Teufel Marietta. Artur Landsberger

Teufel  Marietta - Artur Landsberger


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für Eine?« fragte Günther.

      »Na, das Gegenteil von so Eine – irgend sone Schwester.«

      »Eine Schwester?« sagte Günther erstaunt. »Das ist ja nicht möglich! Bestimmt hat sie sich in der Hausnummer geirrt.«

      »Nee!« erwiderte das Mädchen und schüttelte den Kopf. »Sie wünscht ausdrücklich den Schriftsteller Dr. Ernst Günther Elsner zu sprechen.«

      »Das bin ich!« bestätigte Günther.

      »Außerdem is se janich so uneben,« meinte das Mädchen und sah Günther so harmlos wie nur möglich an.

      »Das lassen Sie bitte mich entscheiden!« erwiderte Günther. »Aber neugierig bin ich doch, wie ich zu solchem Besuche komme.«

      »Soll se also rein?« fragte das Mädchen.

      »Ja,« erwiderte Günther.

      Das Mädchen war kaum draußen, da schob er hastig den Schreibtisch auf, holte Spiegel und Bürste hervor, dachte: auf alle Fälle! man kann nie wissen! – machte sich schön – setzte sich in Positur – stellte sich schreibend – schielte dabei aber fortgesetzt zur Tür und tat, als wenn er die eben eintretende Schwester Agate, die, wie er sofort feststellte, wirklich hübsch und jung war, nicht sähe.

      Die aber ging ohne Gene schnurstracks auf den Schreibtisch zu und sagte mit fester Stimme:

      »Verzeihung, Herr Doktor, wenn ich störe.«

      Günther tat erstaunt und sah sie groß an.

      »Stehen Sie schon lange da?« fragte er.

      »Ich trete in diesem Augenblick ins Zimmer,« erwiderte sie.

      »Dann bin ich beruhigt,« erwiderte Günther und bat sie, Platz zu nehmen. Und er vervollständigte sein Urteil dahin, daß diese Agate nicht nur eine bildhübsche Person, sondern bestimmt gar keine fromme Schwester war, vielmehr eine der vielen Verehrerinnen seiner Muse, die von seiner Ehe wußte und es daher vorzog, in dieser Maske bei ihm einzudringen – was er erfinderisch und zugleich taktvoll fand. Und mit dieser Erkenntnis verband er den stillen Wunsch, daß seine Frau dies ungewöhnliche Schäferstündchen nicht stören möge.

      Und da Agate noch immer stand, so wiederholte er, diesmal schon ohne Scheu und ganz im Ton des gewandten Weltmanns:

      »Aber so nehmen Sie doch Platz, gnädigste . . .« und fügte mit einem verständnisvollen Blick hinzu – »Frau oder Fräulein, wenn ich fragen darf?« Worauf prompt die Antwort kam:

      »Weder – noch.«

      Und mit einem Gesicht, das nicht übermäßig gescheit war, sagte Günther:

      »Na, erlauben Sie mal, das eine oder das andre werden Sie doch wohl sein müssen.«

      »Nein!« erwiderte Agate, und Günther sperrte den Mund auf und fragte:

      »Sondern?«

      »Ich bin die Oberschwester des Heims Caritas.« Günther war sofort im Bilde; oder er glaubte doch, es zu sein. Natürlich! dachte er, sie läßt ihre Maske auch vor mir nicht fallen; und es ist ein Gebot der Höflichkeit und schließlich auch – und dabei dachte er an seine Frau, die jeden Augenblick ins Zimmer treten konnte – der Vorsicht, darauf einzugehen.

      »Aber selbstverständlich!« sagte er verschmitzt, »Sie sind ja die Oberschwester des Heims Caritas. Ich sehe! ich verstehe! wie konnte ich das auch übersehen, gnädigste . . . Schwester.«

      »Schwester Agate, bitte!« verbesserte sie seine eigentümliche Anrede.

      »Agate?« wiederholte Günther und zog ein Gesicht. »Warum ausgerechnet Agate? wo Sie doch die Auswahl hatten.«

      »Sie irren,« erwiderte Agate, »wir behalten auch als Schwestern unsere Mädchennamen bei.«

      »So! so! Sie heißen also auch im bürgerlichen Leben Agate? – Agate,« wiederholte er gedehnt und suchte sich des Namens zu erinnern. Aber es gelang ihm nicht, ihn in irgend einen Zusammenhang mit seiner Vergangenheit zu bringen. Und so fragte er denn: »Vermutlich interessieren Sie sich für meine Schriftstellerei, gnädigste Schwester Agate?«

      »Gewiß!« erwiderte sie »ich habe fast jedes Ihrer Bücher gelesen.«

      Und Günther warf sich in die Brust und fragte:

      »Und Sie haben sämtlich Ihren Beifall?«

      Agate zögerte.

