Die Nilbraut. Georg Ebers

Die Nilbraut - Georg  Ebers


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und es hatten sich zu ihnen auch der Fremdenführer und die vornehmsten Begleiter des Kaufherrn Haschim: Rustem, der Masdakit, sowie sein Schreiber und Dolmetscher gesellt.

      Die hier Versammelten waren, abgesehen von dem jüdischen Goldschmied Gamaliel und den Leuten des Arabers, sämtlich Christen; und sie hatten die Muslimen — der Jude war seit Jahren ein gerngesehenes Mitglied ihrer Gesellschaft — nur widerwillig in ihren Kreis gezogen. Dennoch war dies, und zwar mit einiger Beflissenheit, geschehen, da der Herr befohlen hatte, sie gut aufzunehmen, und man von dem weit Herumgekommenen manches Neue zu hören erwarten durfte. Darin hatte man sich freilich getäuscht; denn der Dolmetscher war ein schweigsamer Mann und der Masdakit des Aegyptischen gar nicht, des Griechischen nur unvollkommen mächtig.

      So beachtete man sie denn, nachdem man sie mehrmals vergeblich zum Sprechen aufgefordert hatte, nicht weiter und ließ dem Sekretär des Orion das Wort. Er hatte schon gestern viel Neues und Fesselndes vom kaiserlichen Hofe erzählt, heute aber ging er näher auf das glänzende Leben seines jungen Herrn in Konstantinopel ein, den er dorthin begleitet. Er schilderte die drei Siege, die er mit den eigenen Rossen im Zirkus errungen, malte lebhaft aus, wie er sich bei einer Volksempörung mit nur fünf Freunden, und ihnen allen voran, durch hunderte von wütenden Aufständischen den Weg aus dem Palast in die Sophienkirche gebahnt habe, und rühmte dann Orions Erfolge bei den Schönen der Hauptstadt. »Die Königin von allen,« rief er prahlerisch aus, »war Heliodora, keine Flötenspielerin oder dergleichen, nein, eine reiche, vornehme, tugendhafte Patriciusfrau, die Witwe des Flavianus, des Neffen des kaiserlichen Verwandten und Senators Justinus. Ganz Konstantinopel bewirbt sich um sie, selbst der große Gratian hat sie für sich zu gewinnen versucht, aber natürlich vergebens. Einen Palast wie den ihren gibt es in ganz Aegypten, auch in Alexandria nicht. Die Statthalterei — denn auf die Größe kommt es nicht an — ist dagegen ein Bauernhaus, ein elender Speicher. Ich erzähl’ euch ein andermal, wie es in diesem Schmuckkästchen aussieht. Vor dem Thor standen Tag und Nacht Sklaven und Freigelassene, welche Blumen und Früchte, seltene Geschenke und zärtliche Gedichte aus duftender, rosenfarbener Seide zu überbringen hatten, aber ihre Gunst war nicht zu erkaufen, bis Orion mit ihr bekannt ward. Wollt ihr es glauben; seit sie ihm zum erstenmal in der Villa des Justinus begegnet, war es um sie geschehen, hin ist sie gewesen, fort, sein eigen, wie der Ring an dem Finger hier mein ist!«

      Dabei wies der eitle Mann den goldenen, mit einem recht wertvollen Stein geschmückten Reifen, den er der Freigebigkeit seines jungen Herrn verdankte, seinen Zuhörern und fuhr eifrig fort: »Und von nun an waren die Namen Orion und Heliodora auf allen Lippen, und wie oft hab’ ich die Leute außer sich gesehen über die Schönheit dieses göttlichen Paares. Im Zirkus, im Theater, bei der Bootfahrt aus dem Bosporus, überall sah man sie beisammen, und in der gräßlichen, blutigen Zeit der raschen Thronwechsel lebten sie wie im Paradies miteinander. Oft holte er sie in seinem, oft sie ihn in ihrem Wagen ab.«

      »Solch ein Weib hält auch Pferde?« fragte der Oberstallmeister verächtlich.

      »Weib?« rief der Sekretär. »Eine vornehme Dame! Lauter glänzende Braune hält sie, große von armenischer Zucht, und kleine, flinke Tierchen von der Insel Sardinien, die zu vieren wie gehetzte Füchse mit dem Wagen dahinjagen. Immer trugen ihre Rosse Blumen und flatternde Bänder am goldenen Geschirr, und ihr Pfleger verstand sie zu lenken! — Alle Welt dachte, unser Herr und die schöne Witwe würden ein Ehepaar werden, und daß daraus nichts wurde, ist der armen Heliodora — sie sieht aus wie eine Heilige und ist sanft wie ein Kätzchen — das ist ihr mehr als nahe gegangen; denn beim Abschied war ich zugegen, und da hat sie Thränen vergossen, es ist zum Erbarmen gewesen. Aber zürnen konnte sie ihrem Abgott doch nicht, das weiche, zärtliche Kätzchen! Zum Andenken schenkte sie ihm sogar ihr Hündchen, den Seidenspitz, den ihr gesehen habt. Und mein Wort darauf, daß das ein Liebeszeichen war; denn an das kleine Vieh hatte sie ihr Herz gehängt wie an ein leibliches Kind. Aber auch ihm ist der Abschied nahe gegangen, so nahe; doch ich bin Geheimsekretär, und es würde sich nicht für mich schicken, aus der Schule zu plaudern. Das Hündchen zog er beim ›Lebewohl‹ an das Herz, und dabei versprach er ihr, ihr als Gegengabe ein Andenken zu senden, das ihr zeigen werde, wie kostbar ihm ihre Liebe gewesen, und daß dies kein Bettelpfennig werden wird, darauf leistet wohl jeder einen heiligen Eid, der meinen Herrn kennt. Du, Gamaliel, ist er vielleicht schon bei Dir gewesen?«

