Die Nilbraut. Georg Ebers

Die Nilbraut - Georg  Ebers


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Gut! Bisher gab es für mich immer nur mit Männern zu kämpfen, aber auch dieses harte, hochmütige, jedes freundliche Gefühl zurückweisende, kühne Mädchen ist kein verächtlicher Gegner. Für mich handelt sich’s hier um Notwehr. Thut sie mir das Aeußerste an, so wird ihr das Gleiche durch mich widerfahren! Und wer ist der Besitzer der Schuhe gewesen? Ich habe alles vorbereitet, ihn zu finden. Schändlich, schändlich, sich nicht mehr mit hoch erhobenem Haupt im Spiegel sehen zu dürfen! Heliodora ist ein süßes Geschöpf, ein Engel an Güte gewesen. Sie hat mich innig geliebt; aber das, das! Auch für sie ist dies Opfer zu groß!«

      Damit drückte er die Faust auf die Stirn und warf sich auf den Diwan. Müde mochte er sich fühlen; denn er hatte mehr als dreißig Stunden kein Auge geschlossen und heute früh schon mancherlei in Ordnung gebracht.

      Dem Hausverwalter Sebek und dem Kommandanten der ägyptischen Wache war der Befehl erteilt worden, den Besitzer der Sandalen mit Hilfe der Hunde herauszufinden und festzunehmen; ferner hatte er den arabischen Kaufherrn Haschim aus freiem Antrieb — denn der Vater schlief gewöhnlich erst gegen Morgen und war noch nicht aus seinen Gemächern getreten — wegen der Unbill, die seinem Karawanenhaupt Rustem unter seinem Dach begegnet war, zu beruhigen versucht, aber mit geringem Erfolg. Drittens hatte der auch den schwersten körperlichen und geistigen Anstrengungen gewachsene Jüngling sein Verlangen, für die schöne Heliodora in Konstantinopel einige Zeilen zu dichten, befriedigt.

      Den Gedanken, der ihm gestern vor dem Einbruch in das Tablinum gekommen, hatte er nicht vergessen; ihn in Verse zu bringen, gelang ihm spielend auch in seiner heutigen Stimmung, und sie lauteten also:

      »Gleiches gesellet sich gern, so heißt es im Volke, zu Gleichem;

      Wie? Und dein weiches Gemüt freut sich des härtesten Steins?

      Ja, ist er edel und schön und zugleich von unschätzbarem Werte,

      Gleicht Heliodoren der Stein, zieht er die Herrliche an.

      Freue dich denn des Smaragds und wisse, das leuchtende Feuer,

      Das ihn erfüllt, es durchglüht heißer die Seele des Freunds.«

      Mit fliegender Feder waren diese Distichen niedergeschrieben worden, und dabei hatte ihn, er wußte selbst nicht warum, das Gefühl beseelt, jedes Wort, das er da hinwarf, sei ein gegen Paula geführter Schlag.

      Er hatte gestern Nacht im Sinn gehabt, den kostbaren Stein der schönen Witwe würdig gefaßt zu übersenden, aber heute wär’ es ein tolles Wagnis gewesen, eine solche herstellen zu lassen. Er mußte ungesäumt fortgeschickt werden, und er hatte ihn schnell und mit eigener Hand samt den Versen verpackt und ihn dem Chusaren, dem Diener eines Pferdehändlers in Konstantinopel, übergeben, von dem sein pannonisches Viergespann nach Memphis geleitet worden war. Diesen zuverlässigen Mann, der gar kein ägyptisch und sehr wenig griechisch verstand, hatte er vorhin selbst abgefertigt und sich, als sein Roß im Staube der nach Alexandria führenden Straße verschwunden war, beruhigt nach Hause begeben. Es stachen von der Hafenstadt aus sehr häufig Schiffe nach Konstantinopel in See, und dem Chusaren war befohlen worden, das erste beste zu benützen. Vergeblich hatte er die widrige That wenigstens nicht begangen, und dennoch wäre er, wenn er sie ungeschehen hätte machen können, bereit gewesen, ein Jahr seines Lebens zu opfern.

      »Unmöglich« und »verwünscht« waren die Worte, deren er sich bei der Rückschau auf die vergangene Nacht und den heutigen Morgen am stetigsten bediente. Wie hatte er bei dieser Sonnenglut hasten und jagen müssen, und die Empfindung, dabei gezwungen gewesen zu sein, lauter Heimlichkeiten zu üben, erschien ihm, der bisher nichts begangen hatte, was vor den Augen ehrenhafter Männer nicht zu rechtfertigen gewesen wäre, so demütigend, daß es ihm den Schweiß auf die ohnehin glühende Stirn trieb.

      Er, Orion, sich wie ein Dieb vor Entdeckung fürchten müssen! Es war nicht auszudenken, und er fürchtete sich, fürchtete sich wirklich zum erstenmale, seit er den Knabenjahren entwachsen.

