Verschwindende Diamanten und andere Detektivgeschichten. Mathias McDonnell Bodkin

Verschwindende Diamanten und andere Detektivgeschichten - Mathias McDonnell Bodkin


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bündiger aus als der berühmte Lord, der neulich im Oberhaus äußerte: ›Es will uns nicht recht einleuchten, daß es mit redlichen Dingen zugehen kann, wenn jemand etwas verkauft, was ihm nicht gehört, und die Kaufsumme für sich behält und daß ein anderer, der alle Umstände kennt, ihm von Rechts wegen behilflich sein darf, den Eigentümer zu berauben. Ein solches Verfahren ist für einen Laienverstand schwer begreiflich und hat selbst für den juristisch Denkenden etwas Unbefriedigendes.‹«

      »Aber der Mann wird sich doch nun und nimmermehr auf ein solches Gesetz berufen, um sein eigenes Kind zu berauben!« rief Beck.

      »Das steht noch keineswegs fest. Ich glaube, über kurz oder lang wird er es doch tun, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet. Einstweilen kämpft sein Gewissen noch gegen seine Vernarrtheit, aber ich fürchte, es wird bald unterliegen. Die schlaue Dirne spielt mit ihm wie der Fischer mit dem Lachs, den er am Haken hält. Sie hat sich in ein Stranddorf an der Westküste von Irland geflüchtet und schwört hoch und teuer, daß sie ihm auch nicht einen Blick gönnen wolle, bis die Urkunde unterschrieben ist.«

      »Und wo ist er?«

      »Auch in Irland. Der Ort heißt Rathcool und liegt im Süden. Er kann es nicht aushalten, wenn das Meer zwischen ihm und seiner Göttin fließt, obgleich sie jetzt durch die ganze Breite der Insel voneinander getrennt sind. Täglich fliegen Briefe und Telegramme zwischen ihnen hin und her. Lange wird er nicht mehr widerstehen können, fürchte ich.«

      »Was läßt sich denn aber in der Sache tun? In ein Irrenhaus könnte man ihn wohl nicht sperren?«

      »Leider nein. Wenn jeder Mann, dem ein Weib den Kopf verdreht, ins Tollhaus käme, so würden bald mehr Leute eingesperrt als in Freiheit sein.«

      »Könnten Sie sich nicht an das edlere Gefühl der jungen Dame wenden?«

      »Es ist keins bei ihr vorhanden.«

      »Und das Gesetz haben Sie gegen sich?«

      »Jawohl – nach seinem jetzigen Wortlaut.«

      »Dann scheint mir jeder Ausweg verschlossen.«

      »Doch nicht so ganz. Wenn das Glück uns günstig ist, können wir das Gesetz ändern und der Dame Schach bieten. Ich komme jetzt auf den eigentlichen Kernpunkt der Sache. Daß ich im strengsten Vertrauen zu Ihnen rede, bedarf wohl nicht erst der Erwähnung. Schöpfen unsre Gegner auch nur den leisesten Verdacht, so haben wir das Spiel verloren und können die Karten nur gleich fortwerfen.«

      Warmington beugte sich zu Beck nieder und sprach unwillkürlich in gedämpftem Ton: »Wir haben in aller Stille im Hause der Lords die Aufhebung jenes alten Erlasses aus der Zeit der Königin Elisabeth in Anregung gebracht. Der Großkanzler selbst befürwortet den Antrag. Sobald die königliche Zustimmung erfolgt, ist das Besitztum des Kindes gesichert. Im Oberhaus ist das Gesetz schon auf dem besten Wege und einer unsrer beliebtesten Juristen ist bemüht, es im Unterhaus durchzudringen. Wenn es dort in dritter Lesung angenommen worden ist, so hat der Großkanzler versprochen, uns am folgenden Tage die königliche Zustimmung zu verschaffen,«

      »Es handelt sich also darum, was schneller zu stande kommt, das Gesetz oder der Erbvertrag – und der Preis des Wettrennens ist eine Jahresrente von fünftausend Pfund?«

      »Ganz richtig.«

      »Ich verstehe nur nicht, was ich dabei tun soll.«

      »Sie sollen mir den Gefallen tun, sich nach Mount Eagle zu begeben, wo Fräulein Trixie ihr Lager aufgeschlagen hat, um sie im Auge zu behalten, bis unser Geschäft abgemacht ist. Sharkey & Snippit haben nämlich scharfe Augen und Ohren und sind verschwiegen wie das Grab. Kein Mensch kann wissen, ob sie Lunte gerochen haben oder nicht. Aber daß sie in fortwährender Verbindung mit Fräulein Trixie stehen, ist sicher. Wenn Sie nach Irland gehen, bekommen Sie vielleicht dort einen Einblick in die Karten, denn Fräulein Trixie ist ebenso lebhaft und mitteilsam, als jene beiden zugeknöpft sind.«

      »Das ist mir nicht klar. Sie brauchen doch bloß Ihr eigenes Geheimnis zu bewahren; das Spiel der andern zu durchschauen hat für Sie keinen Zweck.«

      »Doch, doch! Und wir rechnen auf Ihre Hilfe. Nicht wahr. Sie werden uns beistehen? Die Kosten kommen gar nicht in Betracht. Wir möchten nur, daß Sie – Herein, herein!«

      Ein winziges Händchen hatte angeklopft. Jetzt ging die Wohnstubentür langsam auf und ein kleines, hübsches, etwa siebenjähriges Mädchen erschien auf der Schwelle. Goldene Locken fielen ihr wie eine Mähne über die Schultern, ihre Blauäuglein blitzten schelmisch, und reizende Grübchen spielten in den rosigen Wangen. Beim Anblick des fremden Mannes wollte sie die Flucht ergreifen, aber Herr Warmington rief ihr freundlich zu: »Komm nur her, Flora!« worauf sie schüchtern ins Zimmer trat.