      Der also Angeredete, derselbe, dem Hiram Paulas Smaragd zum Kauf anbieten sollte, war ein reicher Alexandriner von fröhlicher Gemütsart, der, sobald es nach dem Einfall der Sarazenen zu Alexandria unsicher geworden und der größte Teil seiner Glaubensgenossen aus der Hafenstadt entflohen war, sich nach Memphis gewandt hatte, weil er dort auf den Schutz seines mächtigen Gönners, des Mukaukas Georg, rechnen durfte. Jetzt schüttelte er verneinend den grauen Krauskopf und raunte etwas später dem Sekretär ins Ohr: »Wir haben, was er braucht! Bringst Du mir die Kuh, so bekommst Du das Kalb, und zwar eins mit zwölf Beinen. — Zufrieden?«

      »Zwölf Prozent vom Gewinn? Abgemacht also!« versetzte der Sekretär ebenso leise und mit einem schlauen Lächeln des Einverständnisses, und als ihn später ein Rechnungsbeamter fragte, warum Orion die schöne Liebste, die ja auch einen vornehmen Namen trage, seinen Eltern nicht als Schwiegertochter mit nach Haus gebracht habe, antwortete jener, sie sei eine Griechin und natürlich melchitischen Glaubens. Eines weiteren Grundes bedurfte es für die Anwesenden nicht; doch da nun einmal auf die Konfessionen die Rede gekommen, entspann sich wie gewöhnlich an solchen Gesprächsabenden eine Zänkerei um dogmatische Fragen, und während derselben wagte ein Kanzleibeamter zu äußern, daß wenn es sich hier nicht um einen Sohn des Mukaukas, bei dem von dergleichen ja keine Rede sein könne, sondern um einen einfachen jakobitischen Bürger und seine melchitische Geliebte handelte, doch vielleicht ein Mittelweg zu finden gewesen wäre. Beide hätten sich nur entschließen müssen — er für seine Person danke freilich für dergleichen — die monotheletische Lehre anzunehmen, für die der kaiserliche Hof und auch der verstorbene Patriarch Cyrus von Alexandria warm eingetreten waren, und welche sich auf die Ansicht gründete, daß es zwar zwei Naturen in Christo gebe, beiden aber ein gemeinsamer Wille innewohne. Dieser Glaube teile zwar die Natur des Heilands, wahre ihr aber in einer besonders maßgebenden Hinsicht die Einheit, auf die es doch am meisten ankomme.

      Ein so ketzerischer Vorschlag fand natürlich die lauteste Mißbilligung der hier versammelten Jakobiten, die Meinungsverschiedenheiten machten sich schärfer und schärfer geltend, und bald ward aus dem friedlichen Austausch der Ansichten eine wilde Zänkerei, welche mit Gewaltthätigkeiten zu enden drohte.

      Schon beim Beginn dieses Gesprächs war es Paula gelungen, ungesehen über den Hof zu gelangen. Schweigend winkte sie dann Hiram, ihr zu folgen, und dieser zog vorsichtig die Schuhe aus, schob sie unter die steil ansteigende Dienerschaftsstiege und stand wenige Minuten später im Gemache der Jungfrau.

      Diese öffnete ungesäumt ihre Truhe, nahm aus derselben ein kostbares, herrlich gearbeitetes, mit Perlen besetztes Halsband und reichte es dem Syrer mit der Bitte, einen großen Smaragd, welcher in seiner Mitte hing, aus der Fassung zu brechen.

      Die starken Hände des Freigelassenen vollendeten mit Hilfe eines Messers schnell und leicht diese Arbeit, und während er den mehr als walnußgroßen Stein, welcher nun nackt und völlig frei von der zur Hälfte offenen goldenen Kapsel, worin er an der Kette gehangen, funkelte und blitzte, in der Hand wog, wiederholte Paula die Verhaltungsmaßregeln, welche sie ihm bei der Amme gegeben.

      Sobald der treue Mann seine liebe Herrin verlassen, flocht sie das weiche und doch starke und lange Haar los und lächelte dabei voll freudiger Hoffnung; aber noch hatte sie nicht begonnen, sich zu entkleiden, als sie es klopfen hörte. Erschrocken fuhr sie zusammen, eilte auf die Thür zu, verriegelte sie hastig und fragte, auf das Schlimmste gefaßt: »Wer ist da?«

      »Hiram,« lautete die leise geflüsterte Antwort, und nachdem sie die Thür wieder geöffnet, erfuhr sie, daß die Gesindepforte inzwischen verschlossen worden sei, und daß er einen andern Ausweg aus dem weitläufigen Hause, worin es selten etwas für ihn zu thun gab, nicht finde.

      Was nun beginnen?

      Der Syrer durfte die Wiedereröffnung des Thores nicht abwarten; denn er mußte morgen seine Aufträge zeitig auszurichten beginnen, und ertappte man ihn und hielt ihn auch nur einen halben Tag fest, so nahm der Nabbatäer


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