Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt

Adams Söhne - Adolf von Wilbrandt


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      V. Kapitel

      An dem hölzernen, offenen ›Salettl‹ des Wirtsgartens, das an das Haus angebaut war, brannten schon die Windlichter; Berthold saß ganz allein an einem der drei runden Tische, vor einem Fläschchen roten Tiroler Weins. So fand ihn Wittekind, als er in das Gärtchen eintrat.

      »Junge, wie kommst du hierher?« fragte er. »Warum bist du unterwegs wieder umgekehrt?«

      Der Jüngling ward rot, aber in sorgloser, weinfroher Heiterkeit.

      »Das will ich dir sagen, Vater: weil ich Hunger hatte. Einen solchen Hunger, dass – —. Heute Abend, vor dem Schlafengehen, erzähl’ ich dir alles; komm, trink auch ein Glas!«

      »Und du hast schon gegessen?«

      »Ja. Die gute Kathi hielt Wort: ein Beefsteak· Sehr geschwind; und gut. Und einen Eierkuchen. Eine Weile hat sie mir zugesehen; dann verschwand sie plötzlich. Ich bin wieder ein Mensch!«

      »Ich hätte dir auch gerne zugesehen«, sagte Wittekind lächelnd. »Wir wollen dich nun oft so zum ›Menschen‹ machen!«—

      Auch in ihm regte sich der Hunger. Er rief eben nach dem Wirt, als vom Hause her, um die Ecke, Tilburgs und Waldenburg kamen; die Baronin frisch und freundlich und wie aufgeblüht. Es verlangte sie aber leidenschaftlich ›in die Luft hinaus‹.

      »Wir haben inzwischen für die Nachtquartiere gesorgt«, sagte Waldenburg; »da in dieser Herberge nur drei Zimmer sind – von der rührendsten Unschuld und Einfachheit – so werden die Damen und der Herr Baron unten im Städtchen übernachten. Uns andern hat der kleine gute Hausgeist, die Kathi, hier oben verteilt. Du mit deinem Sohn im Hauptzimmer, das zwei Betten hat; der Riese in seinem angestammten Bett nebenan; im dritten Kämmerlein ich. So beschlossen und angeordnet, weil ich morgen in aller Frühe die Bergbesteigung nachholen und auf der ›Hedwigsruhe‹ auch meine Andacht verrichten will.«

      ›Wer dir das glaubt!‹ dachte Wittekind. ›Du hast irgendeinen andern Grund, in so einem unwürdigen „Kämmerlein“ zu übernachten und dich von deiner Gesellschaft zu trennen … Nun, was geht’s mich an?‹

      Die Baronin fragte nach Marie; in diesem Augenblick erschien sie mit Saltner, von der Straße her, wieder mit ihrem ruhigen, verschlossenen Gesicht. Auch der Wirt kam, und eine Alte, die Getränke und Speisen brachten; Kathi ward nicht sichtbar. Man begann sich zu stärken, alle hungerten; in ihrer zarten, schmachtenden Weise griff auch die Baronin zu, die jetzt diesen ›Aufenthalt‹ sehr idyllisch fand. Nur empörte sie sich, da der Mond so herrlich herabscheine, über das ›ewige Lampenlicht‹ (es waren übrigens Kerzen), und auf ihr Verlangen wurden die Windlichter ausgelöscht. Es währte aber nicht lange, so fand sie dieses ›Halbdunkel‹ unleidlich, und die Herren zündeten die Windlichter wieder an. Die Gesellschaft saß im ›Salettl‹, an zwei Tischen; der dritte war leer. Im Gärtchen hatten sich allmählich allerlei Gäste, bäurische und städtische, eingefunden, und begnügten sich fast alle mit dem Mondlicht, das ihre Biergläser und Weinfläschchen versilberte; einige saßen auch am Fels, im tiefen Schatten, man bemerkte sie kaum, hörte nur ihr Plaudern und Lachen.

      Es trat dann aber noch eine Gesellschaft ins ›Salettl‹ ein, grüßte zutraulich-linkisch und pflanzte sich breit um den dritten Tisch. Ein graubärtiger Bauer war’s, mit seiner Bäuerin, die eine Brille auf der Nase hatte, ein fast ausgewachsener Bub und ein kleinerer, alle in der landesüblichen Tracht, die Buben mit Alpenstöcken. Sie forderten zu trinken, unterhielten sich laut in breitem Dialekt; wandten sich dann auch ohne weiteres an den Nachbartisch und sprachen besonders in Saltner hinein, der ihnen zunächst saß.

      »Um Gottes willen! Was ist das?« flüsterte die Baronin, der auf einmal das ›Idyll‹ hier oben shocking wurde.

      »Ist das in der ›Gemse‹ Stil? Wir müssen wohl gar noch aus einem Seidel trinken?«—

      Der Baron bewegte sich auf seinem Stuhl, als werde es hohe Zeit, sich zu entfernen. Indessen rückte der alte Bauer, in wachsender Zutraulichkeit, näher an Saltner heran; beklagte sich über das teure Bier und die schlechten Zeiten, in einem dumpfen Bass, der sonderbar gedrückt und heiser klang, und schlug endlich dem alten Herrn mit schwerer Hand auf das Knie.

