Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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Auge des Abbé erweiterte sich, er ergriff die Hand des Inspectors und sagte:

      »Aber wenn ich das Gefängnis nicht verlasse, wenn ich gegen jede Gerechtigkeit in diesem Kerker zurückgehalten werde, wenn ich hier sterbe, ohne mein Geheimnis irgend Jemand vermacht zu haben, so ist also dieser Schatz verloren? Ist es nicht besser, wenn die Regierung daraus Nutzen zieht und ich ebenfalls? Ich werde bis zu sechs Millionen gehen, mein Herr, ja, ich werde sechs Millionen abtreten und mich mit dem Reste begnügen, wenn man mir die Freiheit schenken will.«

      »Auf mein Wort,« sprach der Inspector mit halber Stimme, »wenn man nicht wüßte, daß dieser Mensch ein Narr ist, so müßte man glauben, er sagte die Wahrheit, denn er spricht mit völlig überzeugtem Tone.«

      »Ich bin kein Narr, mein Herr, und sage die Wahrheit,« versetzte Faria, welcher mit der den Gefangenen eigenthümlichen Feinheit des Gehörs keines von den Worten des Inspectors verloren hatte. »Der Schatz von dem ich spreche, ist wirklich vorhanden, und ich erbiete mich, einen Vertrag mit Ihnen zu unterschreiben, kraft dessen Sie mich an den von mir angegebenen Ort führen; man wird die Erde unter unsern Augen aufgraben, und wenn ich lüge, wenn man nichts findet, so bin ich ein Narr, wie Sie sagen, und Sie bringen mich in diesen Kerker zurück, wo ich ewig bleiben und sterben werde, ohne von irgend Jemand mehr etwas zu verlangen.«

      Der Gouverneur brach in ein Gelächter aus und sagte:

      »Ist Ihr Schatz weit von hier entfernt?«

      »Ungefähr hundert Meilen.« antwortete Faria.

      »Die Sache ist nicht übel ersonnen,« sprach der Gouverneur: »wenn alle Gefangenen sich damit.belustigen wollten, ihre Wärter auf hundert Meilen spazieren zu führen, und wenn die Wärter zu einem solchen Spaziergange einwilligten, so wäre es ein vortreffliches Mittel für die Gefangenen, das freie Feld zu gewinnen, sobald sie eine Gelegenheit fanden, und während einer solchen Reise wurde sich die Gelegenheit sicherlich bieten.«

      »Es ist ein bekanntes Mittel,« sagte der Inspector, »und der Herr hat nicht einmal das Verdienst der Erfindung.

      Dann sich gegen den Abbé umwendend:

      »Ich habe Sie gefragt, ob Sie gute Nahrung bekamen?«

      »Mein Herr,« antwortete Faria. »schwören Sie mir bei Christus, mich zu befreien, wenn ich Ihnen die Wahrheit gesagt habe, und ich werde Ihnen den Ort nennen, wo mein Schatz vergraben liegt.«

      »Und Sie bekommen gute Kost?« wiederholte der Inspector.

      »Mein Herr, Sie wagen dabei nichts, und Sie sehen, daß ich mir dadurch nicht eine Gelegenheit verschaffen will, mich zu flüchten, da ich in dem Gefängnis bleibe, während man die Reise macht.«

      »Sie antworten mir nicht auf meine Frage?« versetzte der Inspector ungeduldig.

      »Und Sie mir nicht auf meine Bitte!« rief der Abbé. »Seien Sie also verflucht, wie die andern Wahnsinnigen, die mir nicht glauben wollten! Sie wollen nicht von meinem Golde! ich werde es behalten; Sie verweigern mir die Freiheit, Gott wird sie mir schicken. Gehen Sie, ich habe nichts mehr zu sagen.«

      Und seine Decke zurückwerfend, faßte der Abbé wieder sein Gypsstück, setzte sich abermals mitten in seinen Kreis und fuhr mit seinen Linien und Zahlen fort.

      »Was macht er da?« fragte der Inspector sich entfernend.

      »Er berechnet seine Schätze,« versetzte der Gouverneur.

      Faria erwiderte diesen Spott mit einem Blicke, in welchen, sich die tiefste Verachtung ausdrückte.

      Sie gingen weg. Der Gefangenenwärter schloß die Thüre hinter ihnen.

      »Er muß in der Tat einige Schätze besessen haben, sprach der Inspector die Treppe hinaufsteigend.

      »Es hat ihm wohl von dem Besitze derselben geträumt,« antwortete der Gouverneur, »und am andern Morgen ist er als Narr erwacht.«.

      »In der Tat,« versetzte der Inspector, mit der Naivität der Verdorbenheit, »wenn er wirklich reich gewesen wäre, so säße er nicht im Gefängnis.«

      So endigte das Abenteuer für den Abbé. Er blieb Gefangener, und in Folge dieses Besuches vermehrte sich noch sein Ruf als lustiger Narr.

