Deportiert auf Lebenszeit. Marcus Andrew Hislop Clarke

Deportiert auf Lebenszeit - Marcus Andrew Hislop Clarke


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das Hinterdeck hinauf. Nichts hatte sich seit gestern verändert. Die Waffen der Schildwachen blitzten ebenso in dem erbarmungslosen Sonnenschein, das Schiff rollte und knarrte, auf den breiten Wogen sich schaukelnd und die Hürde der Gefangenen auf dem unteren Vorderdeck war eben so belebt wie sonst. Dieselben matten, traurigen Gestalten saßen und standen dort wieder in denselben verschiedenen Stellungen. Selbst Mr. Maurice Frere, der sich von seinen nächtlichen Anstrengungen ausgeruht hatte, lag grade wieder in derselben Stellung auf dem zusammengerollten Tau.

      Und doch hatte das Auge eines scharfen Beobachters einen Unterschied entdecken können in dieser äußerlichen Gleichheit. Der Mann am Ruder blickte eifriger als sonst auf den Horizont und spie in das rauschende, ungesund düster aussehende Wasser mit niedergeschlagenerer Miene als sonst. Die Angelleinen hingen noch eben so von den Katzenköpfen herunter, aber Niemand sah danach. Die Soldaten und Matrosen, welche zu Zweien und Dreien auf dem Vorder-Kastell beisammen saßen, schienen nicht einmal Lust zum Rauchen zu haben, sondern starrten einander düster und verstimmt an. Vickers saß in der Kajüte und schrieb; Blunt war in seiner Kajüte und Pine war unter ihm mit zwei Tischlern beschäftigt, einige Verbesserungen für das Hospital zu treffen. Das Geräusch von Axt und Hammer klang düster in die Kajüte der Soldaten hinüber. Es war, als ob sie einen Sarg machten.

      Im Gefängnis war es auffallend ruhig; es herrschte die Stille dort, die dem Gewitter vorangeht und die Deportierten auf Deck erzählten sich keine Geschichten heute, lachten nicht über zweideutige Witze, sondern saßen düster und schweigsam bei einander, als ob sie auf etwas warteten. Drei Mann waren krank geworden: zwei Gefangene und ein Soldat waren der Krankheit verfallen, seit Rufus Dawes in’s Hospital gebracht worden. Obgleich sich bis jetzt noch grade kein panischer Schrecken verbreitet hatte, so war doch dem Gesicht jedes Einzelnen – Soldaten, Matrosen oder Gefangenen ein eigenthümlicher Ausdruck der Erwartung ausgeprägt, als ob Alle daran dächten, wer nun zunächst an der Reihe sein würde. Ein fürchterlicher Schatten war auf das Schiff gefallen, das wie ein verwundetes Thier ruhelos von einer Seite zur andern schwankte über der durchsichtigen Tiefe des stillen, weiten Meeres.

      Der Malabar war wie in eine elektrische Wolke eingehüllt, deren düstere Schwere durch einen einzigen Funken in ein Feuermeer verwandelt werden konnte.

      Die Frau, welche in ihrer Hand die beiden Enden der Kette hielt, welche den Funken hervorbringen sollte, kam auf das Deck und nachdem sie sich umgeblickt hatte, lehnte sie sich gegen das Schanzbord und blickte hinunter in die Barrikade. Wie schon gesagt wurde, standen und saßen die Gefangenen zu Vieren und Fünfen beisammen und ihr Blick lenkte sich auf eine besondere Gruppe. Drei Männer, nachlässig gegen die Schanzkleidung gelehnt, bewachten jede ihrer Bewegungen.

      »Da ist sie; – ganz richtig,« sagte der praktische Schnüffler.

      »Geduld ist eine Tugend, mein sehr edler Knöchler,« sagte die Krähe mit einer Gleichgültigkeit, die nur geheuchelt war. »Gebt dem Mädchen Zeit.«

      »Verdammt, wenn ich noch länger warte,« sagte der Riese und biß sich in seine dicken, blauen Lippen. Hier wird man so Tag für Tag hingehalten und muß nach der Pfeife der Dirne tanzen, wie ein abgerichteter Hund. Das Fieber ist an Bord und wir haben Alles bereit. Wozu noch warten? Zeichen oder keine Zeichen, – ich bin dafür, das Geschäft anzufassen! – Da seht,« fügte er hinzu, als die Gestalt von Maurice Frere an der Seite des Kammermädchens erschien und die Beiden auf dem Deck zusammen umkehrten.

