Verwehte Spuren. Franz Treller
zu entziehen gewußt, und wer weiß, was er in dieser Zeit für Untaten ausgeführt hat?«
»Ist bedauerlich, ja.«
»Was nur aus dem armen Johnson geworden sein mag?«
»Weiß es niemand, Grover, ist verschwunden, denken alle, hat sich das Leben genommen. »Kennt die Geschichte, Fremder?«
»Ich habe einiges davon gehört.«
»Ist ‚ne traurige Sache. Wohnte da am Kalamazoo, südwärts von uns, der Mann Johnson. Habe ihn gekannt, war ein rechter Mann, wohnte, wie wir hier hausen, einsam auf seiner Farm. Hatte eine Frau und zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Ließ sie eines Tages allein zu Hause, was ja oft genug geschah; war dieser gefährliche Mensch, der Morris, der wegen Mordes und Diebstahls bereits dem Henker verfallen war, dorthin gekommen, während ihm die Männer vom Grand River schon auf der Fährte waren, hat, um zu rauben, das arme Weib und die Kinder gemordet, genommen, was an Geld zu finden war, und das war wenig genug, Johnsons bestes Pferd aus dem Stall gezogen und ist so entkommen. Als Johnson am Abend nach Haufe kam und das Liebste, was er auf der Welt hatte, tot vor sich sah, ist er ganz still gewesen, hat kein Wort sprechen können, war wie versteinert. Hat auch keinen Laut mehr hören lassen, sagen die Nachbarn, hat in einer Ecke gesessen und ist ganz still gewesen. Sind die Nachbarn gekommen und haben Frau und Kinder begraben. Schweigend und tränenlos ist Johnson mitgegangen. Ist dann beim Grabe allein geblieben, hat auf keinen Trostspruch gehört, war am andern Morgen fort — hat sein Eigen, alles verlassen. Denken alle, hat sich der Mann ein Leids angetan.«
»Es ist furchtbar,« sagte der junge Graf und schauderte leicht zusammen.
»Ging wie ein Schrei der Wut durchs ganze Land, als die Tat ruchbar wurde. Ist alles aufgeboten worden, den Mörder zu fangen, haben ihn nicht erwischt. Nun erscheint er wieder zwischen uns, um abermals zu entkommen. Jammerschade!«
»Jetzt begreife ich ganz die Wut, mit welcher dieser entsetzliche Mensch verfolgt wird.«
»Wird ihm nicht gut ergehen, wenn unsre Leute ihn ergreifen, kalkuliere, wird einige schlimme Stunden haben, werden den Henker nicht bemühen, ist die Tat vom Kalamazoo nicht vergessen,« sagte Baring, »Ist nicht zu vermeiden, daß solches Gesindel sich hier an den Grenzen herumtreibt. Suchen wie wilde Tiere die Einsamkeit der Wälder, wenn sie verfolgt werden, und Not und Verzweiflung treiben sie zu neuen Verbrechen. Ist der Auswurf der Städte und dichter bewohnten Bezirke, der uns hier im Hinterwald zu teil wird. Machen darum nicht viel Umstände mit den Burschen, wenn mir sie fassen und die Sache klar ist. Hatten den Battle freilich vor die Jury gestellt, saß im Countyhause, wäre aber entwischt, wenn nicht der Konstabel und schließlich der Indianer, der John, gewesen wären. Ist eine Lehre für uns, werden zunächst selbst die Ausübung der Gerechtigkeit in die Hand nehmen.«
»Ich sehe wohl, nach dem, was ich erfahren, ein, daß hier ein energisches Eingreifen am Platze ist. Was Medikamente nicht heilen, heilt Eisen.«
»Ist ein Uebergangsstadium, Fremder, sind noch halbwilde Leute hier, wird anders werden, wenn das Land mehr besiedelt ist. Hatte der Iltis einen Store, weiter unten am Muskegon, ähnlich wie hier Grover, war nichts weiter als ein Hehler, und um dies saubere Geschäft zu verdecken, hielt er den Store. War der Tyron sein Spießgeselle, und auch der Morris trieb sich damals im Lande unter dem Namen Brooker herum, war noch vor der Tat am Kalamazoo. Kamen ihnen endlich auf die Sprünge, als wir aber das Nest ausnehmen wollten, war es leer, hatten das Nachsehen. War viel damals gestohlen worden, besonders Pferde. Habe mit Erstaunen von dem Sumpfe und seiner Furt gehört, wundere mich, daß das nicht früher entdeckt worden ist. Muß es der Battle, der damals die Raubzüge kommandierte, wundervoll verstanden haben, sich und seine Beute zu verbergen. Traute sich der Bursche doch wieder ins Land, bekam ihm schlecht, wie Ihr gehört habt. Werden auch diese Gesellen noch ins Garn laufen.«
»Möge die irdische Gerechtigkeit sie bald erreichen.«
Nach einer Weile fuhr Baring fort: »Seid also entschlossen, die Ottawas aufzusuchen?«
»Ja, Mister Baring.«
»Ist recht. Haben da jetzt einen Häuptling Peschewa, einen geriebenen Fuchs. War sicher vor drei Jahren auch am Manistee dabei. Hat aber seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen gewußt und ist jetzt das Haupt des Stammes. Ich glaube, er ist für Geschenke sehr zugänglich, und wird Euch, wenn Eure Gabe ihm genügt, vielleicht beistehen. Ist eine heikle Sache, bei den Ottawas überhaupt von der ganzen Geschichte am Manistee zu reden, wollen nichts davon hören. Haben Furcht, daß die Regierungsmänner noch einen oder den andern am Schöpfe nehmen. Macht ihnen nur bald plausibel, daß Ihr kein Amerikaner, kein Engländer seid, sondern ein Deutscher, kalkuliere, werden Euch dann mit freundlicheren Augen ansehen. Sind auf uns nicht gut zu sprechen. Alles andre, wie Ihr die Reise einrichtet und so weiter, wird Euch Tom Myers schon sagen, hat eben mit den Indianern zu tun, ist sein Departement.«
Ein kräftiges: »Hallo, Grover!« meldete die Ankunft eines neuen Gastes. Es war der Konstabel Weller, von welchem der Anruf ausging.
