Teufel Marietta. Artur Landsberger

Teufel  Marietta - Artur Landsberger


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der Mund vor allem!« wiederholte er, »so etwas vergißt sich nicht!«

      »Herr Doktor, Sie mißverstehen noch immer!« fiel ihm Agate ins Wort. »Ich bin nicht die Mutter Ihres Kindes. Ich wiederhole Ihnen: ich bin die Oberschwester des Heims Caritas. Aber Ihr Kind befindet sich seit elf Jahren bei uns in Pflege.«

      »Was!« rief Günther. »Seit elf Jahren? – Ja, ich bin doch kein Greis. Wie kommen Sie denn darauf, daß ich der Vater sein soll? Das junge Mädchen kann es Ihnen doch unmöglich erzählt haben.«

      »Die Mutter hat es erklärt!« erwiderte Agate.

      »Wo ist die Mutter? Wer ist die Mutter? Das soll sie mir ins Gesicht sagen!« sagte er erregt.

      »Das geht leider nicht.«

      »Aha!« rief er, »das habe ich mir gedacht!«

      »Weil kein Mensch weiß, wo in der Welt sie sich augenblicklich herumtreibt; – vielleicht sieht man sie nie wieder. Ich hoffe das im Interesse des Kindes sogar von Herzen.«

      »Sie scheinen Ihrer Sache also nicht ganz sicher zu sein« sagte Günther.

      »Wieso?«

      »Nun, weil Sie sich die einzige klassische Zeugin aus der Welt wünschen. – Ihnen müßte doch grade daran liegen, sie hier zu haben, sie mir gegenüberzustellen. Oder glauben Sie etwa, daß auch nur ein Richter der Welt lediglich auf Ihre Angaben hin das Kind mir aufbürdet?«

      »Aber Sie werden doch nicht den Versuch machen zu leugnen?«

      »O ja! das werde ich allerdings tun! – Darauf können Sie sich verlassen! – Da könnte ja sonst alle Tage jemand kommen und mir ein Kind einreden.«

      »Und wenn ich Ihnen nun beweise, daß das Kind Ihnen gehört?« sagte Agate.

      Günther schüttelte den Kopf:

      »Derartiges läßt sich mit Bestimmtheit überhaupt nicht beweisen.«

      »Aber ich bitte Sie . . .«

      »Das einzige wäre der Eid der Mutter. In unserm Falle ist die Frau Mama nicht da – wird hoffentlich – und darin begegnen sich unsre Wünsche – nie da sein; – ich wüßte also wirklich nicht, auf welche Weise Sie den Nachweis für meine . . .«

      Agate, die immer erregter wurde, fiel ihm ins Wort:

      »So lassen Sie sich doch wenigstens den Hergang erzählen,« sagte sie.

      »Die Schöpfungsgeschichte kenne ich,« sagte Günther, »wenn meine Ehe auch kinderlos geblieben ist.«

      Aber Agate ging auf den Scherz nicht ein.

      »Herr Doktor, das Leben und die Zukunft eines Kindes ist doch zu ernst . . .«

      »Gewiß« unterbrach sie Günther »und eben darum will ich auch nicht leichtfertig die Stellung eines Vaters übernehmen.«

      »So hören Sie doch endlich, wer die Mutter ist. Es war im März neunzehnhundert.«

      Günther biß die Lippen aufeinander, kniff die Augen zusammen und überlegte:

      »Lassen Sie mich raten!« sagte er. »Das ist ganz lustig! . . . März neunzehnhundert . . . vor elf Jahren, wo war ich da? – richtig! in München! natürlich! das tolle Jahr! – Weiß der Himmel . . . gar die schwarze Lina, die Kellnerin aus dem Café Plendel?

      »Nein!« erwiderte Agate.

      »Hm!« meinte Günther – »schade!« – und dachte, daß das am Ende eine ganz nette Art gegeben hätte.

      Er sann weiter und sagte: »Dann kann es nur – wie hieß sie doch gleich . . . die blasse Wirtstochter mit den großen schwarzen Augen, die immer »gel, du tust mir nix?« sagte, wenn ich sie auszog.«

      Agate war entsetzt; aber sie ließ es nicht merken und sagte nur:

      »Die war es auch nicht!« und als Günther einen dritten Namen nannte, der auch nicht der rechte war, da schlug sie die Hände zusammen und rief:

      »Allmächtiger! waren es denn so viele?«

      »Fragen Sie garnicht!« erwiderte Günther – »noch mehr!«

      »Ja, aber kann man denn gleichzeitig so viele Frauen lieben?«

      »Ach ja!« erwiderte Günther treuherzig. »Ich wenigstens kann’s.«

      Agate sah beschämt zur Erde.

