Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman. Karin Bucha
war zumute, als sei er aus strahlendem Licht plötzlich in die Finsternis gestoßen worden. Alle Freude war wie fortgewischt. Fragen bedrängten ihn, und Zweifel stiegen in ihm auf.
Er ist wirklich ahnungslos, dachte Leontine Eckhardt. Um so besser für meine Pläne.
Sie schöpfte tief Atem und erklärte:
»Sie sagten, daß Sie auch mir zu großem Dank verpflichtet seien. Wenn ich Sie nun bitte, mir diese Dankbarkeit zu beweisen?«
»Aber, gnädige Frau, das bedarf doch keiner Bitte«, preßte er erfreut hervor, voll Mitleid in das zuckende Gesicht ihm gegenüber blickend. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Nicht hier«, flüsterte die Frau wie erstickt. »Bitte, geben Sie mir Ihre Adresse. Ich werde zu Ihnen kommen.«
Dr. Wendler zog seine Karte und überreichte sie ihr.
Ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, steckte Leontine die Karte zu sich. Dann reichte sie Dr. Wendler die Hand und ging langsam davon.
Helmuth sah hinter ihr her, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden war.
Wie aus einem Traum erwachend, fuhr er sich über die Stirn. Fragen über Fragen bestürmten ihn.
Raschen Schrittes eilte er dann ebenfalls davon, nahm das erste Taxi, das ihm begegnete, und ließ sich zur Wohnung seiner Mutter fahren.
Lisa Wendler stand am Fenster, als das Taxi vorfuhr.
Als sie ihren Sohn aussteigen sah, zuckte sie zurück.
Die Hand auf das Herz gepreßt, erwartete sie ihn.
Sie hörte ihn heranstürmen, hörte, wie die Tür ungestüm aufgerissen wurde, und sah ihn mit leuchtenden Augen im Türrahmen stehen.
»Mutter!«
Achtlos warf er den Hut auf das Sofa und war mit einem Satz neben ihr, umfing sie und schwenkte sie mit einer raschen Bewegung im Kreis herum.
»Aber Helmuth! Was ist nur los?«
Ganz unglücklich sah sie aus. Aber Helmuth lachte sein sorgloses, fröhliches Jungenlachen. Dann stellte er sie behutsam wie eine Kostbarkeit wieder auf die Beine.
»Ach, Muttchen, ich bin ja so glücklich, so sehr glücklich.«
Lisa mußte sich rasch niedersetzen, ein Gefühl der Schwäche in den Knien zwang sie dazu.
»Was ist – nur – geschehen?« entrang es sich ihr.
»Paß auf, Muttchen.« Er zog sich einen Stuhl heran und ließ sich nieder. »Also, wir ziehen um!«
»Wir ziehen um?« fragte sie. Sie hatte den Kopf etwas zur Seite geneigt und blickte ihn ungläubig an. »Willst du mir nicht erklären, wieso…?«
»Wir sind reich, Muttchen!« platzte er heraus. »Wir haben geerbt – ungeheures Geld, sage ich dir!«
Unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen, saß Lisa vor ihrem Sohn. So viel rührende Hilflosigkeit drückte ihre Haltung aus, daß Helmuth aufsprang und sie vor übermächtiger Freude umhalste.
»Mutter – begreifst du denn nicht?«
Mit geschlossenen Augen lehnte Lisa ihren Kopf an die Schulter des Sohnes.
»Weißt du, wie mir zumute ist, Mutter? Wie vor einem bösen Bubenstreich. Mir kribbelt es in den Fingern. Ich möchte etwas ganz Unsinniges tun.«
Lisa preßte die Lippen zusammen. Wie ein Wunder schien es ihr, daß er nahm, ohne zu forschen. Hatte sie sich umsonst geängstigt? War das Verhängnis noch einmal gnädig an ihr vorübergegangen?
Lisa war allzeit eine Frau mit heiterem Sinn und einem Schuß Humor gewesen. Sie suchte auch jetzt alle ihre Lebensgeister zusammen.
