Die Nilbraut. Georg Ebers
sich dem Höchsten mit einer so herrlichen Gabe zu nahen. Menschliche Niedertracht war hier jedenfalls mit im Spiel, und so fuhr er streng und eifrig fort:
»Man wird die Sache untersuchen, und im Namen Jesu Christi, dem der Stein schon gehörte, werde ich nicht ruhen und rasten, bis der Thäter in meiner Hand ist.«
»Und im Namen Allahs und des Propheten,« fügte der Araber hinzu, »werde ich Dir darin beistehen, und sollt’ ich den Feldherrn Amr, der den hohen Chalifen in diesem Lande vertritt, zu Hilfe rufen müssen! Hier ist ein Wort gefallen, das ich nicht vergessen kann und darf, und der Ton, dessen Du Dich bedientest, junger Mann, schien aus dem gleichen Quell zu entspringen; der alte Fuchs, hieß es — hat einen unechten Stein von unglaublicher Größe in den Teppich gesetzt und ihn stehlen lassen, damit sein Betrug nicht zu Tage komme, wenn der Goldschmied das Juwel im Sonnenlicht untersucht. Das war zu viel! Ich bin ein redlicher Mann, meine Geehrten, und hier muß ich’s ja sagen, ein reicher zugleich, und wer den Ruf, den ich mir ein langes Leben unangetastet bewahrte, in meinen alten Tagen herabzuziehen versucht, der soll zu seinem Schaden erfahren, daß dem alten Haschim größere und mächtigere Freunde zur Seite stehen, als es euch lieb sein möchte!«
Bei diesen drohenden Worten waren die milden Augen des Kaufmanns feucht geworden; denn es that ihm weh, sich ungerecht verdächtigt zu sehen und dem Mukaukas, vor dem er Achtung empfand und der sein Mitleid erweckte, so scharf entgegen treten zu müssen. Aus dem Ton seiner Rede ging hervor, daß er in der That ein zum Aeußersten entschlossener, mächtiger Mann sei, und darum unterbrach Orion ihn lebhaft und rief: »Wer hat es gewagt, so niedrig von Dir zu denken?«
»Leider Deine eigene Mutter,« versetzte der Muslim betrübt und zog in morgenländischer Weise kummervoll und unwillig die Schultern hoch in die Höhe.
»Trag es ihr nicht nach,« bat der Mukaukas. »Gott weiß es, die Weiber haben weichere Herzen als wir, und doch sind sie eher geneigt, Böses von den Mitmenschen und namentlich von den Feinden ihres Glaubens zu denken. Dafür sind sie freilich auch für das Gute schneller empfänglich. Des Weibes Haar ist lang, sein Verstand aber kurz, heißt das Sprichwort!«
»Was ihr uns Frauen nicht alles nachsagt!« entgegnete Neforis. »Aber schilt nur, schilt, wenn es Dich erleichtert.« Dann fuhr sie, während sie ihrem Gatten die Kissen liebreich zurechtrückte und ihm ein neues weißes Kügelchen reichte, fort: »Heute laß ich auch das Schlimmste über mich ergehen; denn ich bin im Unrecht. Ich habe Dich schon um Vergebung gebeten, würdiger Haschim, und thu’ es jetzt nochmals, thu’ es von Herzen!«
Dabei näherte sie sich dem Araber und gab ihm die Hand; doch dieser ergriff sie nur leicht und um sie schnell wieder frei zu geben und sagte:
»Es fällt mir nicht schwer, zu vergeben; aber unmöglich würde es mir sein, unter euch und wo auch immer, auch nur ein Staubkorn auf meinem blanken und reinen Namen sitzen zu lassen. Ich werde, ohne nach links oder rechts zu sehen, diese Angelegenheit rücksichtslos verfolgen. Und nun eine Frage: Der Hund, der vor dem Tablinum lag, ist ein bissiges, wachsames Tier?«
»Wie bissig er ist, hat er leider an der armen persischen Sklavin bewiesen, und seine Wachsamkeit ist im ganzen Hause bekannt,« rief Orion.
