Memoiren einer Favorite. Александр Дюма
Dessert trat ein Diener ein, welcher eine mit einem großen Siegel verschlossene Depesche überbrachte.
Sir John entsiegelte die Depesche, überzeugte sich, daß es wirklich Dicks Entlassung war, und überreichte sie Amy.
Amy erhob sich sofort und bat unter dem Vorwande, daß sie nicht länger zögern wolle, ihrem Bruder diese gute Nachricht mitzuteilen, um die Erlaubnis, sich zu entfernen.
Sir John hatte durchaus nichts dagegen, sondern lobte im Gegenteile diesen Beweis von schwesterlicher Gesinnung.
Ich sah ein, daß von den nächsten fünf Minuten meine ganze Zukunft abhinge.
Als ich sah, daß Amy sich erhob, tat ich dies ebenfalls. Sir John machte keine Bewegung, mich zurückzuhalten; ich hatte aber aus meinem Zimmer erst meine Mantille und meinen Hut zu holen.
Fest entschlossen, mich dem Bereich der Verführung zu entziehen, eilte ich nach dem Zimmer, welches ich mild durch eine Alabasterampel beleuchtet fand.
Es konnte nichts Reizenderes geben als dieses Zimmer, besonders in diesem gedämpften Lichtschein, welcher dem des Mondes in einer stillen Sommernacht glich. Stumm, unbeweglich, entzückt blieb ich einen Augenblick stehen und kämpfte mit dem Wunsche zu bleiben und dem, Amy zu folgen.
Ich begriff nun, daß ich eine Stütze außer mir suchen müßte. Ich drückte die Hand aufs Herz, ich suchte und fand hier Harrys Brief.
Nun atmete ich auf und wollte sofort aus dem Zimmer eilen, hinter mir aber hatte die in dem Schnitzwerk des Wandgetäfels angebrachte Tür sich geschlossen und war unsichtbar geworden. Es war, als beherrschte mich ein unwiderstehlicher Zauber, der mich in einen Feenpalast geführt hätte.
Ich drehte mich um und wollte die Klingel ziehen.
Zwischen mir und dem Kamin aber stand Sir John mit ausgebreiteten Armen und murmelte mit leiser Stimme das Wort:
»Undankbare!«
Bei dieser Stimme ergriff der eben erst beschwichtigte Taumel mich von neuem. Eine Flammenwolke zog an meinen Augen vorüber und ich sank in die mir geöffneten Arme.
Ich danke dir, mein Gott, dafür, daß mein erster Fehltritt seinen Grund in Herzensgute und Aufopferung für andere, aber nicht in sinnlicher Begierde oder im Hang zur Ausschweifung hatte.
Zweiter Band
Erstes Capitel
Nun war ich Sir John Paynes Geliebte. Es beginnt hiermit die Reihe der traurigsten, vielleicht aber nicht der strafbarsten Ereignisse meines Lebens. Ich habe Gott und den Menschen versprochen, sie aufrichtig zu bekennen und ich meide dieses Geständnis mit voller Aufrichtigkeit tun, um zu beweisen, daß ich es als Reuige tue.
Wenn die Reue über einen Fehltritt in dem Herzen nur infolge der materiellen Unannehmlichkeiten oder Vorurteile, die er nach sich zieht, entstünde, so würde mich nichts bewegen, diese, ich will nicht sagen erste Liebe denn wirklich geliebt habe ich nur einmal in meinem Leben wohl aber diese erste Verirrung zu bereuen. Sir John war ein Gentleman, nobel, freigebig, artig, und ich konnte während der fünf oder sechs Monate, welche unser Verhältnis dauerte, nur zufrieden mit ihm sein.
Das kleine Haus in Piccadilly ward mein, und wenn er mich besuchte, was so oft geschah, als die Pflichten seines Dienstes ihm Zeit dazu ließen so sah es aus, als käme er in meine und nicht in seine Behausung. Die Diener und die Equipage standen zu meinen Befehlen und nach dem Respekt, welchen die Diener mir bewiesen, bemaß ich den, welchen der Herr vor mir hatte.
Als ich in den Möbeln meines Zimmers jene neugierige Untersuchung anstellte, welche die Frauen in dem Gemach, welches sie bewohnen, niemals verfehlen vorzunehmen, fand ich in einer mit meiner Namenschiffre gestickten Börse fünf- bis sechshundert Stück Sterling und in einem Etui einen Schmuck von Türkisen und Diamanten.
Von diesem Augenblick an, wo ich einsah, daß dieses Geld für mich bestimmt war, teilte ich es in zwei gleiche Teile: einen für meine Mutter, den andern für mich. Den ersteren schickte ich auch sofort an meine Mutter ab, ohne ihr jedoch zu sagen, wo ich sei und wie ich zu diesem Gelde gekommen wäre.
