Die Welt auf Schienen. Fürst Artur

Die Welt auf Schienen - Fürst Artur


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und Sir Isaac Coffin unternahm es vor dem zweiten Ausschuß noch einmal, alle die schäbigen Einwände der Leute, die vor dem Neuen zurückbebten, in anderer Form zu wiederholen.

      „Für jeden muß es höchst unangenehm sein,“ führte er aus, „eine Eisenbahn unter seinem Fenster zu haben. Und was soll, so frage ich, aus allen jenen werden, die zur Herstellung und Verbesserung der Landstraßen ihr Geld hergegeben haben? Was aus denen, die auch ferner wie ihre Vorfahren zu reisen wünschen, das heißt in ihren eigenen oder gemieteten Wagen, die es bald nicht mehr geben wird? Was aus Sattlern und Herstellern von Kutschen, aus Wagenbesitzern und Kutschern, Gastwirten, Pferdezüchtern, Pferdehändlern? Weiß das Haus auch, welchen Rauch, welches Geräusch, Gezisch und Gerassel die rasch vorübereilenden Lokomotiven verursachen werden? Weder das auf dem Feld pflügende, noch das auf den Triften weidende Vieh wird diese Ungeheuer ohne Entsetzen wahrnehmen. Die Eisenpreise werden sich mindestens verdoppeln, wenn die Vorräte an diesem Metall, was wahrscheinlich ist, nicht ganz und gar erschöpft werden. Die Eisenbahn wird der größte Unfug sein, sie wird die vollständige Störung der Ruhe und des körperlichen sowohl wie des geistigen Wohlbefindens der Menschen bringen, die jemals der Scharfsinn zu erfinden vermochte.“

      Doch nun half alles nichts mehr. Huskisson und andere bedeutende Mitglieder unterstützten den Antrag, und er wurde mit einer Mehrheit von 88 gegen 41 Stimmen angenommen.

      Sofort nahm man den Bau in Angriff, dessen Oberleiter selbstverständlich Georg Stephenson wurde. Um dem Feld seiner Tätigkeit möglichst nahe zu sein, siedelte er jetzt nach Liverpool über.

      So große und kostspielige Anlagen, wie sie nun errichtet wurden, hatte die Welt noch nie gesehen. Galt es doch, zum erstenmal eine wirklich ebene Bahnstrecke herzustellen. Das Sankeytal mit dem darin liegenden Kanal mußte durch eine gewaltige Steinbrücke überschritten werden. Der Irwell war in gleicher Weise zu kreuzen. Im ganzen wurde für die Bahnlinie die Errichtung von nicht weniger als 63 Brücken notwendig. Man höhte Senkungen auf und durchstach Felsen. Die Einführung der Strecke in die Stadt Liverpool konnte nur mit Hilfe eines Tunnels erfolgen. Es entstand so das erste größere Bauwerk dieser Art auf der Erde.

      Nur ein Mann von Stephensons außerordentlicher Kraft vermochte alle Hindernisse zu überwinden, die hierbei auftraten. Im Tunnelbau hatte man noch keine Erfahrungen. Es fanden Einbrüche statt, so daß die Arbeiter wegen der Gefahr nicht mehr in den Schacht wollten. Stephenson hatte dennoch Gewalt genug über die Werkleute, um sie stets von neuem hinein zu führen. Das Allerschwierigste aber war die Gründung der Strecke auf dem Katzenmoor. Schüttungen, die immer von neuem gemacht wurden, sanken in eine unergründliche Tiefe hinab. Stephenson mußte eine ganz neue Bauart mit Abzugsgräben und Stichkanälen erfinden, damit er endlich festen Boden gewann. Oft wollte die Gesellschaft den Bau an dieser Stelle ganz aufgeben, da sie kein Gelingen mehr erhoffte. Aber der Baumeister wußte genau, was er tat, und schließlich war das Moor mit einem Kostenaufwand von 28 000 Pfund Sterling überbrückt, während im Parlament die Höhe der Kosten auf 270 000 Pfund geschätzt worden war.

      Stephenson hatte wegen der Neuheit des ganzen Gegenstands für alles Erdenkliche zu sorgen. Er zeigte seine glänzende Begabung, alles sorgsam zu gliedern und in lebendiger Tätigkeit zu erhalten. Die Arbeiter mußten überall erst angelernt und in einsamer Gegend untergebracht werden. Dann aber hatte Stephenson auch die Schienenbefestigungen, die Weichen, die Drehscheiben, die Signale zu erdenken, ja sogar die Wagen zu entwerfen.

      Und als all dieses schließlich überwunden war, trat noch eine grundsätzliche Schwierigkeit auf. Trotz der furchtbaren Kämpfe, die um die Lokomotive schon geführt worden waren, hatten sich die Leiter der Bahn doch noch durchaus nicht für dieses Zugmittel entschlossen. Immerhin war man sich allmählich darüber klar geworden, daß Pferde nicht in Betracht kämen. Zwar hatten auch diese lebendigen Schlepper ihre Verteidiger, aber nach Besichtigung von Stephensons Anlagen in Killingworth, Hetton und auf der Strecke Stockton-Darlington wurde es doch allen Beteiligten klar, daß der mechanische Antrieb den Vorzug verdiene, schon weil er keinen so häufigen Wechsel der treibenden Kraft notwendig machte.

