Verwehte Spuren. Franz Treller
Hand — du Gutherz — nicht vergessen. Du denken, Athoree schlechter Injin, weil trinken Rum, viel Rum, bis Nebel ganz dick im Kopf. Trinken nicht auf Jagd, nicht auf Kriegspfad, trinken, wenn böse Gedanken kommen, viel böse Gedanken, Rum scheuchen sie weg, und Athoree sehen glückliche Jagdgründe vor sich, sehen die Wyandots, wie sie noch herrschen im Land, und zahlreich sind, wie die Blätter des Waldes. Darum Athoree trinken.«
»Nun, ich habe zu meiner Freude gesehen, daß du, sobald ernste Forderungen an dich herantreten, auch dem Rum entsagen kannst.«
»Immer nur trinken, wenn der böse Geist Degschuhvenoh sendet schlimme Gedanken.«
»Ich schenke dir, Athoree, wenn du mich begleiten willst, mein volles Vertrauen.«
»Da» gut, ihm vertrauen, das gut.«
»Und willst du mit mir gehen?«
»Ich will mit dir gehen nach Norden. Vielleicht sendet mich Manitou dorthin — vielleicht,« setzte er leiser hinzu, »der böse Geist — Athoree will gehen und dich beschützen.«
»Gut, ich danke dir.« Und der Graf reichte ihm die Hand, die der Indianer mit einem freundlichen Lächeln nahm und drückte.
»Meschepesche alles hören, nicht Lüge sagen, wo er hören — gerade Zunge, eine Zunge.«
»Das setze ich voraus.«
Der Indianer stand auf und bestieg langsam den Totenhügel, den er, seitdem er in dessen Nähe weilte, durch Entfernung der ihn überwuchernden Pflanzen emsig pflegte. Oben begann er leise zu singen in nicht unmelodischen langgetragenen Tönen. Dreimal umschritt er in der Höhe den Hügel, dann verstummte sein Gesang, und er kam wieder herab.
»Meschepesche sagen, daß Athoree gehen mit weißem Mann nach Norden, ihm sagen, sonst denken, Enkel undankbar gegen großen Vater. Komm, Gutherz, jetzt gehen.«
Bald befanden sie sich wieder in Grovers Heim, wo noch immer Baring weilte, während der Konstabel sich bereits entfernt hatte. Der junge Mann teilte den beiden mit, daß der Indianer ihm erklärt habe, er wolle ihn begleiten.
»Es ist ein hohes Zutrauen, John, welches dir der Fremde schenkt, und wie ich dich kennen gelernt habe, wirst du es rechtfertigen.«
»Athoree nur eine Zunge, ihn führen hin, ihn führen her.«
Es wurde nun noch mancherlei über die Fahrt in die Wälder gesprochen und dem Grafen Ratschläge erteilt. Besonders aber ihm empfohlen, sich in Lansing vorerst die nötigen Empfehlungen zu verschaffen.
In freundlich väterlicher Weise nahm dann Baring Abschied von ihm, ihn wiederholt bittend, ihm von den Resultaten seiner Forschungen Mitteilung zu machen, was Graf Edgar versprach.
Am andern Tage erhandelte er dann zwei Pferde von Jones, das eine für sich als Ersatz für das von Morris geraubte Tier, ein andres für den Indianer, und am Morgen des dritten Tages traten sie, Athoree stattlich mit neuer Kleidung ausgerüstet, die ihm der Graf gekauft hatte, nach einem herzlichen Abschiede von den braven Grovers, die den jungen deutschen Edelmann lieb gewonnen hatten, die Reise nach Süden zu an, den Weg, den sie vor wenig Tagen gekommen waren.
Fünftes Kapitel. In Lansing
In dem freundlichen Lansing, der Hauptstadt Michigans, schritt, es ist mehr als eine Woche vergangen, seitdem wir Grovers Farm verließen, Graf Edgar in städtischer Kleidung dem Gouvernementsgebäude zu. Den größten Teil seines mitgeführten, teils ihm von Detroit nachgesandten Gepäckes hatte er, ehe er seine Reise zum Muskegon antrat, hier in einem Hotel zurückgelassen, so daß es ihm leicht ward, seine für den Wald berechnete Kleidung angemessen zu verändern. Gaben Tracht und Haltung den Mann vom Stande zu erkennen, so würde jeder Europäer, und besonders der Deutsche, auch sofort in ihm den Offizier im Zivilkleide erkannt haben. Heinrich war mit ihm in Lansing, während er den an die Städte nicht gewöhnten Indianer in einem einsamen Wirtshause vor der Stadt zurückgelassen hatte, um ihn später wieder zu sich zu rufen.
Leichten Schrittes stieg der Offizier der Königsgrenadiere die zum Gouvernementsgebäude führende Treppe hinan und ersuchte im Vestibül einen Bediensteten, ihn zu dem Sekretär Mr. Myers zu führen.
Alsbald stand er vor einem behäbigen Herrn von untersetzter, kräftiger Statur, dessen braunrötliches, frisches Angesicht keineswegs auf einen Stadtbewohner schließen ließ.