      »Es ist Alles in Ordnung, Du verdammter Kerl ,« schrie die Krähe, die Geduld verlierend über seinen hartnäckigen, dummen Kameraden. »Wie kann sie uns das Zeichen geben, wenn sie den Kerl neben sich hat?« Gabbett‘s einzige Antwort auf diese Frage war ein wildes Grunzen und eine erhobene, geballte Faust, die Mr. Vetch in großer Eile in die Flucht schlug. Der Riese folgte ihm nicht und Vetch, seine Arme übereinander schlagend, nahm eine Stellung verächtlicher Ueberlegenheit an und wandte Sara Purfoy seine Aufmerksamkeit zu. Sie schien ein Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit zu sein, denn in diesem Augenblick lief ein junger Soldat die Vorderkastelltreppe hinauf und richtete gespannt seinen Blick auf sie. Maurice Frere war hinter ihr her gegangen und hatte ihre Schulter berührt. Seit ihrer Unterhaltung am vorigen Abend, hatte er sich vorgenommen, er wolle sich nicht länger narren lassen. Das Mädchen spielte augenscheinlich mit ihm und er wollte ihr zeigen, daß er das nicht länger duldete.

      »Nun Sara?«

      »Nun, Mr. Frere?« sagte sie, ließ ihre Hand herunter hängen und wandte sich lächelnd zu ihm.

      »Wie gut sehen Sie heute aus, ganz reizend!«

      »Das haben Sie mir schon recht oft gesagt,« sprach sie und schmollte. »Haben sie mir gar nichts Neues zu sagen?«

      »Nur, daß ich Sie liebe.« Dies wurde sehr leidenschaftlich herausgestoßen.

      »Das ist auch nichts Neues. Das weiß ich.«

      »Verdammt, Sara, was soll ich denn thun?« Seine Verderbtheit ließ ihn ganz im Stich. »Wozu spielen Sie immer Versteck mit mir ?«

      »Sie sollten sich besser helfen können in solcher Lage, Mr. Frere. Ich habe Sie nicht gebeten, sich in mich zu verlieben. Wenn Sie mir nicht gefallen, ist das etwa nicht Ihr Fehler ?«

      »Was meinen Sie ?«

      »Sie Soldaten, Sie haben an so viele andre Dinge zu denken, an Wachen und Inspektion und Schildwachen und Andres und haben gar keine Zeit für unsereins übrig.«

      »Keine Zeit übrig,« rief Frere. »Verdammt, Sie haben nichts für mich übrig. Ich wäre schnell genug dabei, wenn das Alles ist ?«

      Sie senkte ihre Blicke und ein bescheidenes Erröthen flog über ihre Wangen. »Ich habe so viel zu thun,« sagte sie. »So viele Augen sehen auf mich; ich kann mich nicht rühren, ohne daß es bemerkt wird,« flüsterte sie.

      Sie hob ihr Gesicht und um ihren Worten mehr Nachdruck zu geben, blickte sie rings auf dem Deck umher. Ihr Blick traf den des jungen Soldaten auf dem Vorderkastell und wenn die Entfernung auch zu groß war, um die Züge zu unterscheiden, so erkannte sie doch, daß es Miles und daß er eifersüchtig war.

      Frere lächelte entzückt über ihre veränderte Manier und näherte sich ihr mehr und mehr und flüsterte etwas in ihr Ohr. Sie that, als ob sie erschrecke und wechselte bei der Gelegenheit einen Blick mit der Krähe.

      »Ich will um acht kommen,« sagte sie mit bescheiden abgewandtem Gesicht.

      »Um acht Uhr ist Ablösung,« sagte er mahnend.

      Sie warf ihren Kopf zurück . . . »Gut, dann sehen Sie nach Ihrer Ablösung; ich mache mir nichts daraus.«

      »Aber Sara, bedenke —«

      »Als wenn man bedenkt, wenn man liebt.« rief sie und warf ihm einen brennenden Blick zu, der in der That auch kältere Männer als Frere erweicht hätte.

      – Also sie liebte ihn! Was für ein Narr, wenn er sie jetzt zurückwiese. Das Erste war doch, daß sie einwilligte zu kommen. Wie seine Pflicht mit seinem Vergnügen in Einklang zu bringen wäre, das konnte er ja noch immer überlegen.

      Ueberdies konnte die Ablösung auch dies eine Mal ohne seine Revision fertig werden.

      »Gut, also um acht, Liebste.«

      »Still,« sagte sie.

      »Hier kommt der dumme Kapitain.«

      Und da Frere sie verließ, wandte sie sich um und ihre Augen fest au die Barrikade der Deportierten gerichtet, ließ sie ihr Taschentuch, das sie in der Hand hielt, grade über die Hinterdeckreeling fallen. Es fiel genau vor die Füße des verliebten Kapitains und mit schnellem Blick auf sie, hob es der würdige Herr auf und brachte es ihr.

      »O danke, Kapitain Blunt,« sagte sie und ihre Augen sagten mehr, als ihre Zunge.

      »Haben Sie das Laudanum genommen ?« flüsterte Blunt mit Augenblinken.

      »Etwas,« sagte sie. »Ich will heute Abend die Flasche zurückbringen.«

      Blunt ging davon, lustig pfeifend und begrüßte Frere mit einem Schlag auf den Nacken. Die Beiden lachten, Jeder über seine eignen Gedanken, aber ihr Gelächter ließ ihre ganze Umgebung noch trostloser erscheinen als vorher.

      Sara


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