Deportiert auf Lebenszeit. Marcus Andrew Hislop Clarke

Deportiert auf Lebenszeit - Marcus Andrew Hislop Clarke


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das ganze Geheimniß der Verlassenheit. Die Schiffsmannschaft war bei dem Ausbruch des Feuers in die Boote geflüchtet und hatte das todbringende Schiff seinem Schicksal überlassen. Sie waren wohl schon viele Meilen entfernt und hatten unglücklicher Weise eine andere Richtung eingeschlagen, als die, in welcher für sie Rettung zu finden war.

      Die Boote flogen durch das Wasser. So eifrig sie vorher gewesen waren, um so eifriger waren sie jetzt, um zu entkommen. Die Flammen hatten gerade jetzt das Hintertheil erreicht. In wenigen Minuten wäre es zu spät für sie gewesen.

      Zehn Minuten lang sprach Niemand ein Wort. Mit angestrengten Muskeln und keuchender Brust arbeiteten die Männer an ihren Rudern, ihre Augen auf die feurige Masse gerichtet, von der sie sich schnell entfernten. Frere und Best, den Blick ebenfalls auf den Gegenstand des Schreckens gerichtet, feuerten die Leute zu größerer Eile an. Schon leckten die Flammen an der Flagge und hatten die Verzierungen am Stern erreicht.

      Noch ein Augenblick und Alles wird vorüber sein! Jetzt ist es so weit.

      Ein dumpfes Rollen; das brennende Schiff barst auseinander. Eine Feuersäule, von schwarzen Massen unterbrochen, die aus Planken und Stangen bestanden, hob sich hoch über den Ocean. Es gab einen Furchtbaren Krach, als ob Himmel und Erde einstürzten. Dann stieg ein mächtiger Wasserberg auf, fiel zusammen, erreichte die Boote, wogte vorüber und sie waren allein – betäubt, entsetzt, athemlos in der fürchterlichen Finsterniß und in dem Todesschweigen.

      Das Zusammenstoßen der letzten Ueberreste im Wasser erweckte sie aus ihrer Erstarrung. Da fuhr das blaue Licht vom Malabar in die Höhe und bezeichnete ihnen den Weg. Jetzt wußten sie, daß sie in Sicherheit waren.

* * *

      Auf dem Deck des Malabar gingen zwei Männer unruhig auf und nieder und erwarteten den Tagesanbruch.

      Endlich kam er. Der Himmel wurde licht, der Nebel zerging und ein bleicher Streifen zeigte sich am Horizont.

      Bald blitzte das Wasser, die See veränderte die Farbe, aus schwarz wurde gelb, aus gelb ein leuchtendes Grün. Der Mann im Mastkorb rief die Männer auf Deck. Die Boote waren in Sicht, und wie sie sich nun langsam dem Schiffe näherten und das Wasser unter den im Takt sich bewegenden Rudern aufleuchtete, wurden sie von den eifrig ausschauenden Schiffsleuten mit Hurrah und Mützenschwenken begrüßt.

      »Keine Seele,« rief Blunt. »Niemand als sie allein. Nun ich bin froh, daß sie glücklich wieder da sind.«

      Die Boote legten bei, und in wenigen Sekunden war Frere auf Deck.

      »Nun, Mr. Frere?«

      »Nichts,« sagte Frere, sich schauernd. »Wir hatten gerade Zeit genug, um wieder abzukommen. Um ein Haar hätten wir daran glauben müssen, Sir.«

      »Sahen Sie Niemand?«

      »Keine Seele. Sie müssen sich in die Boote gerettet haben.«

      »Dann können sie nicht weit gekommen sein,« rief Blunt und bestrich den Horizont mit seinem Glas.

      »Sie müssen die ganze Zeit gerudert haben, denn es ist nicht genug Wind gewesen, um einen hohlen Zahn damit zu füllen.«

      »Vielleicht haben sie eine falsche Richtung genommen, « sagte Frere. »Sie waren uns wohl vier Stunden voraus.«

      Dann kam Best und erzählte den begierigen Zuhörern die ganze Geschichte. Die Matrosen hatten die Boote aufgehißt und festgemacht und eilten auf das Vorderkastell, um zu essen und zu trinken und dazwischen erzählten sie ihre Erlebnisse. Die vier Gefangenen wurden hinabgebracht und wieder eingesperrt.

      »Sie sollten lieber hinuntergehen, Frere,« sagte Pine ärgerlich. »Es hilft nichts, hier den ganzen Tag zu stehen und nach Wind zu pfeifen.«

      Frere lachte lustig. »Ja, das will ich. Ich bin hundemüde und so schläfrig wie eine Eule.« Damit stieg er in seine Kajüte hinab.

