Verwehte Spuren. Franz Treller

Verwehte Spuren - Franz Treller


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Fremder,« fuhr er dann fort, »habe früher mit den Ottawas zu tun gehabt in dienstlichen Angelegenheiten, habe mal einem alten Weibe das Leben seines verschmachteten Kindes gerettet, hat mir das Weib, welches vor Dankbarkeit vergehen wollte, einen Totem gegeben, das ist so ein Erkennungs- und Schutzzeichen unter den Leuten roter Farbe, hat mir auf die Seele gebunden, es zu benützen, wenn ich jemals von ihren Stammesgenossen etwas bedürfe. Will Euch das Ding geben, werde schwerlich wieder mit dem Volke in Berührung kommen, habe das Ding die Jahre her mehr aus Gewohnheit als einem andern Grunde bei mir getragen.« Dabei zog er einen kleinen Gegenstand aus der Tasche, der sich bei näherer Betrachtung als ein roh aus Holz geschnitzter Vogel auswies. Das Ding wanderte von Hand zu Hand.

      »Wenn das Weib noch lebt, sie nannte sich eine Miskutake, merkt Euch den Namen, das heißt Bohnenblüte, ob sie gleich aussah wie ein: vertrocknete Rübe, so kann sie Euch vielleicht für Euren Zweck von Vorteil sein. Nehmt das Ding mit Euch, nützt‘s Euch nichts — so bringt‘s ja auch keinen Schaden.«

      »Ich nehme es mit Dank an, Herr Konstabel, und hoffe, das Zeichen soll mir Vorteil bringen.«

      »Mag es sein. Fremder.«

      »Ist eine eigene Sache mit diesen Totems der Wilden,« ließ Baring sich vernehmen, »haben ihre Bedeutung und werden auch von den Leuten respektiert. Haben unter sich ganz wunderliche Gebräuche die Roten, man kann nur nicht ordentlich dahinter kommen, so viel man‘s auch schon versucht hat.«

      »Ah, da kommt ja John, dem wollen mir das Ding einmal zeigen.«

      Langsam schritt der Indianer auf die Gruppe unter der Sykomore zu, um das Gesicht hing feucht das schwarze Haar hernieder.

      Er pflegte nach überstandenem Rausche den Kopf in kaltem Wasser zu baden, und das mußte er auch jetzt getan haben.

      Als er vor den Männern stand, die ihn schweigend herankommen ließen, richtete er die Augen aus Edgar und sagte: »Kommen danken, Gutherz schenken Athoree schönes Messer — er sehr freuen.«

      Der Graf hatte ihm in der Tat ein schönes Jagdmesser von vorzüglichem Solinger Stahl, und reich ausgestattet, geschenkt, was dem Indianer großes Vergnügen bereitet hatte. Er trug die schöne Waffe, welche wenig zu seiner ärmlichen Kleidung paßte, jetzt im Gürtel.

      »Es freut mich, Athoree, wenn das Messer dir gefällt, mögest du noch manchem Hirsch den Genickfang damit geben.«

      Grover, der den Totem gerade in der Hand hatte, hielt ihn jetzt dem Indianer vor Augen und fragte: »Was ist das, John?«

      Athoree sah die Figur an, ohne eine Muskel seines Gesichts zu bewegen, und sagte langsam: »Das, denke Totem von roten Leuten.«

      »Kennst du‘s nicht?«

      »Nicht kennen.«

      »So bist du also kein Ottawa?«

      Der Indianer ließ sein dunkles Auge im Kreis herumschweifen, antwortete aber nicht.

      »Kannst du erkennen, John, welchem Stamme dieser Totem angehört?«

      Der Indianer nahm die Figur in die Hand, betrachtete sie genau und antwortete dann: »Jedes Volk eigene Totems, ihn nicht kennen, vielleicht Ottawa.«

      »Glaubst du denn, daß ein solcher Totem dem, der ihn trägt, Nutzen bringen kann?«

      »Totem, gut, bei rotem Mann, rechter Totem.«

      »Ich verstehe, du willst sagen, wenn einem roten Mann ein Totem seines Stammes gezeigt wird, so ist es vorteilhaft für den Träger desselben?«

      »So meinen.«

      »Um so mehr weiß ich jetzt Ihr Geschenk zu schätzen, Herr Konstabel, wir wollen diesen Talisman verwenden, sobald wir mit den Ottawas zusammenkommen.«

      »Wolltest du etwas, John?« fragte ihn Grover.

