Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
in die Lippen. Als Frau Beate den Arm um sie legte, merkte sie, wie sehr die junge Frau zitterte.
»Jetzt mal Haltung, Elonie. Oder willst du uns allen die Weihnachtsfeier verderben?«
»Nein, Tante Beate, nein!«
»Na siehst du. Brauchst nichts weiter zu tun, als deinen Mann freundlich zu begrüßen. Alles andere findet sich dann von selbst.«
Mehr konnte sie nicht sagen, da die anderen sichtbar wurden. Der Gast legte die Päckchen ab, trat auf sie zu und neigte sich über ihre Hand.
»Verzeih mein formloses Eindringen, Tante Beate«, klang seine sonore Stimme auf. »Ich nahm an, daß um diese Zeit die Bescherung vorüber sein müßte, sonst wäre ich nicht gekommen.«
Langsam wandte er sich seiner Gattin zu, und in seinen Augen blitzte es überrascht auf. Zwar hatte die Tante ihm in ihren kargen Berichten mitgeteilt, daß Elonie sich gut herausgemacht hätte, doch daß es so grundlegend geschehen war, damit hatte er nicht gerechnet.
»Guten Abend, Elonie«, begrüßte er sie freundlich. »Ich freue mich, dich so frisch und munter vor mir zu sehen. Ganz wunderbar hast du dich herausgemacht. »
»Das hat sie«, bestätigte der Arzt schmunzelnd. »Und nun wollen wir zusehen, daß wir endlich zu unserer Bescherung kommen.«
*
Birgit sagte zuerst das obligate Weihnachtsgedicht auf, durch das sie leidlich kam, weil Elonie hinter ihr stand und soufflierte. Dann machte sich das reizende Persönchen wichtig, indem es am Flügel Platz nahm und sich umständlich zurechtsetzte. Zuerst wollten die Fingerchen nicht so recht, griffen ständig daneben, bis sie sich beruhigt hatten und fast fehlerfrei über die Tasten glitten. Da erst setzte die Geige ein, die unter den zarten Händen sang und klang.
Niemand – außer der kleinen Itt – hatte bisher gewußt, daß Elonie Geige spielen konnte, auch der Gatte nicht. Wie gebannt hingen die Blicke aller an der hellgekleideten Gestalt, die lässig am Flügel lehnte und den Geigenbogen mit sicherer Hand führte. Feierlich klangen die weichen Töne der alten und doch immer wieder neuen Weihnachtslieder durch das Gemach. Zart läutete das Glockenspiel hinein, das sich auf der Tannenspitze drehte. Die Kerzen verströmten ihren milden Schein, das Flitterwerk am Baum klirrte leise. Es war eine Atmosphäre, die das Herz aufgehen ließ.
Nachdem der letzte Ton verklungen war, sprang Birgit auf und nahm stolz das Lob entgegen, das man ihr reichlich spendete. Dann kam Elonie an die Reihe, die lachend abwehrte.
»Die einfachen Lieder zu spielen, war nun wahrlich keine Kunst.«
»Warum hast du uns verschwiegen, daß du Geige spielen kannst?«
»Spielen ist dafür ein zu hochtrabendes Wort, Tante Beate. Nennen wir es ein bißchen herumstümpern. Ich nahm als Backfisch Stunden, weil ich mir einbildete, Talent zu haben. Von dem Wahn wurde ich langsam geheilt, gab nach zwei Jahren die Stunden auf und legte die Geige ad acta, die dann später wohl mit in die Versteigerungsmasse kam.«
»Und woher hast du dieses Instrument?« forschte Beate weiter.
»Ich kaufte es, um Itt beim Spiel zu begleiten. Wir übten heimlich als Überraschung, die uns ja auch gelungen ist.«
»Kann man wohl sagen. Aber nun wollen wir mal sehen, was alles das Christkind uns beschert hat.«
Und somit war man für die nächste halbe Stunde untergebracht. Jeder hatte sich bemüht, dem anderen Wünsche abzulauschen und diese nach Möglichkeit zu erfüllen. Es gab einen fröhlichen Tumult, wie ihn der Gast noch nicht erlebte.
Natürlich hatte er als Kind reicher Eltern alles bekommen, was er sich nur wünschte. Er hatte aber nie rechte Freude darüber empfunden, hatte alles als selbstverständlich hingenommen.
Genauso wie das vergötterte Töchterchen es tat, das so maßlos verwöhnt wurde von den vernarrten Eltern. Der Gatte setzte dann diese Verwöhnung fort, was ihm gnädigst gestattet wurde. Jedenfalls hatte er seine Frau noch nie so gesehen wie heute.
