Verschwindende Diamanten und andere Detektivgeschichten. Mathias McDonnell Bodkin

Verschwindende Diamanten und andere Detektivgeschichten - Mathias McDonnell Bodkin


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ließ, schlenderte mit dem Jakett in der Hand auf dem Platz herum. Die roten und gelben Streifen seiner knappanliegenden Flanelljacke strahlten in der Mittagssonne; auf seinem flachsfarbenen Haupthaar saß ein rundes Strohhütchen, dessen Band in allen Regenbogenfarben schillerte; ein blonder Schnurrbart verhüllte seinen breiten Mund und aus dem runden Gesicht sprach fade Geistlosigkeit. Fräulein Trixie spürte sogleich eine Seelenverwandtschaft und ihr Herz schlug ihm warm entgegen. Fünf Minuten später wanderte sie auch in einem cremefarbenen kurzen Wollkleide, braunen Schuhen und durchbrochenen seidenen Strümpfen auf dem Tennisplatz umher. Als sie dem jungen Mann dort begegnete, wurde sie ganz verwirrt und warf ihm nur einen schüchternen Blick unter ihren langen Augenwimpern zu, als er es wagte, sie anzureden.

      Trotzdem waren sie nach ein paar Minuten schon mitten im lebhaftesten Tennisspiel; nach ein paar Stunden nannten sie einander »Trix« und »Jer«, als hätten sie sich von klein auf gekannt, und schon nach den ersten Tagen war der Gigerl sterblich verliebt in das muntere Fräulein und folgte seiner Angebeteten überall hin wie eine große Bulldogge. »Er ist ganz nach meinem Geschmack,« schrieb sie an ihre Busenfreundin, Myrtle Monmorency vom Apollotheater, »Fein herausstaffiert, spart sein Geld nicht, ist ein so grüner Junge, wie man sich's kaum vorstellen kann, und ganz vernarrt in mein liebes Ich. Wir amüsieren uns zusammen wie die Götter, zum Entsetzen der alten Duckmäuser hier am Ort. Es kommt aber keiner dabei zu Schaden.«

      So führte denn Fräulein Trixie ihren Jüngling wohin sie wollte, und er war glücklich, wenn er ihr dienen und ihrem Wink gehorchen durfte. Sie spielten Tennis miteinander, machten Ausflüge auf dem Fahrrad oder stolzierten zusammen am Seegestade entlang. Es war komisch und dabei fast traurig anzusehen, wie der kräftige junge Mann, der ein so albernes Gesicht machte, wenn seine großen, runden Augen vor Liebe strahlten, sich von der reizenden Theaterprinzessin so gänzlich umgarnen ließ.

      »Morgen wollen wir zusammen baden gehen,« sagte sie zu ihrem Gefährten, der im Wohnzimmer des Hotels neben ihr auf dem Sofa saß. »Stellen Sie sich doch nicht, als wären Sie eben aus dem Mond gefallen; für den Schwimmanzug werde ich schon sorgen ... Na, was gibt's denn schon wieder? – Herein!«

      Es war ein Telegramm für Fräulein Mordant. Ein Ausruf entfuhr ihren rosigen Lippen, während sie es las, dann zerriß sie ärgerlich das Papier und warf die Stücke in den leeren Torfkasten, der neben dem jetzt unbenützten Kamin stand. »Ach, das hätte ich nicht tun sollen!« rief sie gleich darauf erschrocken. »Der alte Sharkey hat mir's noch ganz besonders ans Herz gelegt, ich solle vorsichtig sein. Holen Sie mir die Fetzen wieder, Jer; Sie sind ja so'n guter Kerl.« Herr Jerome Blood-Smith steckte sofort seinen ganzen Kopf bis zu den Schultern in den Torfkasten, zog ruhig ein altes Telegramm aus der Tasche und riß es hinter dem Kasten verborgen in Stücke, ehe er Fräulein Trixies Papierfetzen herausnahm.

      Sie zündete darauf ein Streichholz an und verbrannte die Stücke, die er ihr gab, in dem leeren Kamin. Eine halbe Stunde später machte Jerome Blood-Smith in seinem Schlafzimmer bei verschlossenen Türen ein Zusammensetzspiel aus dem zerrissenen Telegramm. Als es ausgebreitet auf dem Tisch lag, las er folgendes: »Entdecke eben, daß Freunde der Kleinen Gesetzesantrag beim Parlament durchbringen, ihren Besitz zu sichern. Hoffe ihnen Schnippchen zu schlagen. Müssen Erbvertrag beschleunigen. Hat der Alte eingewilligt? Sharkey.«

      Er hatte kaum fertig gelesen, da sah er auch schon Fräulein Trixie auf ihrem Fahrrad über den Rasenplatz vor dem Hotel dahinjagen. Im Nu war er draußen auf seinem Rad und hinter ihr drein. Eine Viertelmeile vor dem Postamt hatte er sie eingeholt. »Machen wir 'ne Tour zusammen?« fragte er.