      Caligula und Nero, diese großen Schatzgräber, diese Menschen, welche nach dem Unmöglichen begehrten, hätten den Worten des armen Mannes Gehör geschenkt, ihm die Luft, die er verlangte, den Raum, den er so hoch anschlug, und die Freiheit, die er so teuer zu bezahlen sich anerbot, bewilligt. Aber die Könige unserer Tage haben, in den Schranken des Wahrscheinlichen gehalten, nicht mehr dieselbe Kühnheit des Willens. Sie fürchten das Ohr, das die Befehle hört, die sie geben, das Auge, das ihre Handlungen erforscht. Sie fühlen die Erhabenheit ihres göttlichen Wesens nicht mehr, sie sind gekrönte Wesen und nicht weiter. Früher wähnten sie sich oder nannten sie sich wenigstens Söhne Jupiters und bewahrten etwas von der Art und Weise des Gottes, ihres Vaters: man beaufsichtigt nicht leicht das, was über den Wolken vorgeht. Heutigen Tages lassen sich die Könige leicht erreichen und durchschauen. Wie es nun der despotischen Regierung stets widerstrebte, die Wirkungen des Gefängnisses und der Folter am hellen Tage zu zeigen, wie es wenige Beispiele gibt, daß ein Opfer der Inquisition mit seinen zermalmten Gliedern und seinen blutenden Wunden wieder erscheinen konnte, so verbirgt sich die Narrheit, dieses in dem Kothe der Kerker in Folge moralischer Leiden geborene Geschwür, beinahe immer sorgfältig an dem Orte, wo es geboren worden ist, und wenn es herauskommt, so begräbt es sich in irgend einem düstern Hospital, wo die Ärzte weder den Menschen, noch den Geist in den gestaltlosen Trümmern erkennen, die ihnen der müde Kerkermeister übergibt.

      Im Gefängnisse ein Narr geworden, war der Abbé Faria gerade durch seine Narrheit zu lebenslänglichem Gefängnisse verurteilt.

      Was Dantes betrifft. so hielt der Inspector sein Wort. Als er in die Wohnung des Gouverneur kam, ließ er sich das Gefangenen-Register geben.

      Die den Gefangenen betreffende Note war also abgefasst:

      | Wüthender Bonapartist, hat thätigen Anteil

      Edmond Dantes   | an der Rückkehr von der Insel Elba genommen.

      | Im geheimsten Gewahrsam und unter

      | der strengsten Aufsicht zu halten.

      Diese Note war von einer andern Handschrift und mit einer andern Tinte geschrieben, woraus hervorging, daß man sie während der Gefangenschaft von Dantes beigefügt hatte.

      Die Anklage war zu bestimmt, um eine Bekämpfung derselben zu versuchen. Der Inspector schrieb also neben an:

      »Nichts zu machen.«

      Dieser Besuch hatte Dantes gleichsam wiederbelebt. Seitdem er in das Gefängnis gekommen war, hatte er die Tage zu zählen vergessen; aber der Inspector gab ihm ein neues Datum. und Dantes vergaß es nicht. Hinter ihm schrieb er an die Wand mit einem Stücke von der Decke abgelösten Gyps den 30. Juli 1816, und von diesem Augenblick an machte er jeden Tag eine Kerbe, damit ihm das Maß der Zeit nicht entgehe.

      Die Tage verliefen, dann die Wochen, dann die Monate: Dantes wartete immer. Er hatte damit angefangen, daß er für seine Befreiung einen Termin von vierzehn Tagen feststellte. Setzte er die Hälfte der Teilnahme für seine Angelegenheit, welche der Gouverneur gehabt zu haben schien, so waren vierzehn Tage hinreichend zur Verfolgung derselben. Als diese vierzehn Tage abgelaufen waren, sagte er sich, es wäre albern von ihm, zu glauben, der Inspector würde sich vor seiner Rückkehr nach Paris mit ihm beschäftigen; seine Rückkehr könnte aber nicht eher stattfinden, als bis er seine Rundreise vollendet hätte, und diese Rundreise dürfte einen bis zwei Monate dauern. Er gab sich also drei Monate, statt der vierzehn Tage. Als die drei Monate abgelaufen waren, kam ihm eine andere Betrachtung zu Hilfe, und er bewilligte sechs Monate. Als aber diese sechs Monate abgelaufen waren, fand es sich, daß er zehn und einen halben Monat gewartet hatte. Während dieser zehn Monate hatte sich nichts in Beziehung auf seine Behandlung im Kerken verändert; keine tröstliche Nachricht war zu ihm gelangt, der Gefangenenwärter blieb bei seinen Fragen stumm wie gewöhnlich. Dantes fing an, an seinen Sinnen zu verzweifeln und zu glauben, das, was er für eine Erinnerung des Gedächtnisses hielt, wäre nichts als die tolle Ausgeburt


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