Die Inseln der Weisheit. Alexander Moszkowski

Die Inseln der Weisheit - Alexander  Moszkowski


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ein Schriftsteller bezeichnet, stimmt ebenfalls. Und was den mazedonischen Namen betrifft…«

      »Alexander!«

      »Also das ist schon fast ein Übermaß an Deutlichkeit. Ich werde mich nicht damit aufhalten, mich mit Erklärungsversuchen zu plagen als Zeuge eines Mysteriums, in dem das Okkulte mit dem ersichtlich Wirklichen untrennbar zusammenfließt. Genug, es steht da, und du weißt so gut wie ich selbst, daß ich die Spur der Inseln bereits aus ganz anderen Erwägungen heraus verfolgt habe, als dieses Nostradamusbuch noch in der Tiefe eines Antiquariats schlummerte. Aber das Zusammentreffen eines eigenen Planes mit dem Auffinden und der Entzifferung dieser okkulten Schrift müßte imstande sein, auch den ungläubigsten Thomas ins Extrem des Glaubens hineinzustoßen.«

      »Immerhin, Alex, es besteht da doch noch ein dunkler Punkt. Hier ist doch von einem amerikanischen Paar die Rede, und davon hast du mir auch nicht die leiseste Mitteilung gemacht.«

      »Das erklärt sich dadurch, daß ich selbst nicht das geringste davon weiß. Dieser dunkle Punkt ist also tatsächlich vorhanden und ich verhehle nicht, daß er mich beunruhigt. Denn wenn ich auch alles durchgehe, was ich jemals an amerikanischen Bekanntschaften besaß, so kommt doch keine einzige für den vorliegenden Fall in Betracht. Es waren ausschließlich nach Europa versprengte Künstler, Konzertgeber, Musikschülerinnen und auch mit diesen hat für mich seit dem Kriege jeder Kontakt aufgehört. Daß ich selbst nie drüben im anderen Kontinent gewesen bin, ist dir bekannt.«

      »Wenn du aber so fest an die Prophezeiung deiner Quatrains glaubst, so müßtest du vielleicht den hiesigen amerikanischen Geschäftsträger aufsuchen…«

      »Nein. Von den achselzuckenden Herrschaften auf unserem Boden habe ich nun wirklich genug. Ich habe mich angestrengt, in diesem Nostradamus hier noch irgend welchen ergänzenden Hinweis zu entdecken. Und meine Suche war auch nicht ganz fruchtlos, allein die Ergebnisse lagen in ganz anderer Richtung. Sie betrafen die Inseln selbst, über die sich Nostradamus in den allerdunkelsten Wendungen ergeht. Der Magier macht da Anspielungen, welche darauf hinzudeuten scheinen, daß sich auf dieser Insel die seltsamsten Kulturen verwirklichen; sozusagen eigensinnige Kulturen, als ob die Inselbewohner es darauf anlegten, ihre Existenz nach philosophischen Prinzipien einzurichten. Aber es ist alles so verschwommen ausgedrückt, daß ich daraus nicht klug werde. Und was den für uns zunächst wichtigsten Hauptpunkt anlangt, so fehlt hierüber jede weitere Notiz. Man müßte sich denn an diese Buchstabenfolge auf Seite 97 klammern

      lzbkhmsnb.

      Donath Flohr nahm ein weißes Blatt von meinem Schreibtisch und schrieb nach der erörterten Regel, indem er jeden Buchstaben mit dessen alphabetischen Nachfolger vertauschte:

      maclintoc

      »Das kannst du dir an die Wand nageln,« fügte er hinzu: »es klingt wenigstens exotisch und erinnert sogar an einen berühmten Seefahrer, der dir aber nicht helfen kann, besonders weil er längst tot ist.«

      »Und dennoch!« rief ich, indem ich trotzend auf das Blatt schlug. »Alles Übrige ist so überzeugend, so zwingend, daß ich von der Idee nicht mehr loskann. Ich will auch davon nicht los, ich habe in mir gar keine Möglichkeit, es zu wollen. Denn mein Verstand müßte einfach dabei abdanken. Er müßte sich entschließen, das alles für ein höhnendes Spiel des Zufalls zu nehmen; und das wäre genau so – ich zitiere Cicero – als wenn man annehmen wollte, das aus dem zufälligen Zusammenschütten von Buchstaben ein Gedicht wie die Ilias entstehen könnte!«

      »Also du willst mit dem Kopf durch die Mauer. Schön. Aber dann müßtest du wenigstens die Bewegungsmöglichkeit haben, und die hast du nicht. Du stehst festgekeilt vor einem finanziellen Rechenexempel, und erklärst selbst, daß alle Lösungsversuche fehlschlagen.«

      »Vielleicht gäbe es einen letzten Ausweg. Dieser Nostradamus ist doch jedenfalls vom bibliophilen Standpunkt ein Schatz, jetzt wo der Schlüssel zur Lesung ermittelt ist. Wie wäre es, wenn ich das Buch verkaufte?«

      »Erstens siehst du nicht aus wie einer, der so etwas verhökert. Und dann, selbst wenn, würde der Erlös nicht zum hundertsten Teile ausreichen, um deine Expedition zu bestreiten. Hier handelt es sich doch im Kostenpunkt um viele Millionen – einfach Wahnsinn. Schluß mit diesen Phantasien! Ich will dir raten: übersetze den ganzen Band in hübsche deutsche Reime, gib sie als Buch heraus oder noch besser, halte Vorträge darüber in der Philharmonie und sonstwo. Dann wirst du wenigstens eine gewisse Genugtuung von dieser Arbeit haben und das Bewußtsein, etwas für die Vergnügungssteuer zu leisten«.