      »Wenn ich ehrlich sein darf . . .«

      »Das dürfen Sie.«

      »Nun denn: nein!«

      Günther zuckte zusammen.

      »Zumal Ihren letzten Roman fand ich . . .«

      »Nun, wie fanden Sie ihn?« drängte Günther.

      »Gradezu unmoralisch!« platzte Agate heraus.

      »Sehen Sie mal an,« sagte Günther gereizt und richtete sich auf. »Aber künstlerisch hatten Sie doch wohl nichts an ihm auszusetzen?« – Und da Agate schwieg, so fuhr er fort: »Oder am Ende doch? Das würde mich interessieren zu hören – nun! Sie dürfen ganz offen zu mir sein. Ich bin nicht empfindlich.«

      Und Agate, die nicht lügen konnte, sagte:

      »Ich habe ihn nicht zu Ende gelesen – ich habe nach den ersten hundert Seiten aufgehört – es war mir nicht möglich . . .«

      »Sehen Sie mal an!« rief Günther und sprang auf.

      »Ich bin gewiß nicht eitel, aber da muß ich doch sagen: dazu also kommen Sie hierher, um mir das zu sagen? Wissen Sie, daß ich das zum mindesten rücksichtslos finde?«

      Agate erschrak.

      »Ich hatte durchaus nicht die Absicht. . . . aber Sie fragten mich . . . .«

      »Bitte, bemühen Sie sich nicht!« fiel er ihr ins Wort. »Ich dachte, Sie wären, wie tausend andre, hierher gekommen, weil es Sie drängte den Verfasser der »Leuchtenden Seele« und der »Sterbenden Liebe« kennen zu lernen. – Statt dessen kommen Sie hierher, sagen mir Grobheiten und glauben, dadurch Eindruck auf mich zu machen.«

      Agate versuchte, zu widersprechen; aber er winkte ab.

      »Nein! nein!! verehrte Frau, ich bin in erster Linie Dichter. Und eine Frau kann noch so schön und geistreich sein – wenn sie meinen Dichtungen nicht das nötige Verständnis entgegenbringt, läßt sie mich kalt.«

      Agate stand sprachlos.

      Und mit erhobener Stimme fuhr er fort:

      »Der Weg zu meinem Herzen führt durch meine Romane. – Und nun bitte ich Sie, gnädige Frau, legen Sie Ihre Maske ab, gehen Sie nach Haus zu Ihrem Gatten und kehren Sie nicht eher zu mir zurück, als bis Sie in den Geist meiner Dichtungen eingedrungen sind! – Dann will ich sehen, ob ich Ihre Liebe erwidern kann.«

      Das ging Agaten denn doch zu weit:

      »So lassen Sie mich doch endlich auch einmal zu Worte kommen,« rief sie empört. »Ich bin ja Ihres Kindes wegen hier!!«

      »Waaaas?« fuhr Günther auf und faßte sich an den Kopf. »Meines Kindes wegen? – Ja – ich habe ja – gar keine Kinder.«

      Aber Agate sah ihm scharf in die Augen und sagte: »Doch!!«

      Da wies Günther hilfesuchend zur Tür und sagte ängstlich:

      »So fragen Sie dort meine Frau, die wird es Ihnen bestätigen.«

      »Um Gottes willen!« rief Agate »Sie sind verheiratet?« – und als sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatte, fügte sie hinzu: »Von Ihrer Frau ist das Kind freilich nicht.«

      »Ach so!« sagte Günther und ließ seinen Blick teilnahmsvoll auf Agate ruhen. »Ja – dann! das ist natürlich möglich – man ist ja schließlich nur ein Mensch!« – Und da er sich von seinem Gedächtnis diesmal im Stiche gelassen glaubte und sich durchaus nicht erinnern konnte, so trat er nahe an sie heran, suchte in seinen Ton so etwas wie Rührung zu legen und sagte:

      »Es tut mir leid – das heißt: ich freue mich natürlich


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