Für Immer mit Dir . Sophie Love
Emily wollte, dass Chantelle zu den anderen Kindern, die sie in der Schule treffen würde, passte. Sie befand sich durch die Vernachlässigung in ihrer Kindheit bereits im Nachteil, das letzte, was Emily nun wollte, war, dass sie wegen ihrer Kleiderwahl ausgegrenzt wurde!
„Oh, Chantelle. Wie findest du diesen Mantel?“, fragte Emily, während sie einen royal blauen Dufflecoat mit großen Knöpfen hochhielt. Sie stellte sich vor, dass Sara Crewe in Little Princess genau so einen Mantel trug.
Chantelle war überwältigt. Sie streckte ihre Hand aus und nahm den Mantel, dann rieb sie den Stoff an ihre Wange. Das Futter bildete eine wundervolle Zusammenstellung von zartrosa, grünen und gelben Blumen.
„Gefällt dir das Futter?“, wollte Emily wissen.
Chantelle nickte, weshalb Emily sich eine gedankliche Notiz machte, nach weiteren Kleidungsstücken mit Blumenmuster für sie Ausschau zu halten.
Chantelle nahm den Mantel vom Kleiderbügel und zog in an. Genau wie Emily vorhergesehen hatte, sah sie einfach wunderbar in dem Mantel aus, als ob sie aus einem Roman von Dickens herausgetreten wäre. Als Chantelle sich selbst im Spiegel betrachtete, begannen ihre Augen mit Tränen zu glänzen.
„Wir müssen ihn nicht kaufen, wenn er dir nicht gefällt“, meine Emily, plötzlich besorgt.
Chantelle schüttelte ihren Kopf. „Das ist es nicht. Ich wusste einfach nicht, dass ich schön sein kann.“
Zum hundertsten Mal, seit das kleine Mädchen in ihr Leben getreten war, spürte Emily, wie ihr Herz zerbrach. Hatte Chantelle in ihrem ganzen Leben denn noch nie gesagt bekommen, wie schön sie war? Es würde noch ein ganzes Stück Arbeit vor ihnen liegen, wenn sie Chantelles Selbstbewusstsein wiederaufbauen wollten.
Emily und Chantelle verbrachten eine gute Stunde in dem Vintageladen, in dem sie Kleider und Oberteile, putzige Leggins und Rollkragenpullover anprobierten. Emily wusste nicht, ob sie einfach nur voreingenommen war, aber Chantelle sah in all den Outfits einfach wunderbar aus, wie ein Kindermodel. Es war erstaunlich, die Verwandlung in ihr zu sehen, nicht nur physisch, sondern auch in ihrem Verhalten, denn Chantelle fühlte sich immer wohler, wurde selbstsicherer und offener in ihren Entscheidungen. Für ein kleines Kind, das nie die Chance gehabt hatte, seine Kleider selbst auszusuchen, hatte sie eine äußerst kreative Ader. Nach einer Stunde hatten sie fünf neue Outfits gefunden.
„Jetzt sollten wir besser ins Kaufhaus gehen“, meinte Emily, „um Unterwäsche, Socken und Schlafanzüge auszusuchen.“
Zusammen verließen sie den Vintageladen, Emily vollbeladen mit Taschen, und gingen in Richtung des Kaufhauses. Auf dem Weg dorthin entdeckte Emily Vanessa mit ihrem Baby Kate in einem Kinderwagen. Vanessa putzte nun schon seit mehreren Wochen in der Pension. Emily winkte ihr von der anderen Straßenseite aus zu.
„Chantelle, das ist meine Freundin Vanessa“, sagte sie. „Sie arbeitet in der Pension, weshalb du sie morgens hin und wieder sehen wirst.“
Vanessa machte einen leicht verwirrten Eindruck. „Hi Chantelle“, sagte sie leicht gekünstelt. Dann sah sie zu Emily auf. „Ist sie deine Nichte?“
Emily grinste und schüttelte den Kopf. „Sie ist Daniels Tochter.“
„Emily ist meine neue Mama“, erwiderte Chantelle, während sie Emilys Arm an sich drückte und grinste.
Emilys Herz wurde weich. Doch als sie in Vanessas Gesicht sah, bemerkte sie einen harten Ausdruck in der Miene ihrer Freundin.
„Daniels Tochter aus Tennessee?“, fragte Vanessa.
