Teufel Marietta. Artur Landsberger

Teufel  Marietta - Artur Landsberger


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Schönborn wies an Gründen, die überzeugend waren, nach, daß er unmöglich der Vater sein konnte.«

      »Und warum hat sich Marietta damals nicht an mich gewandt?«

      »Seit dem Tage, an dem Graf Schönborn das Kind abgeschworen hatte, ist sie nicht mehr zu uns zurückgekehrt – hat überhaupt nichts mehr von sich hören lassen – nicht ein einziges Mal, auch nur durch einen Dritten nach dem Kinde gefragt – sie soll die ganze Zeit über in Amerika gewesen sein, sagt man.« Und verächtlich fügte sie hinzu: »Eine nette Mutter das!«

      Und Günther, der noch immer in Gedanken war und nur halb hörte, was Agate sprach, sagte:

      »Aber ein Temperament hatte sie!«

      Agate tat, als überhörte sie’s.

      »Das Kind haben wir Schwestern dann mit großer Liebe und Sorgfalt aufgezogen,« fuhr sie fort – »wir lieben es, als wenn es unser eigenes wäre.«

      »Das ist sehr lieb von Ihnen,« erwiderte Günther.

      »Aber was veranlaßt Sie, dies große Geheimnis, das Sie merkwürdigerweise elf Jahre für sich behalten haben, jetzt plötzlich preiszugeben?«

      »Das hat seine guten Gründe,« sagte Agate. »Je älter sie wird, um so mehr kostet ihre Erziehung. Sie ist sehr musikalisch, – hat teure Stunden, – sie spielt Bach und Haydn vom Blatt. Wir wollen Sie also bitten, uns die schweren Opfer zu erleichtern.«

      »Elf Jahre ging’s ohne mich« sagte Günther – »und plötzlich wegen ein paar Klavierstunden . . .? Hören Sie mal, sollte das nicht einen tieferen Grund haben?«

      Agate überlegte einen Augenblick; dann sagte sie:

      »Ja! es hat einen tieferen Grund.«

      »Aha! . . . also bitte!«

      »Diese schreckliche Person ist vor acht Tagen plötzlich wieder in Berlin aufgetaucht.«

      »Waas?« rief Günther und strahlte über das ganze Gesicht – »Marietta! – meine Marietta ist wieder da? Wo ist sie? Ich will sie sehen. Ich will zu ihr.«

      Agate stand entsetzt:

      »Aber um des Himmels willen, Herr Doktor! Das gibt ein Unglück! denken Sie an Ihre Frau!«

      »Und an die Mutter meines armen Kindes soll ich nicht denken?« fragte er. – »Ist das fromm? Ist das christlich?« Er schüttelte den Kopf. »O, ich bin nicht der schlechte, undankbare Mensch, für den Sie mich halten. Ich weiß sehr wohl, was ich der Mutter meines Kindes schulde.« – Und mit Augen, als stände Marietta vor ihm, schwärmte er – »O Marietta! Du hattest die schönsten Beine, und wenn du einem mit deinen dunklen Augen tief bis ins Herz sahst, dann träumte man von südlichen Meeren und italienischen Nächten, und aller Kummer fiel von einem ab.«

      Agate riß ihn aus seinem Traume.

      »Hätte ich doch nur nicht von dieser schrecklichen Person gesprochen!« rief sie. Aber da kam sie bei Günther schlecht an.

      »Ich verbiete Ihnen, in dieser Weise von der Mutter meines Kindes zu sprechen,« sagte er.

      »Sie interessieren sich jedenfalls mehr für die Mutter als für das Kind.«

      »Ich bin ein dankbarer Mensch!« verteidigte sich Günther, »das ist alles!«

      »Dann wäre es vielleicht angebracht,« erwiderte Agate, »Ihren Dank statt bei der Mutter, bei Ihrem Kinde abzutragen.«

      Günthers verdrießliches Gesicht ließ erkennen, daß er diese Ansicht durchaus nicht teilte. Aber Agate wurde jetzt immer bestimmter.

