Die Nilbraut. Georg Ebers

Die Nilbraut - Georg  Ebers


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hervor, und dieser ward von den anderen Weberinnen benützt, um sich daran zu ergötzen.

      Jetzt hatten sie Mandane ans Feuer gezogen und sie mit komischer Ehrerbietung aufgefordert, sich auf ihrem Thronsitz, eine leere Farbentonne, niederzulassen; denn sie lebte in dem seltsamen Wahne, die Gattin des Mukaukas Georg zu sein.

      Lachend brachte ihr jede ihre Huldigung dar, bat sie um eine Gnade oder erkundigte sich nach dem Ergehen ihres Gatten und dem Stand ihres Besitzes. Ein richtiges Gefühl hatte diese armen, unwissenden Geschöpfe lange abgehalten, den Namen des Orion vor ihr auszusprechen, endlich aber schritt eine wollhaarige Negerin, ein bösartiges, hageres Ding, auf sie zu und fragte sie mit einer garstigen Grimasse:

      »O Gebieterin, was macht Dein Söhnchen Orion?«

      Die Irrsinnige verzog keine Miene bei dieser Frage, sondern entgegnete ernst: »Ich habe ihn mit der Tochter des Kaisers in Konstantinopel vermählt.«

      »Ei, sieh doch,« rief die Schwarze, »eine vornehme Heirat! Weißt Du denn auch, daß der junge Herr wieder hier ist? Da führt er Dir gewiß seine hohe Gemahlin zu, und wir bekommen Purpur und Kronen zu sehen!«

      Diese Worte trieben der Geisteskranken das Blut in die Wangen. Aengstlich preßte sie die Hände auf die Binde über den verstümmelten Ohren und fragte: »Wirklich? Ist er zurück?«

      »Noch nicht gar lange,« tröstete sie eine andere, gutmütigere Sklavin.

      »Glaub’ ihr nicht!« rief die Schwarze. »Und wenn Du das Neueste wissen willst: gestern Nacht ist er mit der großen Damascenerin auf dem Nil spazieren gefahren. Mein Bruder, der Bootsmann, war mit den Ruderern, und schön hat er dem Fräulein gethan, ich sage Dir, schön...«

      »Mein Gemahl, der große Mukaukas?« fragte Mandane und suchte die Gedanken zu sammeln.

      »Nein, Dein Söhnchen Orion, der die Kaiserstochter zur Frau hat,« lachte die Schwarze.

      Da erhob sich die Irrsinnige, schaute sich mit unstäten Blicken ringsum und fragte noch einmal befangen und als habe sie das Gesagte nicht völlig verstanden: »Orion? Der schöne Orion?«

      »Dein liebes Söhnchen Orion!« rief nun die andere noch einmal und so überlaut, als habe sie es mit einer Tauben zu thun. Da griff sich die sonst so freundliche Sklavin mit der einen Hand an das verstümmelte Ohr, mit der andern aber schlug sie ihrer Quälerin so heftig auf die breiten Negerlippen, daß es klatschte; dann aber kreischte sie selbst hell auf und rief mit gellender Stimme:

      »Mein Sohn, hast Du gesagt, mein Sohn Orion! Als ob ihr’s nicht wüßtet! Mein Liebster ist er gewesen; ja er hat mir gesagt, daß er’s wäre, und darum sind sie gekommen und haben mich gebunden und mir die Ohren — Aber ich, ich mag ihn nicht, ich könnte, ich möchte...« Dabei ballte sie die Fäuste, knirschte mit den weißen Zähnen und fuhr mit röchelndem Atem fort: »Wo ist er? Ihr wollt mir’s nicht sagen? Wartet nur, wartet! O, ich bin klug, und ich weiß schon! Ihr habt ihn hier — Wo denn? — Orion, Orion, wo bist Du?«

      Dabei sprang sie auf, rannte durch den Schuppen, schob von jedem Farbenbottich den Deckel zurück und bog sich unter großem Gelächter der anderen tief in ihn hinab, als ob sie ihn dort suche.

      Die meisten Mädchen kicherten über dies närrische Treiben, andere aber, denen es unheimlich war und welchen der schmerzliche Aufschrei der Unglücklichen wehgethan hatte, zogen sich wieder gruppenweise zusammen, und schon hatte eine ein neues Spiel vorgeschlagen, als eine kleine, sauber gekleidete Frau in den Schuppen trat und in die fleischigen Hände klatschend rief: »Genug des Gelächters! Zu Bett nun, ihr Bienchen. Morgen früh ist die Nacht vorbei, und nach Sonnenaufgang klappern mir wieder die Stühle! Eine hierhin, eine dorthin, grad wie die Mäuslein, wenn die Katze sie anfällt! Wird’s bald, ihr Nachtvögel? Nun, wird’s bald?«

      Die Mädchen hatten gehorchen gelernt, und während sie an ihrer Vorsteherin vorbei in die Schlafräume eilten, spitzte Perpetua, eine Frau, welche die fünfzig kaum überschritten und auf deren Gesicht sich Klugheit und Güte freundlich vereinten, die Ohren und lauschte in die Nacht hinaus; denn von dem Wasserzelte her hatte sie ein eigentümliches, langgezogenes, aber nicht zu lautes »Ohüio!« vernommen, und dies Zeichen war ihr wohl bekannt; denn der Präfekt Thomas hatte damit in seiner Villa am Libanon die im Garten zerstreuten Hausgenossen zusammengerufen. Jetzt benützte es Paula, um die Amme auf ihre Nähe aufmerksam zu machen.