Wie ein fremdes Wesen kam sie ihm vor in ihrer strahlenden Freude. Von allen wurde sie umarmt, gestreichelt und geküßt. Selbst von dem Herrn Studiosus, dem sie mit der kostspieligen Kamera einen langersehnten Wunsch erfüllt hatte. Sie schien sich hier ganz als Kind des Hauses zu fühlen, mit allen ein Herz und eine Seele zu sein.
»So, Diederich, jetzt habe ich endlich auch für dich Zeit.« Die Tante ließ sich aufatmend ihm gegenüber nieder. »Das übermütige Völkchen kann einen schon in Atem halten. Was sagst du zu Elonie?«
»Ich erkenne sie nicht wieder. Was hast du nur angestellt, aus dem verstockten Geschöpf ein so frischfröhliches zu machen?«
»Dazu haben wir alle beigetragen, doch am meisten tat es wohl unser harmonisches Familienleben. Aha, da ist Fritzchen mit der Weihnachtsbowle. Wer Durst hat, der finde sich ein.«
Das taten sie alle, bis auf Else. Sie packte ihre reichlichen Geschenke in die Schürze, bedankte sich und zog strahlend von dannen. Huschchen brachte einen Knabberteller, Knut sorgte für Gläser, die er auch füllte, und vergnügt prostete man sich zu.
Dann folgte die zweite Bescherung, die der Gast bereitete, indem er jedem ein mit Namen versehenes Päckchen überreichte. Selbst an Huschchen hatte der Mann gedacht, was ihm hoch angerechnet wurde.
Lächelnd sah er zu, wie man die unverhofften Gaben auspackte, und die erste, die ihr Entzücken kundtat, war die kleine Itt. Und zwar über die Spieluhr mit dem reizenden Schneewittchen, das bei jedem vollen Glockenschlag von den sieben Zwergen umtanzt wurde. Beim zwölften Schlag trat sogar der Königssohn in Erscheinung.
Auch Beate betrachtete entzückt ihre Uhr unter dem Glassturz. Da tanzte ein zierliches Rokokopärchen nach den silbernen Klängen eines Menuetts.
Der Arzt besah sich schmunzelnd einen Brieföffner von alter, wertvoller Arbeit, sein Sohn berauschte sich an dem Anblick eines goldenen Zigarettenetuis, das bescheidene Huschchen bestaunte andachtsvoll eine aus feinstem Leder gearbeitete Briefmappe nebst Inhalt, und Elonie hielt ein Pelzjäckchen in Händen, weich, mollig, federleicht. Alle Gaben stammten aus fernen Ländern, die große Freude verursachten. Nur das Jäckchen tat es nicht. Dafür erhielt der spendable Geber keinen Dank.
Um so herzlicher fiel der aller anderen aus. Hände streckten sich dem Mann entgegen, von Birgit wurde er sogar umhalst und geküßt.
Nachdem der frohe Tumult sich gelegt hatte, hob man die Gläser und trank auf das Wohl des noblen Spenders. Auch Elonie tat es mit – gezwungenermaßen –, wie sie ja so manches tun mußte, seitdem sie im Doktorhaus weilte, wo selbst von dem zehnjährigen Kind ein artiges Benehmen verlangt wurde, viel mehr denn von einem erwachsenen Menschen.
*
Es war am anderen Morgen um zehn Uhr, als Diederich Brendor das Frühstückszimmer betrat, wo er eine fröhlich schmausende Gesellschaft vorfand. Elonie sowie die beiden Kinder des Hauses hatten bereits eine Skitour hinter sich. Birgit hatte heute auf den Brettern, die sie nebst dem Dreß gestern beschert erhielt, ihr Debüt gegeben und war über das Ereignis immer noch aufgeregt.
»Elo sagt, daß ich gar nicht so viel gefallen bin«, berichtete sie eifrig. »Sie hätte sich ungeschickter angestellt, und jetzt läuft sie wunderbar. Bedeutend besser als Knut.«
»Das tut sie«, gab er neidlos zu, dabei nach dem Schinkenbrötchen angelnd, das auf der Base Teller lag.
»Frech wie gewöhnlich«, lachte sie ihn an. »Aber du kannst ja nichts dafür.«
»Nein.« Er nickte zustimmend. »Was du ererbt von deinen Vätern...«
»Jetzt hör aber auf, du Schlingel«, drohte der Vater ihm lachend. »Ich bin in deinem Alter noch ein schüchterner Jüngling gewesen. Stimmt das, teures Weib?«
»Keine Ahnung, da ich dich damals noch nicht kannte.«
»Aber du glaubst es?«
»Unbedingt.«
Der Gast lauschte amüsiert dem lustigen