      Dies war doch auch Saltner’n überraschend; er stand auf.

      »Wären wir doch in Berchtesgaden geblieben!« seufzte die Baronin.

      Auf einmal schlug der Bauer eine helle, herzliche Lache auf, und drei andere helle Stimmen lachten mit.

      Der Bauer zog sich den grauen Bart vom Kinn und nahm seinen Hut ab. Man erkannte Kathis braune Schelmenaugen und ihr rosiges, von kindlicher Heiterkeit strahlendes Gesicht.

      »Schönen guten Abend all den verehrten Herrschaften!« sagte sie in ihrem besten Hochdeutsch, aber mit ihrer natürlichen Stimme.

      »Das ist die Kathi!« rief Saltner aus, zog die Brauen auf und nieder und lachte. »Gut gespielt, Teufelsmädel du! – Wer sind denn die andern?«—

      Er versuchte der Bäuerin die Brille von der Nase zu nehmen; sie trat aber zurück und zog sie sich selber ab.

      »Mich kennen Sie wohl nicht mehr«, sagte sie und knixte; »bin die Wabi vom Mehlweg. Und der große dumme Bub’ da, das ist meine Schwester. Und der andere Bub’ ist der Riesenbauer-Franzi!«

      »Ja freilich, ja freilich«, sagte Saltner, der sich vor jedem dieser vier Komödianten aufpflanzte und ihm in die lachenden Augen sah. »Wie das spielen kann! Ich hör’ euch alle reden und erkenn’ eure Stimmen nicht! Ich schau’ wohl sechsmal hin und bleib’ so blind wie ‘ne Schnecke! – O ihr Possenspieler! Wie kommt ihr dazu, im Juli Fasching zu machen?«

      »Wie wir dazu kommen?« fragte Kathi, die nun wieder ernst und sittig dastand und in dem langen Bauernrock, den vertragenen Kniehosen, der grauen Perücke umso drolliger aussah. »Haben Sie denn vergessen, Herr von Saltner, dass Ihr Namenstag ist? Dasmal fiel uns halt nichts anderes ein, als das Bauernspielen. Die Wabi und die andern haben mitgetan mir zu Lieb’ – und weil hier alle Sie gern haben. Die Wabi ist in Sie verliebt«, setzte die Schelmin hinzu. »Geben Sie nur nichts drauf, wenn sie’s leugnen will. Schau’n Sie, wie sie rot wird! Rot werden« sie sprach jetzt in etwas gekünsteltem Hochdeutsch – »rot werden ist, wie der Herr Lehrer sagt, das erste Zeichen der Liebe. Er hat aber auch noch ein kleines Gedicht auf diesen Tag gemacht; und das möchte’ ich Ihnen aufsagen, lieber Herr von Saltner, wenn Sie nicht meinen, es schickt sich nicht vor den hohen Herrschaften!«

      »Ei, es schickt sich wohl«, sagte Saltner gerührt. »Die Herrschaften werden dich und mich wohl nicht auslachen, Kathi; – na, und wenn sie’s täten, dann wären wir stolz und machten uns nichts draus. Willst du mir durchaus noch so was Zusammengedichtetes vorzwitschern, dann tu’s. Ich halte still!«

      Die Baronin klatschte gnädig ermunternd in die Hände:

      »Das ist ja ein allerliebstes Idyll! Nur zu, Kleine, nur zu!«

      Kathi nahm sich zusammen, wollte ihre Schürze glatt streichen, merkte nun, dass sie über einen alten Bauernrock fuhr, lächelte und fing an. Es war ein Gedicht ›zur Feier des hohen Namensfestes‹, offenbar aus einem Buch für solche und ähnliche Feste entlehnt, aber für den besonderen Fall ein wenig umgedichtet. Kathi sprach es fließend, sie hatte es gewiss fleißig eingelernt; die natürliche Anmut ihrer Rede aber war wie weggewischt, sie trug die Verse, die nichts als gereimte Redensarten waren, mit einem schwerfälligen Prunk vor, den sie vermutlich herumziehenden schlechten Schauspielern einmal abgelauscht hatte. Als sie zu Ende war, atmete sie tief. Nun sah sie auch wieder den Alten mit ihrem treuherzigen, hold-guten Blick an.

      »Kathi! Kind! Was hast’ da alles zusammengered’t!« rief Saltner aus, nahm sie bei den Ohren und küsste sie auf den Mund; sie hielt lächelnd still.

      »Der Glückliche!« murmelte Waldenburg.

      Kathi legte ihren Bart wieder an, und indem sie zum närrischsten aller Greise wurde, ward sie zugleich blutrot wie ein Kind. Nach einem offenherzig befangenen Umherblicken fing sie zaghaft an:

      »Wir hatten jetzt eigentlich noch – Aber es macht sich halt nicht.«

      »Was


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