Jetzt, wo ein trauriges, unglückliches Alter über mich hereinzubrechen droht, gereicht es mir zum Troste, zu bedenken, daß ich auf der Höhe meines Glücks oder meiner Schande niemals auch nur einen Augenblick lang versäumt habe, für das materielle Wohlbefinden der schlichten Frau zu sorgen, der ich dieses Leben verdanke, welches für mich gleichzeitig so glänzend und so schmerzlich war.
Übrigens wäre ich ohne zwei Gedanken, die mich vorzugsweise beschäftigten, vollkommen glücklich gewesen.
Der erste dieser Gedanken war der an meinen unbekannten Romeo, welcher mich sicherlich alle Abende vergebens am Fuße meines Balkons erwartete.
Der zweite war, was wohl Miß Arabella bei ihrer Rückkehr gesagt haben würde, als sie mich nicht mehr in ihrer Wohnung vorfand.
Ich hatte in der Tat eine seltsame Art und Weise, die Personen zu verlassen, welche mir Gutes erzeigt oder erzeigen gewollt eine Art und Weise, die ihnen eine ganz eigentümliche Meinung von mir beibringen mußte.
Einige Tage lang ward ich durch eine Art Scham bewogen, mich in Piccadilly eingeschlossen zu halten. Am dritten Tage empfing ich den Besuch Amys und ihres Bruders. Die äußere Erscheinung beider erweckte in mir die Vermutung, daß sie ebenfalls ihren Anteil an der Freigebigkeit des Commodore genossen hätten.
Endlich brachte Sir John Payne mich so weit, daß ich mich bereit erklärte, auszugehen. Das Theater war immer noch meine herrschende Leidenschaft und er mietete eine Loge im Drury Lane.
Er hatte, um mich dahin zu führen, den Tag gewählt, wo »Hamlet« gegeben ward. Mit einer gewissen Gemütsbewegung hörte ich die Verse, welche er an Bord des »Theseus« zu mir gesprochen, und indem ich mein Schicksal an das Opheliens kettete, folgte ich dem Unglücke der Tochter des Polonius mit ganzer Seele.
Die beiden Wahnsinnsszenen wurden für mich dasselbe, was die Gartenszene und die Balkonszene in »Romeo und Julia« für mich gewesen waren.
Auf dem Nachhausewege sprach ich von weiter nichts, als von Ophelia, ich träumte die ganze Nacht von ihr und wiederholte die mir im Gedächtnis zurückgebliebenen Bruchstücke der betreffenden Verse.
Shakespeares Werke gab es in der kleinen Bibliothek in Piccadilly nicht, wohl aber hatte Sir John sie an Bord des »Theseus«, und da er im Laufe des Tages sich dorthin zu begeben hatte, so versprach er einen meiner Diener mitzunehmen und mir durch diesen den gewünschten Band zu schicken.
Ich erwartete meinen Shakespeare mit derselben Ungeduld, wie eine andere ein goldenes Armband oder einen Perlenschmuck erwartet hätte. Ich riß dem Diener das Buch förmlich aus der Hand, schloß mich in mein Zimmer ein und versenkte mich in diesem Ozean von Poesie.
Am Abend wußte ich die beiden Wahnsinnsszenen auswendig, und da ich mir die bald traurigen, bald heiteren Mienen gemerkt, womit Ophelia ihren Geliebten am St. Valentinstage besucht, oder das Grab ihres Vaters mit Blumen bestreut, so konnte ich mit jenem mimischen Talent, welches ich von jeher gehabt, nicht bloß die Gebärden, sondern auch die Modulationen wiederholen, welche ich am Abend vorher gesehen oder gehört hatte.
Alles dies geschah für mich allein und vor jenem vergoldeten Spiegel, der mir von Dick prophezeit worden.
Es fehlte mir dabei bloß eins, nämlich ein passendes Kostüm. Das Opheliens war indessen sehr leicht herzustellen, da es ja bloß in einem langen weißen Gewand besteht.
Ich beschloß mir die Befriedigung dieser Grille zu gestatten. Abends beim Souper bat ich Sir John um die Erlaubnis, den nächstfolgenden Tag auszugehen.
Erstaunt sah er mich an.
»Sie bitten mich um Erlaubnis?« sagte er zu mir. »Glauben Sie denn erst meiner Erlaubnis zu bedürfen, wenn Sie ausgehen wollen?«
»Nein,« sagte ich, »aber dennoch wäre ich nicht ausgegangen, ohne es Ihnen zu sagen.«
»Nun, da Sie dies einmal wollen, so setzen Sie vielleicht auch Ihrem Vertrauen die Krone auf, indem Sie mir sagen, warum Sie ausgehen wollen.«
»Ich