Er stieg ab und man hieß ihn willkommen.
Der energische und erfahrene Beamte, der ebenso umsichtig als mutig die Gegend von dem Raubgesindel zu säubern suchte, erfreute sich bei den Farmern allgemeiner Achtung.
»Bin erfreut, Euch zu sehen, Konstabel,« sagte Baring und schüttelte ihm die Hand.
»Von wo des Weges, Weller?« fragte ihn Grover.
»Komm von der Big Prairie, Mann, mußte doch sehen, wie die Sache dort aussah.«
»Nun?« fragten begierig die Männer.
»Das Prairiefeuer hat nicht weit um sich gegriffen, sobald der Wind nachließ, erstarb es auch, war schon zu viel junges Gras zwischen dem vorjährigen, hätte Euch sonst schlimm ergehen können. Den Wald hat‘s gar nicht angegriffen.«
»Und die Räuber?«
»Haben, wie ich vermutet, sich nach dem White River zugewendet. Ist übrigens schon Botschaft dahin ergangen, wird bald bekannt sein, welche Gäste sich dort eingefunden haben. Jetzt weiß ich übrigens auch, wer der vierte des Kleeblatts war, den Ihr mir schildertet.«
»Wer war‘s? Sehe den Kerl noch vor mir.«
»Ist ein gewisser Wilfers, ein äußerst gefährlicher Bursche, um so gefährlicher, als er die Manieren der feinen Städter hat. Ist Advokat gewesen, dann Spieler, Mörder. Hat eine alte Frau einer Erbschaft wegen vergiftet. Er rettet sich, sobald man ihm in den Städten auf die Spur kommt, stets in den Hinterwald, was ihn übrigens nicht verhindert, sobald er sich die Mittel dazu verschafft hat, wieder in den Städten aufzutauchen und diese zu brandschatzen. Er ist ein gewiegter Verbrecher und in einem guten Teile der Union bekannt. Wäre kein übler Fang gewesen, bemühen sich mehrere Staaten um die Ehre, ihm frei Logis zu geben und ihn dann mit dem hänfenen Halsband zu schmücken.«
»Werdet Ihr an den White River gehen. Weller?«
»Nein, ist schon alles Nötige veranlaßt, um die Gesellen zu verfolgen. Ist eine schwierige Sache, sie nach Norden hin aufzuspüren. Werden sich natürlich trennen, müssen eine andre Gelegenheit abwarten, ein Wörtchen mit ihnen zu reden.«
Im Verlaufe des Gespräches erfuhr der Konstabel von der Absicht des Grafen, nach Norden aufzubrechen und die Ottawas aufzusuchen, auch der Zweck dieser Reise wurde ihm bekannt gegeben.
»Hm, hm,« äußerte der Beamte, »seid der Bruder von Frau Walther, Mann? War damals mit am Manistee, bin hinter den Wilden hergewesen, als wir sie in die Flucht geschlagen hatten. Erinnere mich auch noch sehr gut der Nachforschungen, welche nach der verschwundenen Frau und dem Kinde angestellt wurden. War Joe Baring der Mann, der sich der Sache annahm.«
Graf Edgar drückte dem Alten herzlich die Hand.
»Versucht‘s, Fremder, beruhigt Euer Gemüt, aber versprecht Euch keine Aussicht auf Erfolg. Es ist merkwürdig, wie schweigsam die Ottawas über diese ganze dunkle Affaire sind; so viel Verhöre auch stattgefunden haben, aus keinem der roten Bursche war auch nur etwas herauszubekommen, was Licht in die Sache gebracht hätte. Und dabei haben sie sie fortgeschleppt, die Frau und das Kind, daran