Der Schut. Karl May

Der Schut - Karl May


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schnell wieder auf.

      Auch Halef war sogleich wieder aufgesprungen. Beide, er und der Bär, standen sich drohend gegenüber, nur drei Schritte voneinander entfernt. Der Hadschi drehte das Gewehr um und holte zum Kolbenschlag aus. Da erkannte er mich, denn ich befand mich jetzt im Schein des Lichtes.

      »O, Sihdi, ich habe keine Kugel mehr!« schrie er mir zu.

      Das alles war viel, viel schneller gegangen, als es erzählt oder gelesen werden kann.

      »Spring zurück! Nicht schlagen!«

      Indem ich diese Worte rief, versetzte ich ihm zugleich einen Stoß, daß er weit zur Seite taumelte. Das Tier machte eine halbe Wendung gegen mich, sperrte den Rachen auf und stieß einen langgezogenen Wutschrei aus, welcher weder Heulen noch Brüllen, sondern beides zugleich zu nennen war. Ich fühlte den heißen, stinkenden Atem dieses Rachens, als ich an dem Bären vorüberschnellte. Eine blitzschnelle Schwenkung — er griff nach mir, traf aber die Luft, da ich mich bereits nicht mehr vor ihm befand, sondern an seiner rechten Seite stand. Mit der Linken ihn bei den Trotteln des Hinterkopfes packend, holte ich mit der Rechten weit aus und stieß ihm das Messer ein — zweimal bis an das Heft zwischen die bekannten beiden Rippen.

      Das war so schnell geschehen, daß er die beiden tödlichen Stiche empfangen hatte, bevor sein Brüllen verklungen war.

      Er warf sich auf den Hinterpranken nach mir, nach rechts herum, aber seine Tatze streifte mich bloß ganz unschädlich an der Schulter. Natürlich hatte ich das Messer nicht stecken lassen, sondern es wieder herausgezogen. Zwei Sprünge nach rückwärts brachten mich aus der Nähe der Krallen. Dort blieb ich stehen, das Auge auf das Tier gerichtet und den Arm zum abermaligen Stoß erhoben, wenn dies notwendig werden sollte.

      Aber der Bär folgte mir nicht. Mit weit aufgerissenem, geiferndem Rachen stand er vollständig bewegungslos — die kleinen funkelnden Augen unsäglich grimmig auf mich gerichtet. Dann schlossen sie sich langsam und versuchten vergeblich, sich abermals weit zu öffnen. Ein Zittern durchlief den gewaltigen Körper; dann sank derselbe erst auf die Vorderbeine, welche — den Boden scharrend — festen Halt nehmen wollten, aber vergeblich, und fiel dann langsam und zuckend auf die Seite.

      Ein leises, rollendes Brummen drang noch aus dem sich schließenden Maul; die Beine streckten sich aus — — der Bär war tot.

      »Allah akbar!« rief Halef, welcher auf seiner Stelle erstarrt zu sein schien. »Allah ist groß, und dieser Bär ist fast ebenso groß. Ist er tot, Sihdi?«

      »Ich denke es.«

      »Das war schrecklich!«

      »Danke Gott tausendmal, daß es so glücklich abgelaufen ist!«

      »Ja, Allah sei Preis und Ehre gebracht! So gar groß hatte ich mir einen Bären doch nicht vorgestellt. Er ist ja größer als ein Löwe, welcher doch das mächtigste der Raubtiere ist!«

      Er wollte sich dem Tiere nähern.

      »Bleib!« gebot ich ihm. »Noch dürfen wir nicht sicher sein, daß er wirklich tot ist. Ich will prüfen.«

      Ich trat zu dem Tier, hielt ihm den Revolver an das geschlossene Auge und drückte zweimal ab. Es regte sich nicht.

      »Jetzt kannst du herbeikommen und ihn betrachten. Ist er nicht viel, viel länger als du?« fragte ich den Hadschi.

      »Ja, ich glaube, er ist sogar noch länger, als du bist, Sihdi. Ich sage dir: ich habe nicht gezittert, als ich ihm gegenüber stand; aber das Herz drohte doch, mir stehen zu bleiben. Ich hatte nur noch eine einzige Kugel.«

      »Wo war die andere hin?«

      »Die hatte ich ihm draußen zugesandt, als ich ihn zuerst erblickte. Er trollte vom Schuppen fort und nach der Haustüre zu, in welcher er verschwand. Ich werde ihn nicht getroffen haben. Die zweite Kugel aber ist ihm ganz sicher in die Brust gedrungen, denn er stand nur zwei Schritte weit und zwar aufgerichtet vor mir. Ich konnte also genau zielen.«