      Wir beide hatten es im Feuer der Unterhaltung gänzlich überhört, daß an der Vordertür die Klingel mehrfach gegangen war. Mein Hausmädchen huschte ins Zimmer und meldete Besuch. Auf der Visitenkarte, die sie mir entgegenstreckte, las ich:

      Mac Lintock

* * *

      Es ist anzunehmen, daß mir die Symptome höchstgradiger Verdutztheit auf dem Gesicht standen, als ich die Eintretenden begrüßte. Denn es waren zwei Personen, Herr und Dame; wie sich aus der Vorstellung ergab: Mr. Mac Lintock aus Chicago und seine Nichte Eva.

      Ich hätte hier die beste Gelegenheit, dramatisch zu werden und ein redendes Quartettgespinnst zu entwickeln. Ich ziehe es indes vor, zunächst episch zu verfahren. An sich betrachtet war nämlich das Auftreten der neuen Figuren in seinem Motiv zwar seltsam, aber keineswegs wunderbar. Der Amerikaner, in seinem Äußeren an das Bild des berühmten Präsidenten Lincoln erinnernd, Irländer von Herkunft, aber durch und durch yankeesiert, befand sich seit kurzer Zeit in Berlin, um hier einige großzügig angelegte Geschäfte teils einzuleiten, teils abzuwickeln. Diese gingen, selbst nach Dollars gemessen, in die sechs- und siebenstelligen Ziffern hinein, wonach sich der Herr ersichtlich als eine recht vertrauenerweckende Persönlichkeit darstellte. Bei einer seiner Transaktionen hatte er mit dem schon vorerwähnten Großbankier Georgi zu verhandeln, dem nämlichen, der mir versprochen hatte, meine Sache »im Auge zu behalten«. Ich selbst war, wie erinnerlich, nur mit minimalen Hoffnungen bei dieser redensartlichen Zusage; allein wider Erwarten berührte der Bankier im Gespräch, so nebenbei das Inselprojekt, mit jener Selbstlosigkeit, die sich oft einstellt, wenn das Risiko verschwindet und der Andere voraussichtlich die Kosten tragen wird.

      Gestern speisten der Amerikaner, seine Nichte und Georgi im Esplanade; zwischen Birne und Käse ließ der Dollarmann einfließen, daß er sich seiner Dampfyacht zu entäußern wünschte, da er sich darauf bis zum Überdruß sattgefahren habe; sie läge elf Monate pro Jahr zwecklos in irgendwelchem Hafen herum und fräße bloß Zinsen.

      Hier hakte Georgi ein, um wiederum ganz beiläufig die Inseln aufs Tapet zu bringen. Da wäre doch einer, dessen ganze forschende Sehnsucht sich auf ein Schiff richtete; und ob nun seine Entdeckerpläne eine reelle Basis hätten, ob nicht, so wäre doch hier für einen Yachtbesitzer ein gewisser Anlaß für eine schöne Geste.

      Es läßt sich nicht behaupten, daß Mac Lintock etwa mit Enthusiasmus zugriff. Allein er begann doch sich zu informieren, und seine Nichte griff ein, um den ersten Funken des Interesses weiter anzublasen. Denn deren Geisteshorizont spannte sich allerdings viel weiter, als der ihres oheimlichen Partners, und sie war imstande, sich auf eine bloße Andeutung hin in einen fernen Gedankenkreis einzufühlen.

      »Ich meine, Onkel,« sagte sie, »zwischen Ja und Nein ist da für uns kein Unterschied. Ich sehe auf der einen Seite ein wissenschaftliches Ziel, das erreicht oder verfehlt werden kann, das aber doch einen kleinen Einsatz verlohnt. Und für uns ist das doch wirklich eine Bagatelle, da die Yacht dich ohnehin langweilt.«

      »Ihr spuken nämlich immer wissenschaftliche Dinge im Kopfe,« ergänzte der Amerikaner. »Sie hat an der Columbia-Universität, in Grenoble und in Leipzig studiert.«

      »Und ich habe in allen Fächern zusammengenommen keine Weisheit gefunden, die über den Schopenhauerschen Grundsatz hinausgeht: omnes, quantum potes, juva! unterbrich mich nicht, Onkel, ich übersetze schon: Hilf allen, soweit du kannst!«

      »Kind, mit dieser Regel wird auch ein Krösus bald genug zum Bettler. Aber über einen Spezialfall läßt sich ja reden. Mir fällt da eben ein, daß mein Freund Rockefeller mit einem Federzug einen Scheck über sieben Millionen Dollars für Forschungszwecke ausgeschrieben hat; allerdings für amerikanische Forschung…«

      »Es


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