfällen.
»Schade, schade, daß die Schufte entkommen sind. Müssen rasch Botschaft an den White River senden und die Leute dort vor ihnen warnen. War nichts zu machen, Männer, haben getan, was wir konnten. Ist ein Fakt.«
Die von dem milden Ritt Erschöpften hatten sich bald wieder erholt und in kurzer Zeit saßen sie sämtlich um das Feuer und sprachen dem duftenden Braten kräftig zu.
»Jetzt,« sagte der Indianer, »Grover, gib Rum, Jagd aus.«
Von allen Seiten bot man ihm die Jagdflaschen, von denen einige noch gut gefüllt waren, an. Er nahm die von Grover und leerte sie in einem Zuge.
»Ah, Rum gut.«
»Na ja,« brummte Grover, »wenn wir zu Hause sind, wird‘s wohl wieder losgehen. Schade um den Mann.«
Sie ruhten aus und traten dann, nachdem auch Miller mit den aufgesammelten Pferden Jones‘ sich ihnen angeschlossen hatte, den Heimweg den Muskegon entlang an. Unterwegs wurden die Männer, welche an der Furt des Sumpfes Wache hielten, aufgenommen und dann am Ufer des Flusses die Nacht zugebracht. Am andern Tage trafen alle, erschöpft, aber sonst wohlbehalten, von der vergeblichen Jagd in der Heimat wieder ein.
Viertes Kapitel. Der Onkel Meschepesches
Graf Edgar, der durch die im Ringkampfe mit Morris erlittenen Hautabschürfungen und sonstigen Verletzungen eine Zeitlang unangenehm belästigt worden war, hatte durch die von Grovers Frau ihm verordneten Heilmittel so weit Linderung gefunden, daß er sie kaum noch fühlte; doch war Ruhe für noch einige Tage geboten, ehe er sich den Anstrengungen einer Reise durch die Wälder, ohne Nachteile befürchten zu müssen, wieder aussetzen durfte.
In Sinnen verloren weilte der Offizier am Tage nach der Rückkehr von der wilden Jagd unter einer breitblätterigen Sykomore, unweit des Blockhauses, zu deren Fuße ein roh gefertigter Tisch, von Bänken umgeben, ein angenehmes, schattiges Plätzchen bot.
War ihm auf seiner Reise durch Ohio und quer von Detroit durch Michigan bis zum Muskegon die Art und Weise des Lebens auf den Farmen nicht unbekannt geblieben, so befand er sich doch hier zum erstenmal während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten an der Grenze der Zivilisation, in Gegenden, in welchen das Gesetz seine Macht bereits verloren hatte, wo jeder Mann bewaffnet sein und seine Waffen gelegentlich brauchen mußte, um sein Leben oder Eigentum zu schützen.
Wenn er sich vergegenwärtigte, daß seine Schwester, die ihm noch als zarte Erscheinung vorschwebte, umgeben von der Liebe und Fürsorge zärtlicher Eltern, und all dem äußeren Schmuck des Lebens, wie ihn ein vornehmes Heim in Deutschland bieten konnte, in ein solch wildes Waldtreiben mit seinen Mühen und Entbehrungen und Gefahren geschleudert worden war, so überkam ihn ein Gefühl unsäglicher Trauer.
Nach den Mitteilungen, die ihm der alte Baring, gemacht hatte. zweifelte er nicht, daß sie und ihr Knabe schon längst nicht mehr unter den Lebenden weilten.
Daß er den Indianerstamm aufsuchte, der damals den Angriff auf die unbeschützten Farmen am Manistee ausgeführt hatte, stand fest bei ihm, wie, daß er weder Zeit noch Mühe und Geld sparen durfte, um Gewißheit über das Ende der ihm teuren Menschen zu erlangen.
Rauh war das Land, in welchem er sich befand, rauh die Bewohner desselben, aber diese wohl geeignet, den Kampf mit allen Mühseligkeiten eines solchen Lebens aufzunehmen und siegreich zu Ende zu führen.
Eine wilde, aber kernige Menschenklasse. Was ihm noch am meisten imponierte, war, daß diese rohen Waldleute solch hohe Achtung vor der Majestät des Gesetzes hatten, wenn sie dasselbe auch gelegentlich auf ihre Art selbst ausübten.
Gleichzeitig hatte er in den wenigen Tagen, die er am Muskegon weilte, auch den Auswurf des Landes kennen gelernt, der sich hier an der Grenze des Urwaldes herumtrieb.
Er erkannte klar genug, daß eine Reise durch die Wälder, selbst mit einem erprobten und erfahrenen Führer, nicht ohne Gefahren sei, um mehr als er und Heinrich weder mit dem Urwald und seinen Geheimnissen, noch mit der Art der wilden Eingeborenen vertraut waren.
Doch das schreckte weder den tapferen Offizier, noch hielt es den Bruder ab, seine Pflichten zu erfüllen, und daß bekannte oder unbekannte Gefahren Heinrich nicht einschüchterten, wußte er.
Während er so in Sinnen verloren im Schatten der Sykomore weilte, kam Grover aus den Feldern zurück und setzte sich zu ihm.
»Kalkuliere, Fremder, langweilt Euch — seid an die Städte und ihr Treiben gewöhnt,« sagte er, nachdem er seinen Gast begrüßt hatte.
»Nicht doch, Mister Grover, die Einsamkeit und Eintönigkeit dieser endlosen Wälder mit ihrer feierlichen Stille hat etwas Ueberwältigendes für mich und versetzt mich in gehobene Stimmung, außerdem habe ich Sorgen, die keine Langeweile aufkommen lassen.«
»Seid entschlossen. Mann, nach Norden zu gehen?«
»Gewiß.«
»Ist ein mildes Land da oben, habe es kennen gelernt. Gehören erfahrene Waldleute dazu, um es zu bereisen. Möchte Euch gerne einen tüchtigen Führer mitgeben. Was meint Ihr denn nun zu dem Indianer, nachdem Ihr ihn im Walde bei der Arbeit gesehen?«
»Ich muß gestehen, der Mann flößt mir Zutrauen ein, Grover.«
»War gestern abend wieder höllisch im Nebel, wie er sagt, wird wohl seinen Rausch noch nicht ausgeschlafen haben.«
»Und doch verweigerte er den Whisky während unsres Streifzuges.«
»Ja, es ist merkwürdig genug, daß er bei seinen Jagden und bei einer Affaire, wie die unsre, sich der geistigen Getränke zu enthalten vermag. Ich würde ihm ja nicht so viel Rum geben und habe ihn ihm auch früher schon verweigert, aber dann geht er einfach davon bis zum nächsten Store und betrinkt sich dort. Es ist nicht leicht, mit diesen Leuten umzugehen. Ich habe früher viel mit Indianern gehandelt und so manche Beobachtungen gemacht, es ist eine besondere Art Menschen und man lernt sie nie auskennen.«
»Sprecht Ihr Ihnen gute Eigenschaften ab?«
»Nein, das tue ich nicht. Der Indianer ist erstens unbezweifelt tapfer, und das ist schon etwas, sie sind auch klug in ihrer Art, und ich höre ja,