      »Athoree will mit Gutherz reden.«

      »O, ich stehe dir zu Gebote, Athoree,« sagte Graf Edgar und erhob sich. »Willst du mich allein sprechen?«

      »Ihn allein sprechen. Komm mit.«

      Er ging und der Graf folgte ihm, während die andern unter der Sykomore zurückblieben.

      Der Indianer führte Graf Edgar schweigend zum Flusse, lud ihn dort ein, das Kanoe zu besteigen, und ruderte dann den Muskegon hinauf.

      Der junge Mann fügte sich dem Indianer und richtete keine Frage an ihn.

      Nach kurzer Frist legte Athoree an dem linken Ufer an und ging in den Wald, wohin Graf Edgar ihm nachging.

      Vor einem Erdaufwurf von ziemlichem Umfang, der sich kahl zwischen den Bäumen erhob, stand der Indianer still.

      Nach einer Weile sagte er leise, in fast feierlicher Weise: »Grab von großem Häuptling.«

      »O,« sagte der Graf, »ist das der Grabhügel eines Mannes deines Volkes?«

      »Gebeine von großem Häuptling ruhen hier. Stammt Athoree von Meschepesche, dem großen Panther meines Volkes, ab.«

      »Er enthält also die Gebeine deines Ahnherrn?«

      »Großer Häuptling — der Wyandots. Athoree Wyandot. Nicht sagen hier, Gutherz; fragen immer nach Stamm, brauchen nicht zu wissen, Gutherz wissen, Athoree Wyandot, das genug, nicht andern sagen.«

      »Ich will darüber schweigen.«

      »Sagen ihm, damit nicht denken Ottawa; Wyandot ganz ander Volk, andre Sprache.«

      Er ließ sich auf einem am Boden liegenden Stamm nieder und Graf Edgar setzte sich neben ihn.

      »Hier Grab von großem Häuptling der Wyandots — lange tot — vor vielen Sommern in glückliche Jagdgründe gegangen. Jagten einst die Wyandots hier in den Wäldern, dies ihre Jagdgründe, wohnten hier, war das Land von See zu See ihr Eigentum. Lange her — lange her. Sind arm die Wyandots, arm und schwach — wohnen jetzt weit fort, an anderem See.«

      »Also es leben noch Leute deines Volkes?«

      Athoree nickte.

      »Leben noch viel — sind arm.«

      »Und du lebst von deinem Volke getrennt, Athoree?«

      Der Indianer senkte den Kopf und erwiderte erst nach einiger Zeit: »Leben nicht bei Wyandots — ich nicht sagen, warum, nicht jetzt. Wollen nicht bei andrem roten Mann wohnen. Leben hier, damit einst begraben werden hier bei großem Vater.«

      »Warum hast du mich hergeführt?«

      »Will mit dir allein reden, hier reden, reden am Grabe von meines Volkes Häuptling. Hier nur Wahrheit reden, der große Panther hört es.«

      Leise säuselte der Wind in den Blättern. Die tiefe Stille des Waldes, der alte Grabhügel vor ihm, der Sprößling eines Volkes, welches einst hier herrschte, neben ihm, der feierliche Ton, in welchem der Indianer mit ihm sprach, das alles machte auf den Grafen besonderen Eindruck.

      Es beschlich ihn ein Gefühl, als ob der Geist des alten Indianerhäuptlings sie umschwebte.

      Er blickte in seines roten Gefährten ernstes Gesicht und sagte: »Athoree möge reden.«

      »Erst sagen, warum gehen zu Ottawa?«

      »Es ist dir schon mitgeteilt, ich suche die Spur meiner Schwester, welche die Ottawas vor drei Jahren vom Manistee in die Gefangenschaft geführt haben, und du sollst nun helfen, sie zu finden.«

      »Nicht mehr Spur finden — Sonne, Wind und Regen Spur längst verweht.«

      »Vielleicht lebt sie noch in der Gefangenschaft der roten Männer.«

      »Nicht wagen, weiße Frau gefangen halten — nicht wagen,« sagte der Indianer nachdrücklich.

      »Und lebt sie nicht mehr, so will ich ihre letzte Spur auf Erden, ihr Grab suchen.«

      »Gut. Athoree suchen und finden Meschepesches Grab, suchen deiner Schwester Grab, ihn auch finden.«

      »Und willst du mir beistehen?«


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