Das tödliche Spiel. Stefan Bouxsein

Das tödliche Spiel - Stefan  Bouxsein


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will keinen Wurm, ich will Käsebrötchen.«

      »Sag das nicht mir, sag das dem Außenseiter.«

      Till schaute zu Siebels. »Ich will Käsebrötchen.«

      Siebels schaute kopfschüttelnd zu Charly. »Er glaubt tatsächlich, ich wäre der Außenseiter.«

      »Wer ist denn der Außenseiter?«, fragte Till. »Der Herr Staatsanwalt?«

      »Nee, der ist Insider«, belehrte ihn Siebels. »Der Außenseiter ist der, der nicht singend durch die Straßen tanzt.«

      »Aha. Ihr zwei habt euch heute Morgen doch mit dem Hammer geföhnt. Ich hole mir jetzt mein Käsebrötchen.«

      »Bring mir auch eines mit«, bat Siebels. »Ich warte unten im Wagen auf dich. Wir haben anscheinend einen neuen Fall.«

      Der Lerchesberg im südlichen Sachsenhausen galt als Wohngegend für die besser betuchten Frankfurter Mitbürger. Siebels brauchte nicht lange zu suchen, zwei Streifenwagen standen vor der Zufahrt der von ihm gesuchten Adresse. Neugierige Nachbarn versammelten sich auf der Straße und versuchten einen Blick auf das Grundstück zu erhaschen. Hohe Hecken machten dieses Unterfangen fast unmöglich. Siebels und Till ließen den Wagen vor der Zufahrt stehen, wiesen sich bei den Streifenpolizisten aus und betraten das Grundstück. Sie gingen auf eine prachtvolle Villa zu. Vor der Eingangstür standen zwei Männer mit übergestülpten Plastikanzügen. Die Kollegen von der Spurensicherung rauchten eine Zigarette.

      »Können wir schon rein?«, fragte Siebels.

      »Wir sind fast fertig, immer rein in die gute Stube«, bekam er zur Antwort. »Die Tote liegt draußen im Garten. Sie ist im Pool ertrunken.«

      Siebels nickte und betrat das Haus. Till folgte ihm durch einen lichtdurchfluteten, mit hellem Marmor ausgelegten Vorraum. Im Wohnzimmer trafen sie auf den Fotografen, der seine Fotos bereits alle geschossen hatte. Die Schiebetür zur Terrasse stand offen. Draußen kniete eine Frau über einem leblosen Körper. Siebels schaute sich nach Dr. Petri um, konnte den Gerichtsmediziner aber nirgendwo entdecken. Till betrachtete sich die Umgebung. Anthrazit geflieste Terrasse. Schwarze Rattanstühle standen um einen Tisch mit schwerer Steinplatte. Auf dem Tisch lag ein Buch. Daneben stand ein Aschenbecher. Der Pool lag nur wenige Meter von der Terrasse entfernt, hinter dem Pool erstreckte sich ein weitläufiger kurzgeschnittener Rasen, der von außen nicht einsehbar war. Meterhohe Hecken und Mauern begrenzten das Grundstück.

      »Siebels, Mordkommission«, sagte Siebels und kniete sich neben die Frau, die die Leiche begutachtete.

      »Guten Tag, Herr Siebels. Ich habe ja schon viel von Ihnen gehört.« Die Frau streckte Siebels die Hand entgegen. »Lehmkuhl. Anna Lehmkuhl. Ich bin die Nachfolgerin von Dr. Petri.«

      »Die Nachfolgerin?«

      »Ja. Dr. Petri hat sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Wussten Sie das nicht?«

      Siebels erinnerte sich dunkel, dass Petri vor einiger Zeit eine entsprechende Bemerkung gemacht hatte. »Er hat mich gar nicht zu seiner Abschiedsfeier eingeladen.«

      »Die holt er bestimmt noch nach. Er ist gleich an seinem ersten Tag als Pensionär auf ein Kreuzfahrtschiff gegangen und kreuzt jetzt irgendwo in der Karibik.«

      »Petri hatte schon immer einen guten Stil«, bewunderte Siebels seinen alten Kumpanen.

      »Darf ich mir die Leiche mal anschauen?«, fragte Till, der hinter den beiden stand.

      »Mein Kollege, Till Krüger«, stellte Siebels ihn vor. »Till, das ist Frau Dr. Lehmkuhl. Die Nachfolgerin vom alten Petri.«

      Till setzte sein charmantestes Lächeln auf, als er Anna Lehmkuhl ins Gesicht sah. »Sie sind also der berühmt-berüchtigte Frauenheld aus dem Frankfurter Präsidium«, begrüßte ihn die Gerichtsmedizinerin und streckte auch ihm die Hand hin.