»Ich aber,« sagte Frau Neforis, »bitte Dich und zwar gewiß in unser aller Namen, würdiger Herr, uns mit Deiner Erfahrung zu helfen. Ich selbst... Warte nur — warte! Eine Frau hat trotz des langen Haares und kurzen Verstandes manchmal doch einen glücklichen Einfall. Vielleicht bin ich die erste, die eine Spur des Thäters findet. Der Einbrecher, das leuchtet ein, muß zu den Leuten des Hauses gehören, schon weil der Hund ihm nichts angethan hat. An Paula, die Tochter des Thomas, welche der Perserin so wundervoll schnell zu Hilfe eilte, darf man nicht denken...«
Hier unterbrach sie ihr Gatte und rief ihr unwillig zu: »Das Mädchen bleibt mir aus dem Spiel, Frau!«
»Als ob ich sie für die Spitzbübin hielte!« entgegnete Neforis verletzt und zuckte die Achseln, während Orion mit leisem Vorwurf ausrief: »Aber, Mutter, bedenke...« und der Kaufherr die Frage stellte:
»Ist die Jungfrau gemeint, von der ich gestern so harte Worte hinnehmen mußte? Nun denn, für ihre Unschuld bürg’ ich mit meinem ganzen Vermögen. Dieses schöne, leidenschaftliche Geschöpf ist keiner unlauteren Handlung fähig.«
»Leidenschaftlich?« lächelte Neforis, »Ihr Herz ist so kühl und hart wie der gestohlene Smaragd; wir haben’s erfahren.«
»Und dennoch,« rief Orion, »ist sie keiner Niedrigkeit fähig!«
»Wie sich die Männer für ein paar schöne Augen ereifern!« unterbrach ihn die Mutter. »Aber ich denke auch nicht im entferntesten an sie; ich habe etwas ganz anderes im Sinne. Es wurden gestern neben der Verwundeten ein Paar Männerschuhe gefunden. Ist mit ihnen geschehen, Sebek, was der Herr Orion befohlen?«
»Sogleich, Frau,« versetzte der Hausverwalter, »und ich warte schon lange auf den Befehlshaber der Wache; den Psamtik...«
Hier ward er unterbrochen; denn der Genannte, der schon seit zwanzig Jahren die Hauswache des Mukaukas kommandirte, wurde in das Zimmer geführt und begann, nachdem er wenige Vorfragen beantwortet, mit so lauter Stimme, daß sie dem Statthalter weh that und seine Gattin ihn leiser zu sprechen auffordern mußte, seinen Bericht abzustatten.
Die Schweiß- und Dachshunde waren losgelassen worden, nachdem man ihnen die Sohlen unter die Nasen gehalten, und ein paar Teckel hatten schnell den Weg zu dem Gesindepförtchen gefunden, wo Hiram auf Paula gewartet. Dann waren sie vor der Treppe stehen geblieben, hatten dort hin und her geschnüffelt und waren einige Stufen hinauf gesprungen.
»Und diese Treppe führt in Paulas Zimmer,« warf Neforis achselzuckend ein.
»Aber die Dachse waren auf falscher Fährte,« unterbrach sie der Befehlshaber eifrig. »Das Krötenzeug hätte noch unschuldige Seelen in Verdacht bringen können! Bald stürzten die Köter alle zusammen in die Herrenställe zu unseren edlen Rossen und rannten dort auf und ab wie der Satan, der hinter einer verdammten Seele her ist. Den Buben des Freigelassenen, der mit der Tochter des großen Thomas von Damaskus hergekommen, hätte die Bande bald umgerissen, und in der Wohnung seines Vaters, da ging’s dann erst recht los. Himmel und Erde, da gab es ein Gekläffe, Geheul und Gewinsel! In jeden alten Lappen haben sie die Nasen gebohrt, und nun wußten wir, wo der Weinschlauch das Loch hat. Leid thut es mir um den Mann; denn er ist ein verdammter Stotterer, doch als Reiter und was das Pferd an ihm angeht, alle Ehre! Dem Hiram gehören die Sohlen so gewiß wie mir meine Augen; aber erwischt haben wir ihn noch nicht. Er ist über den Strom; denn ein Nachen fehlte, und da, wo er gelegen, ging das Geheul wieder los. Nehmen ihn die Ungläubigen drüben nicht in Schutz, dann kriegen wir ihn sicher!«
»So hätten wir denn den Verbrecher!« rief Orion und schöpfte dabei so tief Atem, als sei ihm eine Last von der Seele genommen. Dann fuhr er befehlshaberisch fort, und seine Stimme hatte dabei einen so ingrimmigen Klang, daß das Rot, welches ihm vorhin in die Wangen gestiegen, doch schwerlich der Freude über die letzte gute Botschaft ihren Ursprung verdanken konnte:
»Ist er zwei Stunden nach Mittag nicht zurück, so setzest Du ihm mit all Deinen Leuten nach und lieferst ihn ein. Der Vater stellt Dir einen Schein aus, und die Araber drüben werden Dir beistehen. Vielleicht ist der Dieb schon früher in unserer Hand und mit ihm der Smaragd, wenn es dem Schurken nicht gelingt, ihn beiseite zu bringen oder zu verkaufen!« Dann senkte er die Stimme und fuhr im Ton des Bedauerns fort. »Schad’ um den Mann! Wir haben keinen besseren Pferdekenner im Stalle! Da hast Du wieder einmal Dein Wort bestätigt, Mutter! Um gut bedient zu sein, muß man Spitzbuben kaufen!«
»Eigentlich,« versetzte Frau Neforis bedenklich, »gehört Hiram gar nicht zu unserem Gesinde. Er ist ein Freigelassener des Thomas und kam mit seiner Tochter hieher. Seine Brauchbarkeit im Stall rühmt ein jeder; ohne diesen Einbruch hätten wir ihn zeitlebens behalten; aber wär’ es dem Mädchen in den Sinn gekommen, uns zu verlassen und ihn mitzunehmen, so hätten wir ihn nicht zurückhalten können. Sagt, was ihr wollt, lästert und schmäht mich: ich habe nun einmal nichts von dem, was ihr Einbildungskraft nennt, und sehe die Dinge nackt, wie sie sind: ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Mädchen und dem Diebe muß dennoch bestehen.«
»Du