      Diese schüttelte besorgt den Kopf. Was trieb ihr liebes Kind in so später Nachtstunde zu ihr? Da mußte etwas Bedeutendes vorgefallen sein, und geistesgegenwärtig, wie sie war, rief sie, um anzudeuten, daß ihr Paulas Ruf nicht entgangen: »Rasch jetzt! Wird’s bald! Ohüio, ihr Mädchen, ohüio! Daß ihr euch tummelt!«

      Dann folgte sie den letzten Sklavinnen in die Schlafsäle, und als sie sich überzeugt hatte, daß keine fehlte außer der Irrsinnigen, erkundigte sie sich nach ihr. Alle hatten sie noch eben in dem Schuppen gesehen, und so wünschte sie den Mädchen gute Nacht und verließ sie, indem sie sich das Ansehen gab, als habe sie vor, die Zurückgebliebene zu suchen.

      Siebentes Kapitel.

      Paula betrat das Zimmer der Amme, welche, nachdem ihr kurzes Ausschauen nach der Geisteskranken vergebens gewesen, sie nicht ohne leise Gewissensskrupel ihrem Schicksal überließ.

      In Perpetuas Gemach hing eine trefflich geputzte kupferne Lampe von der Decke, und dieser kleine Raum und seine Bewohnerin entsprachen einander vollkommen; denn schlicht und sauber, blink und blank, einfach und doch nett waren beide. Um die Bettstatt der Amme schlossen sich schneeweiße, durchsichtige Gardinen gegen die Stechmücken, über dem Hauptende des Lagers hing ein Kruzifix von sauberer Arbeit, und die Sessel waren mit guten Stoffen von verschiedener Farbe, Abfällen aus der Weberei, überzogen. Hübsch geflochtene Strohmatten bedeckten den Boden, und auf den Fensterbrettern sowie in einer Ecke des Zimmers, wo eine Thonfigur des »guten Hirten« auf das Betpult hinabsah, standen Blumenstöcke, die das bescheidene Gemach mit Wohlgeruch erfüllten.

      Kaum hatte sich die Thür geschlossen, als Perpetua ausrief: »Aber Kind, wie Du mich erschreckt hast! Zu so später Stunde!«

      »Ich mußte kommen,« versicherte Paula, »es hielt mich nicht länger!«

      »Thränen?« seufzte die Amme, und ihre klugen kleinen Augen begannen feucht zu schimmern. »Arme Seele, was hat es nur wieder gegeben?«

      Dabei näherte sie sich der Jungfrau, um ihr die Locken zu streicheln; diese aber flog ihr an die Brust, schlang ihr leidenschaftlich beide Arme um den Nacken und brach in lautes, schmerzliches Weinen aus.

      Die kleine Matrone ließ sie eine Zeit lang gewähren, dann löste sie sich von ihr los, trocknete die eigenen Thränen und die ihres großen Lieblings, welche ihr auf das ganz schlichte, ergrauende Haar gefallen waren, faßte Paulas Kinn mit fester Hand, wandte ihr Gesicht dem ihren zu und sagte teilnahmsvoll und bestimmt: »So! Nun laß es genug sein! Meinetwegen weine auch weiter; denn das erleichtert das Herz, doch es ist schon so spät. Gibt es wiederum das alte Lied: Heimweh, Verdruß und dergleichen, oder hat sich etwas Neues ereignet?«

      »Leider,« entgegnete das Mädchen und fuhr, während sie ihr Tuch in den Händen zerpreßte, heftig ergriffen fort: »Ich bin an die äußerste Grenze gelangt und halt’ es nicht mehr aus da drüben; es geht nicht länger, es geht nicht! Ich bin nicht von Stein, und wenn man sich des Abends vor der Nacht fürchtet und des Morgens vor dem Tage, der so widerwärtig werden muß, so ganz unerträglich...«

      »So nimmt man Vernunft an, mein Herzchen, und sagt sich, daß es klug ist, von zwei Uebeln das kleinere zu wählen, und was ich Dir schon so oft vorstellen mußte, das bekommst Du jetzt wieder zu hören: Wenn wir die sichere Zufluchtsstätte hier aufgeben und uns wirklich hinaus in die Fremde wagen, was können wir dort Günstigeres finden?«

      »Vielleicht nur eine Hütte mit einem Quell unter zwei Palmen! Das soll mir genügen, wenn ich Dich nur behalte und los komme, los von den anderen!«

      »Was ist das, was hat das zu sagen?« murmelte die Amme und schüttelte besorgt den Kopf. »Vorgestern warst Du ganz ruhig; da muß sich wohl wieder...«

      »Ja,


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