Die Nilbraut. Georg Ebers

Die Nilbraut - Georg  Ebers


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erbeten hätte. Der Mann sei gekommen, um Auskunft über den verlorenen Edelstein zu erteilen.

      Orion erblaßte bei dieser Nachricht und wandte sich von dem Kaufherrn ab, während der Israelit eintrat, der am letzten Abend mit den Beamten am Feuer gesessen.

      Ungesäumt begann er seinen Bericht, und zwar in der ihm eigenen munteren Weise. Er war so reich, daß ihm der drohende Verlust nicht nahe genug ging, um ihm die gute Laune völlig zu verderben, und so redlich, daß es ihn freute, veruntreutes Gut dem rechtmäßigen Besitzer zurück zu erstatten. In aller Frühe, teilte er mit, sei der Bereiter Hiram bei ihm gewesen, um ihm einen wunderbar großen und schönen Smaragd zum Kauf anzubieten. Der Freigelassene habe versichert, das Juwel gehöre zur Hinterlassenschaft des berühmten Thomas, seines früheren Herrn. Es habe zu dem Hauptzeuge des Hengstes gehört, den der Held von Damaskus zuletzt geritten, und mit diesem sei es ihm zugekommen.

      »Ich bot ihm,« fuhr der Mann fort, »was mir recht schien, und gab ihm als Anzahlung zweitausend Drachmen; den Rest bat er mich einstweilen in Verwahrung zu nehmen. Ich ging darauf ein, aber bald summte mir eine Fliege Verdacht ins Ohr. Da führten die Häscher die Spürhunde in die Stadt. Gott sei mir gnädig, welch ein Gekläff! Geberdet hat sich das Viehzeug, als wollt’ es mein armes Haus in Stücke bellen, wie die Posaunen vor den Mauern von Jericho, ihr wißt ja. ›Was gibt es da Neues?‹ fragte ich den Herrn Hundemeister, und sieh da, mein Verdacht war so echt gewesen wie der Smaragd, und hier, Herr Statthalter, bring’ ich das Steinchen, und weil ja jeder Säugling in Memphis schon von der Amme hört, wenn sie nicht stumm ist, ein wie gerechter Mann der große Mukaukas Georg ist, wirst Du mir wiedergeben, was ich dem stotternden Spitzbuben vorschoß. Du machst dabei immer noch ein gutes Geschäft, edler Herr; denn ich verlange für die zwei Stunden, die das Juwel mein war, nicht einmal Verpflegungsgeld oder Zinsen.«

      »Her mit dem Stein!« unterbrach der Araber, den der scherzende Ton des Juden verdroß, seine Erzählung, entriß ihm den Smaragd, wog ihn in der Hand, hielt ihn dicht unter die Augen, entfernte ihn dann wieder weit von denselben, beklopfte ihn mit einem Hämmerchen, das er aus der Brusttasche zog, paßte ihn in die aus dem Teppich gerissene Stelle ein und prüfte ihn dann bald mit scharfen, bald mit bedenklichen und endlich wieder mit befriedigten Blicken.

      Bei dem allen hatte Orion mehr als einmal die Farbe gewechselt, und heller Schweiß perlte ihm jetzt über das schöne, bleiche Gesicht. War hier ein Wunder geschehen? Wie konnte dieser Stein, der sich doch auf dem Weg nach Alexandria befand, in des Juden Hände gelangt sein? Oder sollte der Chusar das Paketchen geöffnet und seinen Inhalt an Hiram und durch ihn an den Juwelier verkauft haben? Er mußte klar sehen, und während der Araber den Stein untersuchte, näherte er sich dem Goldschmied und fragte: »Hast Du sicher und gewiß — es handelt sich hier um Kerker oder Freiheit — den Stein von dem syrischen Bereiter Hiram erstanden und von keinem andern? Ich meine: ist Dir der Mann so genau bekannt, daß kein Irrtum möglich?«

      »Gott soll hüten!« entgegnete der Jude und trat einen Schritt von Orion zurück, der ihn mit funkelnden Augen drohend anschaute. »Wie kann der junge Herr da wohl zweifeln! Der verehrliche Vater kennt mich seit dreißig Jahren, und ich, ich sollte den Damascener nicht kennen? Wer versteht denn noch weiter in Memphis so schön zu stottern? Hat er mir nicht mit euren jungen Wüterichen von Hengsten die Hälfte meiner Kinder ums Leben gebracht? Jedes einzelne, mein’ ich, hat er mir halb, gerade halb tot gemacht vor Schrecken. Munter sind sie darum noch alle, Gott soll sie behüten, aber gesünder sind sie durch den Bereiter gerade nicht geworden; denn freie Luft thut den Kindern gut, und um seiner greulichen Kunststücke willen hat sie mein Rebeckchen, bis er wieder zu Haus war, in der Stube gehalten.«

      »Gut, gut!« unterbrach ihn Orion; »und zu welcher Stunde bot er Dir den Verkauf des Smaragds an? Genau! Besinne Dich gut! Wann ist es gewesen? Du mußt es noch wissen!«

      »Adonai, wie soll ich!« versetzte der Jude. »Aber warte nur, Herr, vielleicht läßt sich’s doch sagen. Bei dieser Hitze sind wir aus, bevor die Sonne hervortritt, dann wird gebetet und die Morgensuppe gegessen, dann...«

      »Unnützes Gewäsch!« drängte Orion.

