Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
sich in: Galopp in der Richtung des Klosters Hango.
Nun wurde mein Herz auf eine schreckliche Weise beklommen, eine unglückselige Ahnung sagte mir, daß Kostaki seinem Bruder entgegenginge.
Ich blieb an diesem Fenster, so lange als ich diesen Weg unterscheiden konnte, der eine Viertelstunde weit von dem Schlosse eine Krümmung machte und sich in dem Anfange eines Waldes verlor. Aber die Nacht wurde mit jedem Augenblicke finsterer, der Weg verschwand am Ende gänzlich. Ich blieb noch. Endlich gab mir meine Besorgniß gerade durch ihr Uebermaß meine Kraft wieder, und da es augenscheinlich war, daß ich in dem unteren Saale die ersten Nachrichten von dem Einen oder dem Andern der beiden Brüder haben müßte, so ging ich hinab.
Mein erster Blick war Smeranda. Aus der Ruhe ihres Gesichtes ersah ich, daß sie keine Befürchtung empfand; sie ertheilte ihre Aufträge für das gewöhnliche Abendessen, und die Gedecke der beiden Brüder lagen an ihren Plätzen.
Ich wagte Niemand zu befragen. Wen hätte ich außerdem befragen können? Mit Ausnahme von Kostaki und Gregoriska sprach Niemand auf dem Schlosse die beiden einzigen Sprachen, welche ich sprach.
Bei dem geringsten Geräusche erbebte ich.
Gewöhnlich setzte man sich um neun Uhr zum Abendessen zu Tisch. Ich war um halb neun Uhr Hinabgegangen, ich folgte mit den Augen dem Minutenzeiger, dessen Gang auf dem großen Zifferblatts der Uhr fast sichtbar war.
Der wandernde Zeiger überschritt den Raum, der ihn von dem Viertel trennte. Das Viertel schlug. – Die Glocke erschallte traurig und grausig, – dann begann der Zeiger seinen schweigenden Lauf wieder, und ich sah ihn von Neuem den Raum mit der Regelmäßigkeit und der Langsamkeit der Spitze einer Magnetnadel durchlaufen.
Einige Minuten vor neun Uhr schien es mir, als ob ich den Galopp eines Pferdes auf dem Hofe hörte. – Smeranda hörte ihn auch, denn sie wandte den Kopf nach der Seite des Fensters; aber die Nacht war zu finster, als daß sie sehen konnte.
O! wie sie hätte errathen können, was in meinem Herzen vorging, wenn sie mich in diesem Augenblicke angeblickt hätte, – man hatte nur den Aufschlag eines einzigen Pferdes gehört, – und das war ganz natürlich. Ich wußte wohl, daß nur ein Reiter zurückkehren würde.
Aber welcher?
Schritte erschallten in dem Vorzimmer, – diese Schritte waren langsam und schienen voller Zögern, – jeder dieser Schritte schien auf meinem Herzen zu lasten.
Die Thüre ging auf, ich sah in der Dunkelheit einen Schatten erscheinen. Dieser Schatten blieb einen Augenblick lang unter der Thüre stehen. Mein Herz hörte auf zu schlagen.
Der Schatten schritt vor, und in dem Maße, als er in den Kreis des Lichtes trat, athmete ich wieder auf.
Ich erkannte Gregoriska. Ein Augenblick des Zweifels mehr, und mein Herz wäre gebrochen.
Ich erkannte Gregoriska, aber bleich wie ein Todter. Bei seinem bloßen Anblicke errieth man, daß sich irgend etwas Schreckliches zugetragen hatte.
– Bist Du es, Kostaki? fragte Smeranda.
– Nein, meine Mutter, antwortete Gregoriska mit dumpfer Stimme.
– Ah! Sie sind da, sagte sie. . . und seit wann muß Ihre Mutter auf Sie warten?
– Meine Mutter, sagte Gregoriska, indem er einen Blick auf die Uhr warf, es ist erst neun Uhr.
Und zu gleicher Zelt schlug es in der That neun Uhr.
– Es ist wahr, sagte Smeranda. Wo ist Ihr Bruder?
Unwillkürlich dachte ich, daß Gott dieselbe Frage an Kain gerichtet hatte.
Gregoriska antwortete nicht.
– Hat Niemand Kostaki gesehen? fragte Smeranda. Der Vatar, oder Haushofmeister, erkundigte sich um sich herum.
– Gegen sieben Uhr ist der Graf in den Ställen gewesen, sagte er, hat sein Pferd selbst gesattelt, und ist auf der Straße von Hango aufgebrochen.
