Verschwindende Diamanten und andere Detektivgeschichten. Mathias McDonnell Bodkin

Verschwindende Diamanten und andere Detektivgeschichten - Mathias McDonnell Bodkin


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wird, die Geschworenen schlossen sich dem Verteidiger an, und – ja, das ist die ganze Geschichte.«

      »Wo wohnt ihr Onkel, Herr Meredith?« fragte Beck.

      »In unserem Hause in Park-Lane, aber ich sehe nicht ein, weshalb –«

      »Natürlich, du kannst es nicht einsehen,« unterbrach ihn die aufgeregte Mamie, »aber dein Onkel sieht klar genug. Er hat das Haus, und er hat einen Anspruch im Testament. Gibt er seine Einwilligung zu unsrer Heirat, so wirft er beides fort. Nun frage ich Sie, Herr Beck, ist das wahrscheinlich?«

      »Aber ich will ja nicht heiraten, ehe ich die Einwilligung in seiner eigenen Handschrift schwarz auf weiß in Händen habe,« erwiderte Clive heftig. »Ich hätte niemals geglaubt. Mamie, daß du eine so vorsorgliche kleine Person sein könntest!«

      »Ich bin nicht vorsorglich, lieber Clive; nur um deinetwillen bin ich es. Du bist zu vertrauensvoll. Gewiß heckt er irgendwelche Winkelzüge gegen uns aus.«

      Das Pärchen war auf dem besten Wege, in einen netten kleinen Streit zu geraten, als Becks milde Stimme wie Öl auf die erregten Wellen fiel: »Möchten Sie sich nicht ein kleines Weilchen gedulden, Herr Meredith?« fragte er freundlich.

      »Nennen Sie zwei Jahre ein Weilchen?« rief Clive ungeduldig.

      »Nur anderthalb!« flüsterte Mamie.

      »Zwei Wochen würden ausreichen, denke ich,« sagte Beck, »wenn Sie tun, was ich Ihnen sage.«

      Clive strahlte vor Vergnügen. »Da stehe ich ganz zu Ihren Diensten, Herr Beck!«

      »Vor allem möchte ich Sie bitten, mir den Namen des Mannes zu verschaffen, der eidlich bezeugt hat, er habe Ihren Onkel den Scheck unterschreiben sehen, während hernach die Unterschrift fehlte. Ich will ein Wort mit ihm reden.«

      »Wäre es Zeit genug, wenn Sie die Auskunft morgen erhielten?«

      »Vollkommen!«

      »Mit der heutigen Abendpost sollen Sie den Namen haben.«

      »Das wäre also abgemacht. Ich vermute, Ihr Onkel hat ein besondres Arbeitzimmer zu seinem ausschließlichen Gebrauch in Park-Lane?«

      »Jawohl, mit einem Bramahschloß und seinem eigenen Türdrücker.«

      »Das dachte ich mir. Haben Sie mir nicht gesagt, er schreibe viel?«

      Clive hatte das nicht gesagt, aber Beck wußte es. Es gab wenige Dinge, die Herr Beck nicht gewußte hätte. Clive lachte. »Ja, er schreibt eine Menge Artikel für die Journale, aber sie werden nie abgedruckt. Vor Jahren ist einmal einer erschienen und daraufhin hat er wenigstens hundert verfaßt und gibt sich das Ansehen eines Schriftstellers.«

      »Wahrscheinlich hat er Gas in seinem Studierzimmer?«

      Clive nickte. Die Frage kam ihm seltsam vor.

      »Wissen Sie, wo er sein Scheckbuch aufbewahrt?«

      »Nein,« sagte Clive mit wachsendem Erstaunen. »Wahrscheinlich im Schreibpult seines Studierzimmers.«

      »Auch nicht, wer seine Gaseinrichtung gemacht hat?«

      »Die Firma Carver & Picton; aber ich begreife wirklich nicht, Herr Beck, was dies alles mit dem zu tun hat, was – –«

      Ohne seine Einsprache im geringsten zu beachten, fuhr Beck ruhig fort: »Jetzt komme ich zu meiner zweiten Bedingung. Zuerst der Name des Juden, der den sonderbaren Scheck bekam, vergessen Sie das nicht, zweitens möchte ich in ein Gasrohr von Ihres Onkels Arbeitzimmer ein Loch gebohrt haben. Können Sie das bewerkstelligen?«

      »Vielleicht, wenn ich's versuche; aber um alles in der Welt, Herr Beck, was –«

      Mamie legte ihm ihre kleine Hand auf den Mund, während sie ihm ins Ohr flüsterte: »Still, Clive, du darfst nicht so heftig dreinfahren; bedenke nur, du hast versprochen zu tun, was dir Herr Beck sagen würde.«

      »Wollen Sie denn das Haus in die Luft sprengen, Herr Beck?« fragte Clive, sobald er den Mund wieder frei hatte.