      Sein Glücksstern, der ihm in der Hauptstadt hell und freundlich geleuchtet hatte, schien ihm in diesem verkommenden Neste untreu zu werden. Was war der Perserin, mit der ihn einmal eine flüchtige Liebelei verbunden — und welcher Altersgenosse war denn blind für die Reize hübscher junger Sklavinnen im Hause? — durch das verwirrte Hirn gefahren, daß sie ihn angefallen hatte wie ein wütendes Raubtier? Sie war ein reizendes Kind gewesen und zu seinem Verdruß, ja zu seinem Kummer schmählich verstümmelt worden. Kam sie wieder auf, und er hätte darum beten mögen, so war es natürlich seine Sache, für sie — und wie! — für sie zu sorgen. Wollte er billig sein, so mußte er anerkennen, daß sie wohl berechtigt war, ihn zu hassen; aber die Damascenerin? Ihr hatte er nichts als Freundliches erwiesen, und wie rückhaltlos und unverschleiert hatte sie ihm dennoch ihre Feindseligkeit gezeigt. Er sah sie vor sich mit dem Worte »Mörder« auf den bebenden Lippen. Wie ein Lanzenstich hatte das Wort ihn getroffen.

      Welch eine gehässige, nichtswürdige, ungerechte Anklage lag in diesem Rufe! Sollte er ihn ungestraft hinnehmen?

      War sie denn selbst so schuldlos wie hochmütig und kalt? Was hatte sie mitten in der Nacht in das Viridarium geführt? Denn dort mußte sie gewesen sein, bevor der unglückselige Hund Mandane zu Boden gerissen! Von einem Stelldichein mit dem Besitzer der von seiner Mutter entdeckten Schuhe, die einem niederen Stallbeamten angehörten, konnte keine Rede sein. Liebe, sagte er sich, war hier ausnahmsweise nicht mit im Spiele, aber bei seiner Heimkehr hatte er einen Mann über den Hof kommen sehen, der ihrem Freigelassenen, dem Bereiter Hiram, ähnlich gewesen. Wahrscheinlich hatte sie mit dem Stotterer eine Zusammenkunft gehabt, um, um... Hier war nur eines wahrscheinlich... Sie plante die Flucht aus seinem elterlichen Hause und bedurfte dazu dieses Mannes Beistand.

      Daß von der Mutter ihr das Leben nicht eben versüßt worden war, das hatte er schon in den ersten Stunden nach seiner Heimkehr bemerkt, und doch war vielleicht auch der Vater ihrem Wunsche, eine neue Heimat zu suchen, entgegengetreten. Aber warum floh, warum haßte sie auch ihn? Auf der Wasserfahrt und bei der Heimkehr nach derselben hätte er schwören mögen, daß sie ihn liebe, und die Erinnerung an diese Stunden brachte sie ihm wieder ganz nahe und verwischte jeden Gedanken an die Rache, die er an ihr nehmen, an die Strafe, die er über sie verhängen wollte. Dann kam ihm die kleine Katharina in den Sinn, die ihm die Mutter zur Gattin bestimmte, und im Gedanken an sie lachte er leise vor sich hin. Er hatte in einem kaiserlichen Garten in Konstantinopel einen fremden indischen Vogel mit ganz kleinem Leibe und Köpfchen und einem ungeheuren, wie Silber und Perlenschmelz glänzenden Schweif gesehen. So war Katharina. Sie selbst ein winziges Nichts, — aber als Schweif hingen an ihr weite liegende Gründe und große Kapitalien, und die, die allein sah die Mutter; aber brauchte er denn noch mehr, als er hatte? Wie reich mußte der Vater sein, daß er eine so ungeheure Summe unbedenklich, wie man dem Bettler ein Almosen schenkt, für eine Spende an die Kirche ausgeben konnte!

      Katharina und Paula!

      Ja, ein munteres, flinkes Ding war die Kleine, aber die Tochter des Thomas... Welche Macht lag in ihren Augen, welche Majestät in ihrem Gange, wie, wie, wie bezaubernd wohltönend konnte — konnte ihre Stimme, ja ihre Stimme — in —

      Dabei entschlief er, von Hitze und Müdigkeit übermannt, und ein Traum zeigt ihm Paula, wie sie, von wundervollen, das Herz berückenden Tönen umklungen, auf einem mit Rosen bestreuten Lager ruhte, das kein Polster war, sondern ein blaues, leicht bewegtes Gewässer, wie er sich ihr nahte, und wie plötzlich ein großer schwarzer Adler auf ihn niederschoß, ihm mit den Schwingen ins Gesicht schlug, und während er sich halb geblendet an die Augen faßte, die Rosen von dem Lager der Schläfert fortpickte wie ein Huhn Durra und Gerste. Da ward er zornig, stürzte sich auf den Vogel und griff mit den Händen nach ihm; doch sein Fuß war wie in den Boden gewachsen, und je mehr er sich anstrengte, sich frei zu bewegen, desto kräftiger ward er zurückgehalten. Wie ein Unsinniger kämpfte er gegen die ihn fesselnde Gewalt, und plötzlich ließ sie ihn frei. Er fühlte es noch, aber zu gleicher Zeit wachte er auf und öffnete schweißtriefend die Augen. Neben seinem Lager stand seine Mutter, die ihm die Hände auf die Füße gelegt hatte, um ihn zu wecken.

      Sie sah bleich und besorgt aus und bat ihn, ihr schnell zum Vater zu folgen, der schwer beunruhigt sei und mit ihm zu reden wünsche. Darauf


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