Am Rio de la Plata. Karl May

Am Rio de la Plata - Karl May


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leide. Um nicht von seinen Hufen getroffen zu werden, zog man es an einem Lasso, welcher ihm um das Bein geschlungen worden war.

      »Was ist mit dem Tiere?« fragte ich.

      »Es hat sich ein Bein gebrochen,« antwortete der Mayoral. »Es kann nicht mehr gebraucht werden.«

      »Welches Bein ist es?«

      »Das hintere linke.«

      »Also grad das, an welchem Sie es zerren! Denken Sie denn nicht daran, daß Sie ihm dadurch große und unnötige Schmerzen bereiten?«

      »Pah! Ein Pferd!« antwortete er roh.

      »So! Was soll nun mit dem Pferde werden?«

      »Es bleibt liegen und mag verrecken.«

      »Und wird von den Caranchos und Chimangos bei lebendigem Leibe zerrissen. Das Tier ist, den Beinbruch abgerechnet, noch ganz gesund und kräftig. Es kann noch tagelang hier liegen, bis es verschmachtet und ihm das Fleisch von den Knochen gerissen worden ist.«

      »Das geht uns gar nichts an! Es ginge nur mich an, nicht aber Sie!«

      »Sie irren! Auch die Tiere sind Gottes Geschöpfe. Sie sind nicht da, um nur allein die Qualen des Daseins zu tragen und dann lebendig zerfleischt zu werden. Ich fordere von Ihnen, daß Sie es töten!«

      »Dazu ist mir mein Pulver zu teuer!«

      Er hatte kein Gewehr bei sich und nur eine alte Pistole im Gürtel stecken. Er wendete sich ab, als ob ihn die Sache nichts mehr angehe und er sie als beendet betrachte. Ich aber hielt dem Pferde die Mündung meines Gewehres an den Kopf und schoß es tot. Kaum war das geschehen, so traten die Peons zusammen und sprachen einige Augenblicke leise miteinander. Dann kam der Mayoral zu mir und sagte, indem er eine sehr strenge Miene zog:

      »Sennor. Gab Ihnen der Besitzer die Erlaubnis, es zu töten?«

      »Nein!«

      »So haben Sie es zu bezahlen. Dieses Pferd kostet hundert Papierthaler, welche ich mir jetzt ausbitten muß.«

      »Ah so! Läuft es darauf hinaus! Es war unbrauchbar geworden, und Sie gaben es dem langsamen Tode anheim, welchen ich abgekürzt habe. Sie bekommen nichts.«

      »Und ich bestehe auf meinem Verlangen!«

      »Thun Sie das immerhin! Ich bestehe auf meiner Weigerung.«

      Ich wollte von ihm fort; da aber stellte er sich mir in den Weg, und die drei Peons kamen herbei, um ihn zu unterstützen. Sie nahmen eine sehr feindselige Haltung an. Als das Monteso sah, kam er mit den Yerbateros, um mir beizustehen.

      »Ich lasse Sie nicht eher fort, als bis Sie gezahlt haben!« erklärte der Mayoral.

      »Oho!« meinte da Monteso. »Dieser Sennor hat recht. Wir alle haben gehört, daß Ihr das Pferd liegen lassen wolltet, bis es verreckt!«

      »Bitte!« sagte ich ihm. »Bringen Sie sich nicht meinetwegen in Unannehmlichkeiten! Ich werde ganz allein mit diesen vier Sennors fertig.«

      »Und wir mit Ihnen noch viel eher!« rief der Mayoral. »Wollen Sie das Geld sofort zahlen oder nicht?«

      Bei diesen Worten trat er ganz an mich heran und legte die Hand an meinen Arm.

      »Die Hand fort!« gebot ich ihm. »Ich dulde keine solche Berührung!«

      »Sie werden es doch dulden müssen! Heraus mit dem Gelde, oder wir nehmen es uns selbst!«

      Er schlang die Finger fester um meinen Arm und versuchte, mich zu schütteln. Ich riß mich los, stand im nächsten Augenblicke hinter ihm, faßte ihn mit der Linken am Kragen, mit der Rechten unten an der Hose, hob ihn empor und warf ihn fort, an den noch auf der Seite liegenden Wagen, so daß das alte Fuhrwerk wie eine morsche Holzkiste krachte. Seine drei Peons wollten nach mir fassen, aber ich warf den mir nächsten seinem Mayoral nach, gab dem andern die Faust unter das Kinn, daß er sich überschlug, und der dritte wich selbst zurück.