Emily nickte, doch ihre Stimmung begann, sich zu verschlechtern. Vanessa war in den sechs langen Wochen, in denen Daniel sie alleine gelassen hatte, bei ihr gewesen, die Zeit, in der es Emily schlecht gegangen war, weil sie nicht wusste, ob sie ihre Sachen packen, zurück nach New York gehen, Amys Jobangebot und Bens Heiratsantrag annehmen und so tun sollte, als ob die ganze Zeit in Maine nur ein Traum gewesen war. Zusammen mit Serena hatte Vanessa Emily unterstützt und ihr Trost und Freundschaft angeboten, um das Wrack, das Daniel zurückgelassen hatte, aufzubauen. Sie hieß es offensichtlich nicht gut, dass Emily Daniel einfach wieder zurückgenommen und seine Tochter ohne zu zögern in ihr Leben integriert hatte.
„Chantelle, Schätzchen“, meinte Emily, „spring doch schon einmal in diesen Laden hier und kaufe dir etwas Süßes. Bitteschön.“ Sie reichte ihr ein paar Dollarscheine. „Daddy mag Erdnussbutter-Cups am liebsten.“
Sobald sie verschwunden war, wandte sich Emily wieder an Vanessa. „Ich weiß, was du denkst“, begann sie. „Du denkst, dass ich verrückt bin, Daniel so ohne weiteres wieder in mein Herz zu lassen. Du denkst, dass ich mich wie ein Fußabstreifer verhalte.“
Vanessa schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht, Emily. Ich weiß, dass du ihn liebst. Das ist offensichtlich. Ich habe nie bezweifelt, dass ihr zusammen sein würdet.“
„Was ist dann das Problem?“, wollte Emily wissen, die ein seltsames Gefühl der Kälte beschlich.
„Das Mädchen“, erwiderte Vanessa. „Glaubst du wirklich, dass es in Ordnung ist, sie ihrem Zuhause zu entreißen? Ihrer Mutter?“
Emily verschränkte die Arme. „Ihre Mutter hat ihre Fürsorge aufgegeben. Sie nimmt Drogen und hat mentale Probleme. Daniel versuchte, ihr zu helfen, von den Drogen wegzukommen und eine Therapie zu beginnen, aber das funktionierte nicht. Sie verstand, dass es Chantelle bei uns bessergehen würde. Aber ich werde Sheila nicht ignorieren und so tun, als gäbe es sie nicht. Wenn sie ein Teil von Chantelles Leben sein will, dann kann sie das auch, sobald sie keine Drogen mehr nimmt. Ich werde nicht zulassen, dass eine Drogenabhängige das Leben dieses kleinen Mädchens zerstört.“
Vanessa wirkte immer noch nicht ganz überzeugt. „Ich glaube einfach nur, dass dir nicht klar ist, auf was du dich da eingelassen hast“, fuhr sie fort. „Chantelle großzuziehen wird nicht einfach sein.“
„Das ist mir bewusst“, erwiderte Emily gereizt, denn Chantelle war bisher nichts als liebenswürdig gewesen. „Natürlich wird es gewisse Herausforderungen geben. Aber Daniel und ich sind bereit, diese zu meistern.“
„Was ist mit eigenen Kindern? Von dir und Daniel? Wirst du immer noch in der Lage sein, eine eigene Familie zu gründen, wenn du damit beschäftigt bist, dich um Chantelles Probleme zu kümmern? Und was ist mit der Pension? Ist sie der richtige Ort für ein Kind mit gewissen Schwierigkeiten?“
„Chantelle hat keine Schwierigkeiten“, feuerte Emily abwehrend zurück, denn plötzlich verspürte sie einen starken Beschützerinstinkt für das Mädchen, das sie bereits wie ihre eigene Tochter sah.“
Vanessa seufzte tief. „Das sage ich ja auch gar nicht“, meinte sie resigniert. „Ich mache mir nur Sorgen, dass du das Ganze nicht richtig durchdacht hast. Du hast ja gesehen, wie sehr Katy mein Leben beeinflusst und sie meine eigene Tochter. Ich wollte sie haben. Chantelle ist dir in den Weg gestellt worden. Sie ist in etwa ein Ultimatum von Daniel. Das hast du dir nie ausgesucht. Ich glaube einfach, dass du einen Schritt zurücktreten und einen Moment darüber nachdenken solltest, ob es wirklich das ist, was du willst.“
Sie streckte ihre Hand aus und drückte Emilys Arm. In diesem Moment kam Chantelle mit einer Einkauftüte voller Süßigkeiten und Schokoladenriegeln zurück.
„Wow“, sagte Emily, „das sind ja ganz schön viele Süßigkeiten.“
Doch ihre Stimme war nicht mehr so leicht und sorglos wie zuvor. Vanessas Worte hatten sie erschüttert. Sie hatten ihr Glück durchschnitten und einen Zweifelskorn in ihr gesät. War sie wirklich in der Lage, Chantelle richtig großzuziehen?
KAPITEL VIER
Als Emily und Chantelle schließlich in der Pension ankamen, war Chantelle völlig erschöpft. Sie schaffte es, beim Abendessen