Betreten verboten!. Inga Jung
… ich selbst einen Zweithund bekomme?
… mein Hund bei Hundebegegnungen Aggressionen zeigt?
… ich mit meinem territorial motivierten Hund in Urlaub fahre?
Mit dem eigenen Auto unterwegs
… ich meinen territorial motivierten Hund mit ins Büro nehmen möchte?
… ich derjenige bin, der in einem Haushalt mit einem territorial lebenden Hund zu Besuch kommt?
Ressourcenverteidigung – ein Exkurs
Einleitung
Das territoriale Verhalten unserer Hunde wird in den letzten Jahrzehnten oftmals nicht mehr gern gesehen. Unsere Welt hat sich gewandelt, und ein Hund, der in einem Mehrfamilienhaus jedes Geräusch lautstark meldet, wird schnell zum Ärgernis. Territorialverhalten von Hunden gegenüber Besuchern, Postboten und Freunden der Kinder empfinden die meisten Menschen als Problem. Dabei war es über die Jahrtausende währende gemeinsame Zeit von Mensch und Hund hinweg und bis hinein in das 20. Jahrhundert stets eine erwünschte und viel gelobte Eigenschaft unserer Hunde, die durch gezielte Verpaarungen gefördert wurde. Schon im alten Pompeji wurden beispielsweise im Jahr 79 nach Christus Wachhunde gehalten, wie das berühmte Mosaik mit dem Hundebild und der Aufschrift „Cave canem“1 wunderschön belegt. Die Tradition des Hundes, der die Häuser der Menschen bewacht, hat eine sehr lange Geschichte.
Hunde lieben es, im Zusammenleben mit ihren Menschen wichtige Aufgaben zu übernehmen. Sie möchten nicht einfach nur so neben uns her leben und sich füttern und streicheln lassen, sondern sie wollen sich für die Gemeinschaft nützlich machen und mit uns arbeiten. Für einen territorial motivierten Hund ist die Aufgabe des Aufpassers in jeder Hinsicht die naheliegendste Möglichkeit, seine Talente im Zusammenleben mit seinen Menschen einzubringen und uns im Alltag zu unterstützen. Er fühlt sich dadurch als wichtiger Teil seiner Familie. Ein schlichtes Verbot kann daher verständlicherweise zu Frustration und damit verbunden zu weiteren unerwünschten Verhaltensweisen führen. Wie man mit diesem Dilemma umgehen und das Zusammenleben mit einem territorial denkenden Hund für alle Seiten angenehmer gestalten kann, möchte ich auf den folgenden Seiten aufzeigen.
Wenn ich in diesem Buch von territorial denkenden Hunden spreche, dann bitte ich meine Leser, das nicht als Vermenschlichung aufzufassen und aus diesem Grunde abzulehnen. Es ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen, dass Hunde durchaus in der Lage sind, zu denken. Natürlich nicht in vollständigen Sätzen, so wie wir, sondern im Rahmen ihrer eigenen Wahrnehmung. Und ein Hund plant selbstverständlich nicht das nächste Wochenende in Gedanken voraus. Aber er ist ohne weiteres fähig, Zusammenhänge zu erkennen und durch eigene Denkvorgänge Lösungen zu finden. Ein Hund kann aufgrund seiner Veranlagung und seiner individuellen Vorerfahrungen Situationen einschätzen, bewerten und entsprechend handeln. Aber ihm fehlen natürlich wichtige Informationen, die uns Menschen vorliegen, und er betrachtet die Welt aus einem anderen Blickwinkel als wir, daher sind seine Entscheidungen in unseren Augen oft falsch. Aus seiner eigenen Sicht hingegen sind sie logisch. Das zu wissen ist wichtig für uns, denn wir können unsere Hunde nur verstehen, wenn wir uns zumindest ansatzweise in sie hineinversetzen können.
Um das Verhalten von Hunden verständlicher zu machen, lasse ich meine Leser daher gern hin und wieder die Perspektive des Hundes einnehmen. Ich sehe auch dies nicht als Vermenschlichung an. Selbstverständlich kann man die Wahrnehmung und die Denkweise von Hunden und Menschen nicht vergleichen. Allein, was die geruchliche Wahrnehmung betrifft, leben Hunde in einer ganz anderen Welt als wir. Aber da wir Menschen keine Möglichkeit haben, uns in die Sinneswelt eines Hundes zu versetzen und die Gerüche und Geräusche in der gleichen Intensität wahrzunehmen, bleibt uns nur, uns im Rahmen unserer begrenzten Fähigkeiten in die Welt unserer Hunde hineinzudenken, um sie zu begreifen. Das wiederum halte ich für durchaus legitim, da die beiden Säugetier-Spezies Hund und Mensch doch auch einige Gemeinsamkeiten haben, auf denen wir aufbauen können. Gerade in den letzten Jahren hat die Verhaltensforschung – und hier insbesondere die Forschergruppe rund um Dr. Ádám Miklósi2 – einige erstaunliche Ergebnisse hervorgebracht, die belegen, dass wir vermutlich sogar mehr gemeinsam haben, als wir bisher dachten.
Ihnen fällt vielleicht bei der Lektüre dieses Buches auf, dass ich es vermeide, das Wort „Hundebesitzer“ zu benutzen. Ich rede lieber von „Mensch mit Hund“ oder auch „ein Hund und sein Mensch“, und das ganz bewusst, denn ich versuche darüber auszudrücken, dass der Hund kein Wesen ist, das wir besitzen und mit dem wir machen dürfen, was wir wollen, sondern, dass er ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen ist. In meinen früheren Publikationen habe ich das nicht so eng gesehen, denn ich dachte, es ist ja nur ein Wort. Doch das ist es nicht, es spiegelt auch eine Einstellung dem Hund gegenüber wider, die von mangelndem Respekt vor dem Individuum gekennzeichnet ist und sich auch heute noch im Hundetraining bemerkbar macht. Auch wenn dies inzwischen überholt ist, gibt es immer noch Hundetrainer, die ihren Kunden vermitteln, sie müssten ihrem Hund ihren Willen aufzwingen, ihn teils sogar mit körperlicher Gewalt unterdrücken und zu ihrem gefügigen Untergebenen machen. Dabei wissen wir heute, dass Hundetraining, welches auf Lob und Kooperation basiert, dem Weltbild eines Hundes weitaus besser entspricht und für ihn sehr viel einfacher umsetzbar ist. Lernen ohne Zwang und Angst ist zudem grundsätzlich effektiver und prägt sich nachhaltiger ein, nicht nur bei Hunden. Es gibt keinen Aspekt in der Hundeerziehung, der auch nur ansatzweise den Einsatz psychischer oder physischer Gewalt rechtfertigt.
Ich möchte mit diesem Buch Verständnis für das territoriale Verhalten unserer Hunde wecken und aufzeigen, wie diese Hunde die Welt sehen, aus welchen Beweggründen heraus ihr Verhalten entsteht und warum man ihnen das territoriale Denken nicht einfach aberziehen kann wie eine lästige Angewohnheit. Ich möchte aber auch deutlich machen, dass ein Hund, der glaubt, er müsse sein Haus beschützen, es manchmal nicht beim Bellen belässt, insbesondere dann, wenn das Bellen nichts nützt. Geht der Eindringling trotzdem weiter ins Haus hinein, dann bleibt dem verzweifelten Hund vielleicht nichts anderes übrig als zuzuschnappen. Auch wenn in den allermeisten Fällen