In diesem Augenblicke begegneten meine Augen denen Gregoriskas. Ich weiß nicht, ob es eine Wirklichkeit war, es schien mir, als ob er einen Tropfen Blut auf der Stirn hätte.
Ich legte langsam meinen Finger auf meine eigene Stirn, indem ich die Stelle andeutete, wo ich diesen Fleck zu sehen glaubte.
Gregoriska verstand mich; er nahm sein Taschentuch und trocknete sich ab.
– Ja, ja, murmelte Smeranda, er wird irgend einen Bären, irgend einen Wolf angetroffen haben, den zu verfolgen er sich belustigt hat. Deshalb läßt ein Kind seine Mutter warten. Wo haben Sie ihn gelassen, Gregoriska? sagen Sie.
– Meine Mutter, antwortete Gregoriska mit bewegter aber zuversichtlicher Stimme, mein Bruder und ich sind nicht mit einander ausgegangen.
– Es ist gut', sagte Smeranda. Man richte das Essen an, man setze sich zu Tisch und verschließe die Thore; die, welche außerhalb sind, mögen außerhalb schlafen.,
Die beiden ersten Theile dieses Befehles wurden buchstäblich ausgeführt. Smeranda nahm ihren Platz ein, Gregoriska setzte sich zu ihrer Rechten, und ich mich zu ihrer Linken.
Hierauf entfernten sich die Diener, um den dritten auszuführen, das heißt um die Thore des Schlosses zu verschließen.
In diesem Augenblicke hörte man einen großen Lärm in dem Hofe, und ein ganz erschreckter Diener trat mit den Worten in den Saal:
– Fürstin, das Pferd des Grafen Kostaki ist allein und ganz mit Blut bedeckt in den Hof zurückgekehrt.
–O! murmelte Smeranda, indem sie sich bleich und drohend aufrichtete, auf diese Weise ist eines Abends das Pferd seines Vaters zurückgekehrt.
Ich warf die Augen auf Gregoriska; er war nicht blässer, er war todtenbleich.
In der That, das Pferd des Grafen Koproly war eines Abends ganz mit Blut bedeckt in den Schloßhof zurückgekehrt, und eine Stunde nachher hatten die Diener die mit Wunden bedeckte Leiche gefunden und zurückgebracht.
Smeranda nahm eine Fackel aus den Händen eines der Diener, schritt auf die Thür zu, öffnete sie und ging in den Hof hinab.
Das ganz scheue Pferd ward mit Gewalt von drei bis vier Dienern gehalten, welche ihre Bemühungen vereinigten, um es zu beruhigen.
Smeranda schritt auf das Thier zu, betrachtete das Blut, welches den Sattel befleckte, und erkannte eine Wunde an der Höhe seiner Stirn.
– Kostaki ist von vorn getödtet worden, sagte sie, im Duell und durch einen einzigen Feind. Sucht seine Leiche, Kinder, späterhin werden wir seinen Mörder suchen.
Da das Pferd durch das Thor von Hango zurückgekehrt war, so stürzten alle Diener aus diesem Thore, und man sah ihre Fackeln in der Ebene herumirren und sich in den Wald vertiefen, wie man an einem schönen Sommerabende in den Ebenen von Nizza und von Pisa die Leuchtkäfer funkeln sieht.
Wie als ob sie überzeugt gewesen wäre, daß die Nachforschung nicht lange dauern würde, wartete Smeranda unter dem Thore stehend. Nicht eine Thräne floß aus den Augen dieser betrübten Mutter, und dennoch fühlte man die Verzweiflung auf dem Grunde ihres Herzens grollen.
Gregoriska stand hinter ihr, und ich stand neben Gregoriska.
Indem er den Saal verließ, hatte er einen Augenblick lang die Absicht gehabt, mir den Arm anzubieten, aber er hatte es nicht gewagt.
Nach Verlauf von ungefähr einer Viertelstunde sah man an der Wendung des Weges eine, zwei, dann alle Fackeln wieder erscheinen.
Nur hatten sie sich dieses Mal. statt sich in der Ebene zu vertheilen, um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt vereinigt.
Bald konnte man sehen, daß dieser gemeinschaftliche Mittelpunkt aus einer Tragbahre und auf einem, auf dieser Tragbahre ausgestreckten Manne bestand.
Der Leichenzug kam langsam heran, aber er kam heran. Nach Verlauf von zehn Minuten befand er sich an dem Thore. Als sie die lebende Mutter erblickten, welche den todten Sohn erwartete, entblößten die, welche ihn trugen, instinctmäßig ihr Haupt, und kehrten dann schweigend in den Hof zurück.
Smeranda