      Tills Lächeln gefror und er erstarrte für einen Moment zu einer Salzsäure. Anna Lehmkuhl lachte. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«

      Till verfluchte sich und seine letzte Affäre mit Simone, der jungen Streifenbeamtin, die im Präsidium nur die wilde Simone genannt wurde. Zu spät hatte er erkannt, dass die wilde Simone sich ihren Beinamen redlich verdient hatte. Sie stürzte von einer Katastrophe in die nächste, riss alles und jeden aus ihrem Umfeld mit und plauderte ohne Unterlass und ohne jede Rücksicht auf ihre oder anderer Leute Intimsphäre. Wenn Till morgens ins Präsidium kam, wussten schon Hundertschaften von Polizisten, wie er in der Nacht zuvor bei der Umsetzung eines neuen Kapitels aus Simones Kamasutra-Buch wieder einmal gescheitert war. Die Beziehung hielt denn auch nur wenige Wochen und mittlerweile war Simone mit einem Nahkampfkrieger vom SEK liiert und Till wieder auf Brautschau. Und Anna Lehmkuhl passte hervorragend in sein Beuteschema.

      »Soll ich?« Anna Lehmkuhl nahm das Tuch in die Hände, mit dem die Leiche bedeckt war, und deutete an, es zurückzuziehen.

      Till und Siebels nickten. Anna Lehmkuhl gab den Leichnam preis. »Beate Sydow, 49 Jahre alt. Tod durch Ertrinken. Sie wurde mit Gewalt unter die Wasseroberfläche gedrückt und hat sich heftigst gewehrt. Abgebrochene Fingernägel, zwei gebrochene Finger. Vermutlich wurde ihr auf die Finger geschlagen oder getreten, als sie sich am Beckenrand aus dem Pool ziehen wollte.«

      Siebels betrachtete sich widerwillig die vom Wasser aufgedunsene Leiche. Er stellte sich vor, wie die Frau um ihr Leben gekämpft hatte. Wie sie sich mit aller Kraft aus dem Pool retten wollte und den Kampf gegen ihren Mörder letztendlich doch verloren hat. Er stellte sich vor, wie die Frau sich gefühlt haben musste, als ihre Kräfte nachließen und sie erbarmungslos immer wieder unter die Wasseroberfläche gedrückt wurde. Wie sie immer mehr Wasser schluckte bei ihrem Überlebenskampf und ihrem Mörder im Todeskampf zu entkommen versuchte. Bis sie schließlich aufgab und im Pool unterging. Siebels versuchte, diese Gedanken zu verscheuchen, und konzentrierte sich auf seine Arbeit als Ermittler. »Wurde sie im Pool gefunden?«, wollte er wissen.

      »Ja. Von einer Freundin, die mit ihr verabredet war. Sarah Fischer. Sie ist im Haus. Als Frau Sydow heute Morgen weder auf das Klingeln und Klopfen an der Tür noch auf Telefonanrufe geantwortet hat, hat Frau Fischer einen Zweitschlüssel aus ihrer Wohnung geholt und ist hereingekommen. Sie wohnt in der Textorstraße, nicht weit von hier.«

      »Lag sie schon nackt im Pool?«, wollte Till wissen.

      »Ja. Allem Anschein nach war sie unbekleidet im Pool zum Schwimmen gewesen.«

      »Anzeichen von sexuellem Missbrauch?«, fragte Siebels.

      »Nein. Nichts dergleichen. Nur die malträtierten Finger. Wahrscheinlich wurde sie mit grober Gewalt in das Wasser gedrückt.«

      »Todeszeitpunkt?«, fragte Siebels und zündete sich eine Zigarette an.

      »So gegen sechs Uhr heute Morgen. Das deckt sich auch mit der Aussage von Sarah Fischer. Sie hat bestätigt, dass Beate Sydow morgens um diese Zeit den Tag bei schönem Wetter mit einer Runde im Pool beginnt. Der Pool ist übrigens beheizt. 22 Grad Wassertemperatur.«

      »Dann werden wir uns mit der Frau Fischer mal unterhalten. Sind Sie noch länger hier?«

      »Ich bin fertig. Sie finden mich in der Gerichtsmedizin, falls Sie weitere Fragen haben. Der Bericht kommt per E-Mail. Ach, bevor ich es vergesse. Auf dem Tisch dort liegt ein Buch.« Anna Lehmkuhl deutete zu dem Tisch auf der Terrasse. »Das lag schon dort, als Frau Fischer die Tote entdeckt hat. Das Buch könnte etwas mit dem Mord an Frau Sydow zu tun haben.«

      »Wie das?«

      »Das fragen Sie besser Frau Fischer. Nehmen Sie das Buch mit rein, wenn Sie sie befragen. Die Spurensicherung hat es bereits auf Fingerabdrücke untersucht.«

      Anna Lehmkuhl packte ihre Utensilien zusammen und verabschiedete sich.

      »Ich hole den Bericht auch gerne persönlich ab«, sagte Till.

      »Ich rufe Sie an, wenn ich so weit bin. Bis dann, viel Erfolg.«

      Siebels und Till schauten der Gerichtsmedizinerin hinterher.

      »Viel


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