      »Erst muß meine Depesche fort sein. Sie hat Eile und den Dummköpfen im Hotel könnt' ich sie nicht anvertrauen.«

      »Warum haben Sie mich nicht geschickt?«

      »Sie waren verschwunden. Ich dachte. Sie hätten sich schlafen gelegt. Na, jetzt bin ich jedenfalls hier, also ist's einerlei.« Behende glitt sie vor dem Postamt von ihrem Rad herunter und trat ins Telegraphenbureau, während Jerome Blood-Smith dienstfertig an der offenen Tür bei den Fahrrädern stehen blieb.

      Der Telegraph war noch einer von den alten Apparaten die durch gewissenhaftes Ticken die Buchstaben der Depesche angeben. Daß Jerome Blood-Smith dies Ticken verstand, war eines seiner vielen Talente, durch die er sich in einem andern Lebensberuf auszeichnete. So hörte er denn die Botschaft heraus, die lautete: »Sharkey & Snippit, Rechtsanwälte, London – Schicken Sie Erbvertrag umgehend. Der Alte hat versprochen zu unterschreiben. – Mordant.«

      Als die Drahtantwort abgeschickt war und Fräulein Trixie zum Bureau hinaussegelte, stand ihr Verehrer draußen in stummer Bewunderung. Sie wollte sich ausschütten vor Lachen über sein einfältiges Gesicht und tat in ihrer übermütigen Laune, als wolle sie ihm mit der Fußspitze sein Strohhütchen vom Kopfe stoßen, was ihr ein leichtes gewesen wäre. »Haha, Jer, Sie Mondkalb; sperren Sie doch nicht so den Schnabel auf, sonst halten die Leute am Ende Ihren Mund für den Briefkasten.«

      Als sie zusammen den Abhang hinabradelten, fiel Herrn Blood-Smith plötzlich etwas ein. »Donnerwetter, ich wollte ja auch ein Telegramm vom Stapel lassen,« rief er. »Bitte, fahren Sie langsam, Trix. In einer Minute bin ich wieder hier.«

      »Schon recht,« gab sie lachend zurück. »Grüßen Sie Ihr Liebchen von mir und sagen Sie, ich sei nicht eifersüchtig.«

      Er wandte sein Rad auf dem steilen Abhang um – gar kein leichtes Kunststück – und jagte nach dem Postamte zurück. »Sie wissen alles, Eile tut not!« meldete er Herrn Warmington.

      Dann folgte er wieder auf seinem Rad Fräulein Trixies Spuren. Unterdessen wurde in London das Spiel um den hohen Einsatz einer Jahresrente von fünftausend Pfund mit Eifer und Vorsicht betrieben. – – – –

      Im Hause der Lords war das Gesetz über die »Freiwillige Zuwendung« glücklich durch alle drei Lesungen gelangt. An jenem Montag, als Herrn Blood-Smiths Depesche wie eine Bombe in Warmingtons Bureau eingeschlagen hatte, stand es gerade unter verschiedenen andern Gesetzesanträgen auf der Tagesordnung im Hause der Gemeinen. Es war daher kein Wunder, daß der gutherzige Rechtsanwalt sich in fieberhafter Aufregung befand. »Seien Sie nur ganz außer Sorge, werter Herr,« sagte Sir Robert Ridley, der Kronanwalt, mit dem Warmington während der Mittagspause in der Halle auf und ab ging, »Ihr Freund – wie heißt er doch? – Beck – muß auf dem Holzweg sein. Es weiß kein Mensch etwas von unsern Absichten. Sie sollen sehen, wir bringen das Gesetz heute abend noch durch, und dann hat Fräulein Trixie Mordant das Nachsehen.«

      Die Parlamentsmitglieder hatten ihre Sitze wieder eingenommen; der Sprecher gebot Ruhe und der Sekretär schickte sich an, die auf der Tagesordnung stehenden Gesetzesanträge zu verlesen. Es ist der interessanteste, aber auch der sonderbarste Vorgang im Hause der Gemeinen; denn jedes Mitglied kann durch die Worte: »Ich erhebe Einspruch!« die Verhandlung über den vorliegenden Gegenstand hindern. Das Haus war an jenem Abend nur schwach besetzt; aber jedes einzelne Mitglied, das für oder gegen einen Antrag stimmen wollte, befand sich auf dem Posten, Zuerst ging alles glatt und einige Gesetze wurden glücklich durchgebracht; dann aber wandte sich das Blatt plötzlich.

      »Das Gesetz gegen Verfolgung Andersgläubiger.«

      »Ich erhebe Einspruch!«

      »Das Lebensmittelfälschungsgesetz.«

      »Ich erhebe Einspruch!«

      »Das Gesetz über den ambulanten Milchverkauf.«

      »Ich erhebe Einspruch!«

      »Das Gesetz über den Vogelschutz.«

      »Ich erhebe Einspruch!«

      »Das Gesetz über Lohnerhöhung für die Straßenkehrer.«

      Als keine Stimme dagegen laut wurde, lüftete das Mitglied, das den Antrag eingebracht hatte, seinen Hut, wie es die Parlamentssitte heischt, wenn eine zweite Lesung gewünscht wird. »Die Frage ist, ob über dieses Gesetz die zweite Lesung erfolgen soll,« verkündete der Sprecher.

      »Ich erhebe Einspruch!«

      Der Antragsteller beruhigte sich jedoch hierbei nicht. »Mit gütiger Erlaubnis des Hauses möchte ich das ehrenwerte Mitglied bitten,


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