      »Damit Sie’s wissen,« sagte sie, »Ihr Kind schwebt in Gefahr! Marietta sucht es. Man hat schon dreimal in dieser Woche bei mir angefragt, mit Haussuchungen gedroht, mich von Detektivs beobachten lassen. Aber wir Schwestern haben uns geschworen, lieber mit dem Kinde bis ans Ende der Welt zu fliehen, ehe wir es dieser entsetzlichen Person überantworten.«

      »Endlich rücken Sie mit der Wahrheit heraus!« rief Günther – »O, ich verstehe! Sie wollen mit dem Kinde fliehen, es verstecken – es womöglich in ein Kloster schleppen, wo es Zeit seines Lebens von der Welt abgeschlossen bleibt. – Dazu brauchen Sie Geld und deshalb kommen Sie zu mir. Ich, der Vater, soll meine Hand dazu bieten, daß Mutter und Kind sich niemals wiedersehen. – Nein!!« sagte er entschieden, »ich bin kein Barbar! Ich bin kein Undankbarer! ich weiß, was ich der Mutter meines Kindes schulde!«

      Agate rang verzweifelt die Hände. »Sehen Sie denn nicht, daß Sie das Kind ins Unglück stürzen?« rief sie.

      »Durchaus nicht! Es hat mein Blut und das Mariettas und paßt nicht in Ihre, vom Gleichmaß und der Gewohnheit abgestumpfte und verflachte Welt. An der Seite Mariettas wird es die Welt sehen und als freier Mensch sein Leben genießen, statt in dem Bottich eurer Langenweile zu ersticken.«

      »So spricht ein Vater!« rief Agate entsetzt.

      »Jawohl!« und er unterstrich jedes seiner Worte – »und zwar aus vollster Überzeugung! Also, wo ist das Kind?«

      »Augenblicklich steht es draußen und wartet, bis ich es hereinrufe,« erwiderte Agate. Und ehe Günther, dem in Gedanken an seine Frau jetzt doch unbehaglich wurde, noch etwas erwidern konnte, rief sie auf der Flur hinaus:

      »Elisabeth!«

      Und dem verblüfften Vater klang als Antwort auf Agates Ruf zum ersten Male im Leben die Stimme seines Kindes entgegen, das unbefangen rief:

      »Ja, hier bin ich!«

      Und im selben Augenblick stand die kleine Elisabeth auch schon im Zimmer.

      Durchaus nicht ängstlich sah sie zu ihm auf. Fast keck stand sie da und beschaute sich den Papa, während Agate im Gefühl des für Elisabeths Leben bedeutsamen Augenblicks feierlich also zu reden anhob:

      »Endlich ist der Augenblick, nach dem du dich elf Jahre lang gesehnt hast, da, Elisabeth!« Und dabei wies sie auf Günther, der das mehr fühlte als sah und dem es abwechselnd kalt und heiß über den Rücken lief. »Dies da ist dein Papa! . . . Gib ihm die Hand!«

      Elisabeth trat dicht an ihn heran, streckte ihm keck die Hand entgegen und sagte:

      »Na?«

      »Es ist das erstemal, daß sie einem Manne die Hand reicht,« begleitete Agate den feierlichen Vorgang, und Günther, der fühlte, daß er etwas sagen mußte, verzog den Mund und sagte:

      »Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, mein Fräulein.«

      »Heb den Kopf hoch, Elisabeth, und sieh dem Papa ins Gesicht!« sagte Agate.

      »Ich seh ihn ja fortgesetzt an,« erwiderte sie, »aber er sieht immer weg.« Und da Günther noch immer zur Tür sah, so sagte sie sehr bestimmt: »So sieh mich doch an, Papa!«

      Günther drehte mechanisch den Kopf herum und sah sie an. Der Ausdruck seines Gesichts war wohl etwas eigentümlich; jedenfalls lachte Elisabeth. Eine Verlegenheitspause entstand, dann sagte Günther:

      »Elisabeth heißen Sie also – was für ein hübscher Name! nur ein bißchen lang – finden Sie nicht? Wenn man’s grad eilig hat,« und er zergliederte: »Eli-sa-beth.«

      »Sag dem Papa« – bei dem Wort fuhr Günther zusammen und sah zur Tür – »nach wem du deinen Namen trägst.«

      »Das wird er ja selber wissen.«

      Doch Günther bekannte:

      »Nein! ich weiß es nicht!« worauf Elisabeth erwiderte:

      »Nach Elischéba.«

      »Sieh mal an!« sagte Günther, obschon er keine Ahnung hatte, was das bedeuten sollte.

      »Und wer war Elischéba!« fragte Agate.

      »Die Frau des Priesters Zacharias und die Mutter Johannes!«

      »Und die Frau des Priesters Zacharias ist meine Tochter,« platzte Günther heraus und dachte sich: »Das hätte mir heut früh beim Aufstehen einer sagen sollen.«

      Aber er war sich klar, daß hier etwas geschehen mußte,


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