      »Dies ist Ihre Klientin, Herr Beck. Gib dem Herrn ein Händchen, Flora; er will viel für dich tun und dein guter Freund sein.«

      Ein richtiger Instinkt mochte wohl der süßen kleinen Fee verraten haben, daß Beck alle Kinder liebhatte. Sie kletterte auf seine Kniee und spitzte ihr Mäulchen zu einem Kuß. »Danke schön,« sagte sie, »nicht wahr, es ist eine große Puppe?« darauf beschränkte sich offenbar ihr Begriff von Freundschaft. »Ich habe sieben Kinder und einen hübschen Negerjungen,« plauderte sie weiter, »aber gar keine Mama dazu. Weißt du, ich selber habe auch keine Mama, sie ist tot in der Erde und in den Himmel gegangen. Aber Papa wird immer für mich sorgen.«

      Herr Warmington lächelte gutmütig, während Beck mit seiner großen starken Hand, die so ungeschickt aussah und doch weicher war als manche Frauenhand, das dichte Goldhaar der Kleinen streichelte. »So, Flora,« sagte ihr Onkel, »jetzt lauf fort und quäle Herrn Beck nicht länger. Du darfst dir eine Traube und zwei Biskuite vom Tisch mitnehmen, Schätzchen. Dann geh und spiele weiter. Mach auch die Tür hübsch hinter dir zu.«

      Auf der Schwelle wandte sie sich noch einmal um. »Vergiß auch die Mama für meine Kinder nicht!« rief sie Beck mit warnend erhobenem Fingerchen zu. Und Tags darauf kam wirklich eine große Puppe für Fräulein Florence Burton aus dem Spielzeugladen an.

      Die Tür schloß sich hinter dem weißen Kleidchen mit dem blauen Gürtel und dem goldenen Lockenhaar. »Ich will gehen,« sagte Beck entschlossen, »obgleich ich noch nicht weiß, was ich dort nützen kann. Es würde mir Freude machen, wenn ich im stande wäre, der niedlichen Kleinen einen Dienst zu erweisen.«

      »Die Adresse der betreffenden Dame,« versetzte Warmington hocherfreut, »ist Hotel Royal in Mount Eagle, Grafschaft Clare. Das Hotel liegt dicht am Seestrand und etwa dritthalb Meilen von dem Städtchen entfernt.«

      »So will ich machen, daß ich noch mit dem Blitzzug fortkomme, der in drei Viertelstunden abfährt. Von morgen an ist meine Adresse: ›Herrn Jerome Blood-Smith, Hotel Royal, Mount Eagle.‹ Schicken Sie mir eine Depesche, wenn Sie etwas zu sagen haben; ich werde auch telegraphieren.« –

      Nach den ersten Tagen ihrer freiwilligen Verbannung in die Grafschaft Clare fühlte sich Fräulein Trixie Mordant recht abgespannt. Die leidenschaftlichen Gefühlsergüsse ihres ältlichen Verehrers fand sie ebenso einförmig als trübselig. »Fünftausend Pfund im Jahr wären weitaus nicht genug, wenn das ewig so fortgehen sollte,« murmelte das unromantische Fräulein Trixie, während sie den acht Seiten langen Brief zusammenballte und in den Kamin warf. »Nach der Hochzeit wird's anders werden.« Sie lächelte traumverloren, wenn sie an die lustigen kleinen Soupers dachte, die sie mit ihren Verehrern nach der Vorstellung einzunehmen pflegte. Diese Erinnerung machte ihr den jetzigen Zustand noch unerträglicher. Sie saß im Wohnzimmer in einem großen Lehnstuhl, hatte die Füße heraufgezogen und schaute mit unzufriedenen Blicken auf das blaue Meer hinaus, das sich in breiter Fläche bis zum Horizont ausdehnte. Nichts zu tun und keinen Menschen zur Unterhaltung, das war ihr Unglück. Im Hotel waren einige Prediger abgestiegen und ein reisender Engländer mit seiner steifen Gemahlin nebst drei wohlerzogenen Töchtern, doch diesen war die lebenslustige Trixie in ihrem schicken Radelanzug nur ein Gegenstand des Schreckens und des Abscheus. »Hätt' ich nur jemand, der mit mir über die Einfaltspinsel lacht, dann war's doch zum Aushalten!« seufzte sie voller Verzweiflung; dabei schweiften ihre Blicke von dem Meer, das vor ihr lag, nach dem Tennisplatz zur Linken und siehe da, das Schicksal


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