      »Ich habe zwar noch nie einen Mann geliebt,« sagte sie, »aber das sagt mir doch mein Gefühl, daß ich unmöglich zur selben Zeit mehrere Männer lieben könnte.«

      »Das habe ich auch gedacht im Anfang,« erwiderte Günther – »aber das lernt sich« – und plötzlich sprang er auf und rief vergnügt: »Ich hab’s!«

      »Was haben Sie?« fragte Agate.

      »Jetzt weiß ich! März neunzehnhundert! Natürlich! Marietta! Marietta Oceana!! die schöne Zirkusreiterin.«

      »Ja!« sagte Agate »Sie ists! – und Sie hatten sie lieb damals, nicht wahr? und werden daher auch ihr Kind lieb haben.«

      Aber Günther, der jetzt in der Erinnerung an Marietta lebte, hatte keinen Gedanken mehr für das Kind.

      »Diese entzückende, tolle Marietta!« rief er. »Ich sehe sie noch vor mir, als wenn es heute wäre! Ich lernte sie in der Odeonbar nach einem Kostümfest kennen; sie saß in einem prachtvollen Rokokokostüm auf dem Schoße ihres Anbeters, eines Grafen Schönborn – das heißt, in Wahrheit lag sie mehr.«

      »Entsetzlich!« rief Agate und hielt sich die Hände vor die Ohren – »aber das sieht ihr ähnlich!«

      Günther widersprach:

      »Nee, nee, lassen Sie nur, es war eine reizende Puppe; die Röckchen reichten ihr kaum bis an die Knie! und die Beine! sie hatte die schönsten Beine, die ich je gesehen habe, diese Marietta!«

      Agate wandte sich ab:

      »Ich bitte Sie, Herr Doktor, es bedarf dieser detaillierten Schilderungen nicht!«

      »Doch, doch, das bin ich ihr schuldig! wahrhaftig, ich glaube, wenn ich sie heute wiedersähe, ich fänge gleich wieder von neuem an.«

      »Aber Herr Doktor!« rief Agate entsetzt. »Sie sind doch verheiratet.«

      »Gewiß! Aber diese Frau hat ein Kind von mir.«

      »Ein reizendes Kind!« bestätigte Agate.

      Aber Günther war längst schon wieder bei Marietta. Die Augen halb geschlossen, brabbelte er vor sich hin:

      »Ich weiß noch, wie ich um sie rang, – es war nicht einfach – Schönborn war Graf, reich und dumm; kurzum, er besaß alle Eigenschaften, die einen Mann bei Frauen begehrenswert machen. Aber es gelang mir doch! Und schon am nächsten Mittag traten wir beide unsere Hochzeitsreise nach dem Rhein an.«

      »Wie?« rief Agate beglückt. »Sie haben sie geheiratet?«

      »Wen? – die Marietta? – wie kommen Sie darauf?« erwiderte Günther.

      »Sie sprachen doch eben von Ihrer Hochzeitsreise.«

      »Ach so!« erwiderte Günther. »I bewahre. Derartige Hochzeitsreisen habe ich öfters gemacht.«

      Agate wandte sich ab:

      »Entsetzlich!«

      »Sagen Sie das nicht,« widersprach Günther. »Ich werde diese zwei Monate, so lange ich lebe, nicht vergessen! Die Frau besaß ein Temperament! – Und Sie haben keinen Schimmer, wo sie augenblicklich ist?« Agate sagte ohne aufzusehen:

      »Nein!«

      Günther lebte sich mehr und mehr in die Vergangenheit hinein:

      »Gewiß ist sie noch immer schön!« meinte er.

      »Möglich!« erwiderte Agate.

      »Ich muß sie wiedersehen!« rief er leidenschaftlich. »Sie müssen dafür sorgen, Schwester!«

      »Ich bin nicht der Mutter, sondern des Kindes wegen hier,« gab sie zur Antwort.

      »Richtig!


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