»Ich finde, du benimmst dich nicht wie ein wohlhabender, frischgebackener Rechtsanwalt, vielmehr wie ein übermütiger…«
»… Junge!« vollendete Helmuth Wendler strahlend. »Weiß ich, Mutter. Siehst du nicht, wie ich förmlich einer Gelegenheit entgegenfiebere, etwas ganz Tolles zu unternehmen?«
»Also, du bist reich, du hast geerbt?«
»Ich?« Mit in die Hüften gestemmten Händen stand er vor Lisa, deren Gesichtsfarbe vom beängstigenden Weiß zu dunkler Röte umgeschlagen war. » Wir!«
Gedankenvoll sah sie zu dem Sohn auf. Nichts, außer der hochgewachsenen breitschultrigen Gestalt hatte er von seinem Vater. Die Frohnatur, das sonnige Wesen, das hatte sie ihm vererbt.
Kopfschüttelnd blickte Helmuth auf die gedankenvoll vor sich hin starrende Mutter hinab. Er kannte sie gar nicht wieder, sie schien vollkommen verändert.
»Mutter, ich glaube, du freust dich nicht einmal.«
Er umfaßte ihre Schultern und schüttelte sie sanft hin und her.
»Ja, mein Junge – ich freue mich – deinetwegen freue ich mich«, kam es leise von ihren Lippen, aber ihr Blick wich seinen leuchtenden Augen aus.
Er drückte ihr einen herzhaften Kuß auf die Wange.
»Einfach unglaublich! Ich möchte nur wissen, was den Mann zu dieser Großzügigkeit veranlaßt hat. Der Rechtsanwalt meinte, Eugen Eckhardt sei schon immer mein Wohltäter gewesen – «
Mit einem Ruck verhielt er den Schritt und blieb dicht vor Lisa stehen.
»Mutter, du kennst Eugen Eckhardt, das heißt, du mußt ihm nahegestanden haben!«
Tödliches Erschrecken lief über die Züge der Frau. Sie neigte den Kopf.
»Ja, ich habe ihn gekannt, ich habe Eugen Eckhardt gekannt, sehr gut sogar.« Sie erhob sich. Mit zitternden Knien stand sie vor dem Sohn, blickte ernst zu ihm auf und sagte in feierlichem Ton:
»Laß mir Zeit, Helmuth. Du wirst alles von mir erfahren, nur heute nicht. Laß dir aber jetzt gesagt sein: Du kannst das Erbe ohne Gewissensbisse annehmen, es gehört dir zu Recht.«
Sie reckte sich auf den Fußspitzen und fuhr ihm sacht mit der Rechten über Stirn und Wange.
Als er das weiche, verträumte Lächeln auf ihren Zügen sah, war er beruhigt.
»Ich hatte eine merkwürdige Begegnung auf dem Friedhof –«, erzählte er nun.
»Auf dem Friedhof?« fragte sie erstaunt.
»Ja, Mutter.« Er ließ seine Augen wie suchend im Garten umherschweifen, während er weiterberichtete:
»Es trieb mich förmlich an das Grab des Mannes, dem ich diesen glückhaften Umschwung meines Lebens verdanke. Dort stieß ich auf seine Witwe, und sie erbat meinen Beistand. Sie wird mich hier aufsuchen. Sicherlich will sie meine Hilfe als Anwalt in Anspruch nehmen. Auch das wäre Glück für mich. Stell dir vor, Frau Eckhardt als Klientin zu haben, ist doch immerhin ein Anfang, nicht wahr?«
Lisa wiederholte mit schwerer Betonung:
»Das… ist allerdings ein Anfang! Da will ich nur gleich noch einmal in deinem Arbeitszimmer nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
Sie huschte davon, und Dr. Wendler sah ihr mit einem Lächeln nach.
Liebe, besorgte Mutter!
Als er nach einer Weile den Raum betrat, fand er die Mutter dabei, wie sie mit dem Staubtuch über die glänzende Schreibtischplatte fuhr.
»Das wird in Zukunft alles anders, Muttchen«, erklärte er mit weitausholender Armbewegung. »Du wirst dich in Zukunft pflegen und ausruhen können.«
Lisa schüttelte das Tuch zum Fenster hinaus. Ihre Augen waren auf das Gartentor gerichtet, vor dem eben ein geschlossener Wagen vorgefahren war, dessen blanke Beschläge herausfordernd in der Sonne blitzten.
Ruhig wandte sie sich wieder ins Zimmer.
»Sie kommt, Helmuth. Ich laß dich nun allein «
Sie