      »Erzähle kurz, wie alles geschehen ist.«

      »Nun, ich rannte natürlich nach dem Schuppen, denn ich hatte Oskos Gewehr an dem Knall erkannt und konnte also annehmen, daß der Bär zu den Pferden wollte. Ich hatte den Schuppen noch nicht erreicht, da hörte ich von seitwärts her einen Schrei, kümmerte mich aber nicht darum. Am Schuppen angekommen, sah ich, daß zwei Bretter eingebrochen seien, und erfuhr von Osko und Omar, der Bär habe das getan. Ich rannte also weiter. Da lag ein dunkler Körper am Boden und ein größerer stand dabei. Das mußte das Tier sein. Ich blieb stehen, zielte und schoß. Der Bär trollte fort, nach der Türe zu, und ich sprang hinter ihm her. Er ging in das Haus und ich folgte ihm. Als ich die offene Türe erreichte sah ich ihn drin stehen. Er beschnupperte das Lager des Mübarek.«

      »Tat er diesem nichts?«

      »Ich sah den Alten gar nicht — er war verschwunden. Ich sah nur den Bären, und dieser sah mich. Er drehte sich augenblicklich um, kam auf mich zu und richtete sich empor. Ich hatte vor Schreck vergessen, gleich zu schießen, denn seine ungeheure Größe überraschte mich so, daß ich kaum atmen konnte. Jemand schrie mir zu, doch zu schießen. Wo sich derselbe befand, das sah ich nicht, ich hörte ihn nur; aber die Worte gaben mir die Besinnung zurück. Eben als der Bär die Tatzen nach mir ausstreckte, gab ich ihm die Kugel, erhielt aber von ihm einen solchen Stoß, daß ich zur Türe heraus und zu Boden flog. Als ich wieder aufsprang, stand er vor mir. Ich hatte keine Kugel mehr; an das Messer dachte ich nicht. Ich wollte mich mit dem Kolben wehren; da aber kamst du.«

      »Wohl zur rechten Zeit!«

      »Ja, denn ich bin überzeugt, daß mein Gewehr an seinem Schädel zersprungen wäre. Dann hätte er mich zerrissen. O, Sihdi, ich habe dir das Leben zu verdanken!«

      Er ergriff meine Hand und zog sie an seine Brust.

      »Laß das gut sein. Du hättest ebenso gehandelt, wären unsere Rollen vertauscht gewesen.«

      »Ja, aber ich zweifle sehr, daß es mir gelungen wäre, dieses Riesentier mit dem Messer zu erlegen. Du hast schon früher Bären getötet, graue Bären, welche noch weit größer und gefährlicher sind, als dieser hier; ich aber nicht. Dieses Raubtier ist wirklich größer als ein Löwe.«

      »Massiger, ja. Der Körper, welcher dahinten liegt, muß derjenige des alten Mübarek sein. Wahrscheinlich ist er tot. Der letzte Fieberanfall hat ihn herausgetrieben. Aber es befremdet mich, daß er so schnell zusammengebrochen ist.«

      »Der Bär stand bei ihm. Sollte dieser ihn getötet haben?«

      »Möglich. Jetzt wollen wir zunächst nach den Anderen sehen.«

      Wir traten in die Stube. Das Licht, durch welches dieselbe erleuchtet wurde, kam von oben herab. Als ich emporblickte, sah ich den Konakdschi und die beiden Wirtsleute oben auf den Deckenstangen hocken. Sie hatten brennende Späne in den Händen.

      »Du selbst kommst auch, Herr?« fragte der Erstere. »Wo ist der Bär?«

      »Er liegt vor der Türe.«

      »Allah, Allah!«

      Sie kletterten an dem bereits beschriebenen Balken herab, holten unten tief Atem, und der Wirt sagte:

      »Siehst du, daß wir vor ihm nicht sicher waren! Er kam herein. Welch ein Ungetüm! Er war fast so groß wie ein Ochse.«

      »Ihr hattet doch eure Waffen da oben — warum habt ihr nicht geschossen?«

      »Daß wir dumm wären! Dadurch hätten wir ihn ja auf uns aufmerksam gemacht, und er wäre zu uns heraufgeklettert. Ein Bär klettert besser als ein Mensch. Weißt du das noch nicht?«

      »Ich weiß es. Also ihr schosset nicht, aber meinen Hadschi habt ihr aufgefordert, zu schießen?«

      »Natürlich! Er wollte das Tier ja erlegen; wir hatten uns keine so verwegene Tat vorgenommen, und« — fügte er mit pfiffiger Miene hinzu — »wenn er den Bär angriff, so dachte dieser nicht an uns!«

      »Sehr klug, aber auch sehr feig von euch! Wo ist der Mübarek?«

      »Draußen.


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