Mr. Myers empfing den Grafen höflich, und als ihm dieser, nach seinem Begehr gefragt, das Schreiben Barings eingehändigt, lachte der schon bejahrte Herr, als er es erblickte, so herzlich, daß ihm die Tränen in die Augen traten: »Verzeihen Sie, Herr Graf, meinen ungezügelten Ausbruch von Heiterkeit, aber dieses Schriftstück ist die seltsamste Ausgeburt des Hinterwaldes, die mir je vorgekommen ist. Alter ehrlicher Joe, wir sind Jugendfreunde, Baring und ich, Herr, was mag dir dies Dokument Schweißtropfen gekostet haben —« Und er lachte herzlich von neuem.
Endlich öffnete er den Brief, blickte hinein, und wurde während des Lesens immer ernster. Er legte ihn dann beiseite und sagte: »Aller Beistand, Herr Graf, den ich zu leisten vermag, soll Ihnen gern zu teil werden. Die traurige Angelegenheit hat uns seiner Zeit viel beschäftigt. Indessen ist der Einfluß der Regierung auf jene einsamen und entfernten Gegenden wie auf die in unserm Staate lebenden Indianer nicht bedeutend. Wir hängen dort von untergeordneten Organen ab, die nicht immer zuverlässig sind, wie ich mit Bedauern eingestehen muß. Ich selbst bin im Walde und an der Indianergrenze aufgewachsen, deshalb hat man mich auch hier mit den Indianerangelegenheiten betraut, und kenne ziemlich Land und Leute, bin ja auch nicht ohne Einfluß, besonders auf das Haupt der Ottawas, den Peschewa, aber dieser Einfluß ist sehr bedingter Natur, wie denn ein Indianer in seinen Launen ganz unberechenbar ist. Gern gebe ich Ihnen ein Schreiben an den Mann mit, er kennt das Regierungssiegel, wenn er auch den Inhalt ohne einen Dolmetsch nicht enträtseln kann, und ein solcher ist nicht immer bei der Hand, aber das Siegel legitimiert Sie wenigstens. Sind Sie in der Lage, einige Geschenke hinzuzufügen, wie jene Leute sie lieben, so wird das den Eindruck des Regierungsschreibens wesentlich verstärken. Unser Agent dort oben am Manistee wird Ihnen auf mein Ersuchen ebenfalls alle möglichen Dienste leisten, und Sie können auf der Agentur alles das erlangen, was Sie für die Indianer als Geschenke brauchen.«
Der Graf sprach seinen verbindlichsten Dank aus.
»Warnen aber muß ich Sie, Herr Graf, meinem Briefe an den Peschewa einen besonderen Wert beizumessen, er ist ganz unabhängig und nicht immer gut auf uns hier zu sprechen; ferner muß ich Ihnen mitteilen, daß die Regierung mit diesem Schriftstück durchaus keine Garantie irgend welcher Art für Ihre Sicherheit unter den roten Leuten übernehmen kann. Was Sie wagen, und es ist ein Wagnis, unternehmen Sie auf eigene Gefahr. Unsre Macht ist, wie ich bereits sagte, dort oben beschränkt, und es kann leicht sein, möge Gott es verhüten, daß Sie ebenso spurlos verschwinden, wie Ihre beklagenswerte Frau Schwester. Wir können Sie nicht schützen. Wie ich aus dem Briefe ersehe, hat Ihnen Joe Baring schon genügende Mitteilungen über das, was damals, nach beendetem Kampfe, im Interesse Ihrer Schwester geschehen ist, gemacht; es ist in der Tat nichts versäumt worden, das wird Ihnen mein alter Joe bestätigt haben.«
»Gewiß, Sir, gewiß.«
»Die Gefahren, welche Sie dort oben erwarten, sind größer, als Sie ahnen können. Unsre Indianer sind, seit sie auf ihren Reservationen angesiedelt sind, moralisch gesunken, und ihr Sittlichkeitsgefühl hat nicht dadurch gewonnen, daß sich öfters von der Obrigkeit eifrig gesuchte Mörder und Diebe zu ihnen flüchten.«
Edgar erzählte nun dem freundlichen alten Herrn von den Vorgängen der letzten Tage und von dem für die Fahrt angeworbenen Indianer.
»Von dem, was dort am Muskegon geschehen ist, haben wir bereits Nachricht erhalten, und es ist alles getan, was wir tun können, um besonders den berüchtigten Morris zu fassen. Aber Sie werden sich selbst überzeugt haben, wie weit die Kraft des Gesetzes in jenen Distrikten sich erstreckt, unsre Hinterwäldler müssen das Beste dabei tun. Und was den Indianer anbelangt, wenn der erfahrene Baring damit einverstanden ist, können Sie ihn ruhig mitnehmen; daß er trinkt, kann gelegentlich unangenehm werden, schadet aber schließlich nichts, und was Sie mir von dem Manne erzählen, spricht ja für ihn.