      »Bravo!« rief Monteso. »Ich sehe, Sennor, Sie brauchen niemanden zur Hilfe. Aber geben sich die Kerle auch nun nicht zufrieden, so werden wir ihnen unsere Komplimente dennoch auch noch machen!«

      Das zeigte sich als nicht nötig. Die Peons hatten Respekt bekommen. Sie rafften sich auf und standen beisammen, wütende Blicke auf mich werfend, aus denen ich mir nichts zu machen brauchte. Der Mayoral aber konnte sich doch nicht enthalten, uns zu drohen:

      »Sie gehen nach San José. Auch wir kommen dorthin und werden dort Anzeige machen.«

      »Immer thut das!« antwortete ihm die Sennora, welche diese Gelegenheit ergriff, sich wieder streitbar und mir ihre Freundschaft zu zeigen. »Mein Bruder wird Euch wegen Erpressung einsperren lassen. Ich werde ihm die Angelegenheit mitteilen. Kommen Sie, Sennor! Verlassen wir diesen Platz und diese Menschen!«

      Sie legte ihren Arm in den meinen, und ich führte sie zum Pferde. Dort breiteten wir ihr Tuch in der angedeuteten Weise auf den Rücken des Tieres und ich band die liebe Hutschachtel an den Sattel.

      Da ich dem angeblichen Polizeibeamten nicht traute, so hatte ich ihn stets im Auge behalten. Auch er war, wie wir, vom Pferde gestiegen. Sonderbarerweise aber hatte er sich dann hinter dasselbe zurückgezogen, und zwar, wenn meine Beobachtung mich nicht täuschte, von dem Augenblicke an, an welchem die Dame aus der umgestürzten Kutsche gestiegen war. Es schien mir, als ob er sich von derselben nicht gerne sehen lassen wolle. Hatte er einen Grund dazu? Um denselben kennen zu lernen, hatte ich die Sennora in einem kleinen Bogen zu meinem Braunen geführt. Der Verdächtige aber war dabei in der Weise langsam um sein Pferd geschritten, daß dieses letztere sich genau zwischen ihm und uns befand. Darum machte ich sie nun direkt auf ihn aufmerksam, indem ich auf ihn zeigte und dabei sagte:

      »Sollten die Peons mich etwa noch belästigen wollen, so habe ich Hilfe in nächster Nähe. Da ist ein Herr, welcher uns begleitet, Sennor Carrera, welcher in Montevideo das Amt eines Polizeikommissars bekleidet.«

      Jetzt war er gezwungen, sich zu zeigen. Kaum war ihr Blick auf ihn gefallen, so rief sie aus:

      »Mateo, du!«

      Er wurde blutrot im Gesicht, gab sich aber Mühe, gefaßt zu erscheinen, und fragte im Tone des Erstaunens:

      »Sprechen Sie mit mir, Sennora? Was wollen Sie mit diesem Namen sagen?«

      »Er ist doch der deinige. Wo kommst du denn her?«

      »Verzeihung, Sennora! Ihr Benehmen läßt mich stark vermuten, daß Sie mich mit irgend einer Person verwechseln, welche Ihnen bekannt zu sein scheint!«

      »Bekannt ist sie mir allerdings, sehr bekannt! Aber von einer Verwechslung ist hier keine Rede. Ich werde doch dich, unsern einstigen Lehrling, kennen!«

      »Sie irren sich wirklich ungeheuer. Ich bin nicht derjenige, für welchen Sie mich halten. Ich befinde mich, wie dieser Sennor bereits sagte, in Montevideo,« antwortete der Gefragte in scharfem Tone, »heiße Carrera und bin Beamter der dortigen Polizei.«

      »Polizei!« wiederholte sie, ihn immer von neuem fixierend. »Das ist unmöglich. Sie scherzen, Mateo!«

      »Ich scherze nicht, Sennora. Ich bin sehr gern höflich gegen Damen, so weit es meine amtliche Stellung erlaubt, aber solche Beleidigungen, wie sie in Ihren Worten, Ihren Blicken und Ihrem Tone liegen, muß ich energisch von mir weisen. Ich habe Ihnen gesagt, wer und was ich bin, und muß Sie also ersuchen, dies zu beachten!«

      Man sah es der Dame an, daß sie im Zweifel war, ob sie ihn auslachen, oder sich über ihn ärgern sollte. Sie that keins von beiden. Ihr Gesicht wurde sehr ernst, als sie ihm jetzt in warnender Weise sagte:

      »Mateo, ich bitte Sie, um Ihrer Eltern willen keine Dummheiten zu machen. Ich vermute aus Ihrem Benehmen, daß Sie unsere damaligen Warnungen nicht beachtet haben. Sie geben sich für einen andern aus, als Sie sind. Die Gründe, infolge deren Sie dies thun, können keine lobenswerten sein.«

      »Jetzt ist‘s genug, Sennora!« brauste er auf. »Ich darf kein Wort mehr hören, sonst muß ich Sie wegen Beleidigung bestrafen lassen, obgleich Ihr Bruder Bürgermeister ist, wie ich Sie vorhin sagen hörte.«

      Die Dame schien fassungslos zu werden. Sie errötete und


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