      Pine ging noch einige Male auf dem Deck auf und ab, dann Blunt’s Blick auffangend, stand er gerade vor Vickers still.

      »Vielleicht erscheint es Ihnen hart, Kapitain Vickers, wenn ich es sage, – aber es ist recht gut, wenn wir diese armen Teufel nicht finden. Wir haben genug mit uns selbst zu tun.«

      »Was meinen Sie damit, Pine?« sagte Vickers und seine menschlichen Gefühle gewannen die Oberhand über seine Förmlichkeit. »Wir werden doch die Unglücklichen nicht ihrem Schicksal überlassen ?«

      »Vielleicht,« erwiderte der Andere, »würden Sie es uns nicht danken, wenn wir sie aufnähmen.«

      »Ich verstehe Sie nicht.«

      »Das Fieber ist ausgebrochen.«

      Vickers zog seine Augenbrauen in die Höhe. Er hatte keine Erfahrung in solchen Dingen und obgleich die Nachricht recht unangenehm war, so erklärte sich die Sache doch durch die Ueberfüllung an Bord. An Gefahr für sich und die Seinen dachte er nicht.

      »Das ist ein großes Unglück , aber Sie werden doch solche Maßregeln treffen —«

      »Bis jetzt ist es nur im Gefängnis,« sagte Pine mit besonderem Ausdruck, »aber wer kann sagen, wie lange es sich darauf beschränkt. Drei Männer sind schon unten.«

      »Gut, Herr. Die Sache liegt ganz in Ihren Händen. Alles, was Sie wünschen, soll geschehen. Ich will thun, was ich kann.«

      »Danke. Vorerst muß ich mehr Raum für das Hospital haben. Die Soldaten müssen sich behelfen.«

      »Ich will sehen, was geschehen kann.«

      »Sie sollten Ihre Frau und Ihr kleines Mädchen so viel wie möglich auf Deck bleiben lassen.«

      Vickers erbleichte, als Pine seines Töchterchens erwähnte.

      »Himmel, glauben Sie, daß es Gefahr gibt?«

      »Natürlich ist Gefahr für uns Alle vorhanden, aber mit Achtsamkeit kann man ihr entgehen. Da ist das Mädchen. Sagen Sie ihr, sie soll mehr für sich bleiben. Sie treibt sich überall im Schiff herum. Das gefällt mir nicht. Ansteckung verbreitet sich leicht und Kinder sind ihr mehr ausgesetzt, als Erwachsene.«

      Vickers biß die Lippen zusammen. Dieser alte Mann mit seiner harten Stimme und seiner fürchterlichen Klarheit erschien ihm wie ein Vogel von böser Vorbedeutung.

      Blunt, der sich bisher schweigend verhalten hatte, wagte jetzt ein Wort zur Vertheidigung der Abwesenden.

      »Das Mädchen thut nichts Unrechtes, Pine. Was ist’s mit ihr.«

      »O mit ihr ist nichts, sicher nicht. Sie wird nicht angesteckt werden, weniger als Einer von uns. Man kann ihr die Lebensfähigkeit am Gesicht ansehen. Sie hat neun Leben wie die Katzen. Aber sie kann die Ansteckung leichter verbreiten, als irgend ein Anderer.«

      »Ich gehe, – ich will gleich zu ihr,« rief Vickers und wandte sich ab.

      Das Mädchen, von dein sie so eben gesprochen, begegnete ihm an der Kajütstreppe. Ihr Gesicht war bleicher als gewöhnlich und dunkle Ränder um die Augen sprachen von schlaflos verbrachter Nacht. Sie öffnete ihre Lippen, um zu sprechen, hielt aber zurück, als sie Vickers sah.

      »Was gibts ?«

      Sie blickte von ihm zu den Andern.

      »Ich wollte zu Dr. Pine.«

      Vickers errieth mit dem schnellen Verständnis der Liebe ihr Vorhaben.

      »Jemand ist krank ?«

      »Ja, Herr; Fräulein Sylvia. Ich glaube, es ist nichts. Sie hat etwas Fieber und ist sehr heiß und Mrs. Vickers —«

      Vickers eilte mit verstörtem Gesicht die Treppe hinab.

      Pine faßte des Mädchens Arm hart an. »Wo sind Sie gewesen?«

      Zwei feuerrothe Flecken zeigten sich auf ihren bleichen Wangen und sie blickte Blunt ärgerlich an.

      »Pine, lassen Sie das Mädchen zufrieden.«

      »Sind Sie gestern Abend bei dem Kinde gewesen?« fuhr Pine fort, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden.

      »Nein, ich bin seit gestern Mittag nicht in der Kajüte gewesen. Mrs. Vickers rief mich gerade jetzt herein. Lassen Sie meinen Arm los, Herr,


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