      »Im Gegenteil, Sie müssen sogleich die Aufmerksamkeit Ihres Onkels auf den Schaden lenken und sich erbieten, auf dem Wege nach Ihrem Klub bei Carver & Picton vorzusprechen, um zu bestellen, daß ein Arbeiter ins Haus geschickt wird.«

      »Offen gestanden, weiß ich nicht recht, wie ich's anstellen soll. Ich bin niemals ohne meinen Onkel in dem Zimmer und ich habe nichts, womit ich Bleiröhren anbohren könnte.«

      Statt der Antwort öffnete Beck eine der vielen Türen des breiten Mahagonischrankes, der beinahe eine ganze Wand des Zimmers einnahm. Aus einem der mit verschiedenen Aufschriften versehenen Fächer brachte er einen runden Ball von dunklem Holz zum Vorschein, woran ein kleiner Kork steckte. Als Beck den Pfropfen einen Augenblick entfernte, sah man eine Art flacher Nadel aus dem Ball hervorragen, die etwa einen Zoll lang und sehr scharf war. »Das geht durch Blei wie durch Butter,« sagte er gelassen. »Es wird im Geschäft gebraucht, wenn der Absatz ins Stocken gerät.«

      Er setzte den Kork wieder auf die Nadel, während er sprach, und Clive ließ das kleine Instrument vorsichtig in seine Tasche gleiten. »Morgen um ein Uhr ungefähr werden Sie hier Ihren Arbeiter abholen. Sie verstehen mich doch, Herr Meredith?«

      Clive nickte wieder, machte aber immer noch ein mürrisches Gesicht. Er hatte ein dunkles Gefühl, als halte man ihn zum Narren.

      »So,« sagte Beck in ungetrübter Laune. »Jetzt habe ich einen notwendigen Gang und möglicherweise haben Sie beide sich noch etwas zu sagen, also – ich empfehle mich.«

      Clive wußte kaum, ob er sich über diese plötzliche Abfertigung ärgern sollte oder nicht. Mamie aber warf Herrn Beck noch an der Tür eine Kußhand zu.

      »Ist er nicht köstlich, Clive?« flüsterte sie, als die Verlobten zusammen fortgingen.

      »Meinst du? Mir scheint er ein etwas schwerfälliger Geselle und nicht besonders höflich. Ich werde mir vorkommen wie ein boshafter Schuljunge, wenn ich ihm den Willen tue.«

      »Du wirft es aber doch tun, nicht wahr, Clive?« fragte sie, mit einem Blick, dem nicht zu widerstehen war.

      »Mein Versprechen werde ich wohl halten müssen, Mamie, aber daß mir die Geschichte gefiele, kann ich nicht sagen.«

      Sie verstand sich jedoch trefflich darauf, den kleinen Verdruß durch Schmeichelworte zu verscheuchen, bis Clive wieder bei guter Laune war, dann schlenderten sie zusammen durch das Straßengedränge, gleichsam allein inmitten alles Lärms und Geschreis, als hätte die Rosenwolke der Liebe sie umhüllt. Es gab in ganz London kein glücklicheres Paar,– –

      »Das ist ja ein abscheulicher Geruch hier im Zimmer, Clive,« sagte am nächsten Tage Herr Marmaduke Meredith, indem er von seinem großen offenen Schreibpult aufsah, an dem er beschäftigt war, einen Artikel für den »Contemporary« zu schreiben.

      »Es muß wohl ein Schaden am Gasrohr sein, Onkel.«

      »Du kannst recht haben. Es riecht nach Gas. Pfui Teufel! Das ist ja zum Ersticken. Nur gut, daß es nicht bei Nacht geschehen ist, sonst hätte es eine Explosion gegeben.«

      Beide Herren schnüffelten einige Augenblicke an den Röhren, wie zwei Jagdhunde, die eine Fährte wittern.

      Clive fand das Leck zuerst. »Es ist hier, Onkel,« rief er nicht ohne schamhafte Verlegenheit, »und ein tüchtiges Leck obendrein; ich kann ordentlich den kalten Gasstrom auf meiner Hand fühlen.«

      »Da muß sogleich ein Arbeiter her,« sagte Meredith, »ich habe noch heute abend eine Menge wichtiger Schreibereien vor.« Schon faßte er nach der Glocke, als Clive ihn zurückhielt. »Klingle nicht, Onkel! Ich gehe ja so wie so in den Klub. Ich werde bei Carver & Picton vorsprechen und bestellen, daß sie sogleich einen Mann herschicken.«

      »Recht so, mein Junge!« Der Onkel legte die Hand auf des Neffen Schulter. Clive krümmte sich unter dem gütigen Druck und kam sich unaussprechlich schlecht vor.

      Marmaduke Meredith war ein stattlicher Mann


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