      Aber auch damit kam man noch nicht unmittelbar zur Lokomotive. Viele Ingenieure traten dafür ein, daß man auch auf dieser ebenen Strecke ortsfeste Maschinen aufstelle, die durch Aufwickeln von Seilen die Züge bewegen sollten. Es berührt uns heute höchst eigenartig, daß längere Zeit tatsächlich der Plan erwogen wurde, die Strecke in neunzehn Abschnitte zu teilen und jedem von diesen eine feststehende Dampfmaschine zuzuordnen, die den Zug am Seil schleppen sollte. Es wäre dann also notwendig gewesen, bei jeder Fahrt von Manchester bis Liverpool oder umgekehrt neunzehnmal Seile abzukuppeln und wieder am Zug zu befestigen. Welch eine Reisegeschwindigkeit man mit einer solchen Betriebsart erreicht hätte, ist leicht jedem klar.

      Andere Techniker wieder schlugen vor, die Züge durch Wasserkraft antreiben zu lassen oder auch durch gepreßte Kohlensäure. Es war auch noch nicht in allen Köpfen der Irrtum ausgerottet, daß die Lokomotivräder auf den glatten Schienen gleiten müßten. So konnte ein Vorschlag entstehen, eine dritte Schiene in die Mitte der Geleise zu verlegen und durch zwei seitlich hieran gepreßte Scheiben eine genügend kräftige Reibung herzustellen.

      Die leitenden Männer der Bahngesellschaft wußten gegenüber allen diesen Vorschlägen bald nicht mehr aus noch ein. Nichts war erprobt, und Großes stand durch ihre Entscheidung auf dem Spiel. Es schien ihnen schließlich am zweckmäßigsten, durch ein Preisausschreiben die Leistungsfähigkeit von Lokomotiven mit einfachen Reibungsrädern festzustellen.

      Der Wettbewerb wurde ausgeschrieben, und er führte zu dem weltberühmt gewordenen Wettkampf bei Rainhill.

      Die wichtigsten Forderungen in dem Preisausschreiben lauteten:

      Die Maschine muß ihren Rauch selbst verzehren. Sie muß imstande sein, einen Zug von 20 000 Kilogramm Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 16 Kilometern in der Stunde zu ziehen. Der Dampfdruck im Kessel darf 312 Atmosphären nicht übersteigen; der Kessel muß zwei Sicherheitsventile haben, von denen eins der Einwirkung des Maschinenwärters gänzlich entzogen sein muß. Maschine und Kessel müssen durch Federn getragen werden. Die Maschine darf mit gefülltem Kessel nicht mehr als 6000 Kilogramm wiegen. Sie muß am 1. Oktober 1829 vollständig fertig und in einem zur Erprobung geeigneten Zustand am Liverpooler Ende der Eisenbahn aufgestellt sein. Die Lokomotive darf nicht mehr als 550 Pfund Sterling kosten.

      Georg Stephenson beschloß sofort, in seiner Fabrik zu Newcastle an die Herstellung einer Preislokomotive zu gehen. Er unterschätzte keinen Augenblick die Bedeutung der Angelegenheit und die Schwierigkeiten, die zur guten Erledigung der Aufgabe zu überwinden waren. Er berief darum seinen Sohn Robert, der zur Ausführung von Bauten in Südamerika weilte, zurück. Es war bei dieser Rückfahrt, als Robert Stephenson in Cartagena mit Trevithick in der bereits geschilderten Weise zusammentraf. Als er in Newcastle angekommen war, zeigte es sich, daß Vater und Sohn einander vorzüglich verstanden und ergänzten. Von Zeitgenossen wird berichtet, daß nun zwei mächtige Geister zusammenarbeiteten, die sich gegenseitig anfeuerten.

      Das stärkste Reizmittel zu großen Taten ist die Unzufriedenheit. Wer bewundernd vor seinen eigenen Leistungen steht und sie für das beste hält, das überhaupt vollbracht werden kann, der hört auf zu streben und vermag keine Leistungen mehr zu vollbringen. Georg Stephenson gehörte nicht zu den Menschen solcher Art. Seine Lokomotiven liefen nun schon seit Jahren auf vielen Strecken. Sie waren die besten, die es gab. Aber dennoch kannte er genau ihre Schwächen. Für den Wettbewerb wollte er etwas Höherentwickeltes hervorbringen.

      In der Hauptsache lag ihm daran, die Lokomotive zu stärkerer Dampferzeugung zu befähigen. Die immer noch geringen Geschwindigkeiten führte er mit Recht auf den zu kleinen Dampfvorrat zurück, den der Kessel in jedem Augenblick barg. Mancherlei Mittel hatte er schon versucht, um durch stärkere Anfachung des Feuers hier Besserung zu schaffen. Daß er die vortreffliche Wirkung des Blasrohrs schon früh ausnutzte, wissen wir bereits. Bei einer Lokomotive für die Stockton-Darlington-Bahn war er, um einen noch kräftigeren Durchzug von Frischluft durch die Feuerung hervorzubringen, sogar so weit gegangen, die Maschine mit zwei Schornsteinen und zwei Blasrohren auszurüsten. Aber der Nutzen dieser Maßnahmen entsprach nicht den Erwartungen. Ein wirklicher Erfolg konnte nur durch eine Vergrößerung der Heizfläche erreicht werden.

      Es ist nun sehr merkwürdig, daß der Gedanke,


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