      Doch Gamaliel fuhr fort, ohne sich irre machen zu lassen: »Dann springt die kleine Ruth mir auf den Schoß und zieht mir die weißen Härchen aus, die mir da gern auf der Nase wachsen, und wie das Kind eben dabei war und ich ›Au weh‹ schrie, hatte die Sonne gerade die Lehmbank erreicht, auf der sich das zutrug.«

      »Und wann erreicht sie die Bank?« rief der Jüngling.

      »Genau zwei Stunden nach Sonnenaufgang,« versetzte der Jude, »in dieser Jahreszeit nämlich. Erweise mir morgen früh die Ehre, Dich zu mir zu begeben, und es reut Dich gewiß nicht; denn Du wirst schöne Waren, bildschöne, zu sehen bekommen, — und sieh selbst nach dem Schatten!«

      »Zwei Stunden nach Sonnenaufgang,« murmelte Orion leise vor sich hin und sagte sich dann mit neuem Grausen, daß er wohl vier Stunden später das Päckchen dem Chusaren anvertraut hatte. An der Aussage des Juden war nicht zu zweifeln. Dieser reiche, redliche und fröhliche Mann log nicht, und so konnte denn das von ihm versandte und das von Hiram verkaufte Juwel in keinem Falle das gleiche sein. Aber wie erklärte sich das alles? Es war um den Verstand zu verlieren! Und nicht reden dürfen, wo schon bloßes Schweigen Betrug war, Betrug gegen Vater und Mutter! Wenn der unselige Stotterer nur entwischte! Brachte man ihn ein; dann — dann, gütiger Himmel! Aber nein, es war ja nicht auszudenken! Vorwärts also, nur vorwärts! Und im äußersten Falle — hundert Stallknechtsehren wogen die eines Orion noch lange nicht auf — dann mußte der Mann, so entsetzlich es war, dann mußte er preisgegeben werden! Daß er bald wieder frei kam und ihm das Leben bewahrt blieb, dafür wollte und konnte er sorgen! —

      Der Kaufherr war indessen mit seiner Untersuchung zu Ende und doch nicht zu voller Gewißheit gelangt.

      Orion hätte sie gern unterbrochen; denn wenn der Kaufherr jeden Zweifel fallen ließ und den zurückgebrachten Stein für den gestohlenen anerkannte, war viel gewonnen, und so wandte er sich ihm wieder zu und sagte. »Bitte, zeige mir den Smaragd noch einmal; es ist doch wohl unmöglich, einen zweiten zu finden?«

      »Das hieße zu viel behaupten,« versetzte der Araber ernst. »Dieser Stein gleicht dem aus dem Teppich aufs Haar, doch hat er hier eine kleine Erhöhung, die ich an jenem nicht wahrgenommen habe. Freilich ward er nie aus der Fassung genommen, und vielleicht hat dieser kleine Hügel auf dem Gewebe gelegen; dennoch, dennoch — He, Goldschmied, gab Dir der Dieb den Smaragd ganz nackt, ganz ohne Fassung?«

      »Nackt wie Adam und Eva, bevor sie den Apfel gegessen,« versetzte der Jude.

      »Schade, schade!« rief der Kaufherr. »Es ist mir auch, als wäre der Stein im Teppich ein wenig länger gewesen. In diesem Falle ist es ja beinahe thöricht und undenkbar, zu zweifeln, und doch fühl’ ich, doch frag’ ich mich: sollte dies wirklich der Stein sein, der in der Knospe gesessen?«

      »Aber ums Himmels willen,« rief Orion, »der Doppelgänger eines so einzigen Juwels fällt doch nicht gleich aus der Luft in dasselbe Haus nieder! Freuen wir uns, daß das verlorene Schaf sich wieder gefunden. Ich schließe ihn jetzt in die eiserne Truhe, Vater, und sobald ihr den Räuber einfangt, werd’ ich gerufen; verstanden, Psamtik?«

      Dann winkte er den Eltern zu, bot dem Araber die Hand und das in einer Weise, die jedermann wohlthun mußte und die auch den alten Herrn von neuem für ihn einnahm, und verließ das Gemach.

      Des Kaufherrn Ruf war gerettet, doch der gewissenhafte Mann fühlte sich beunruhigt durch den Zweifel, dessen er nicht Herr werden konnte. Als er sich von dem Mukaukas verabschieden wollte, war dieser so tief in die Kissen zurück gesunken und hielt die Augen so fest geschlossen, daß niemand erkennen konnte, ob er wache oder schlafe, und so verließ ihn der Araber ungegrüßt, da er ihn im letzteren Falle nicht stören wollte.

      Zehntes Kapitel.

      Paula hatte sich nach den großen Erregungen der vergangenen Nacht mit fliegenden Pulsen auf das Lager geworfen. Der Schlaf floh sie, und so war sie mehr als zwei Stunden nach Sonnenaufgang ans Fenster getreten, um die Laden zu schließen. Dabei hatte sie ins Freie geschaut und gesehen, wie Hiram in eines der Boote des Mukaukas gesprungen war


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