Der Occultismus des Altertums. Karl Kiesewetter
Der Blitz des Gottes Bin . . . . . . . . . .
Der Blitz der Erde . . . . . . . . . . . . .
Der Blitz des Wassers . . . . . . . . . . . .
Der Blitz der Nacht, welcher leuchtet . . . .
Der Blitz des Gottes Mamna . . . . . . . . .
Der Blitz des Gottes Baluv . . . . . . . . .
Der Blitz des Gestirnes . . . . . . . . . . .
Der Blitz . . . . . . . . . . . . . . . . . .“
Vergleichen wir nun die Blitze der Planeten und die fulgura fortuita des Plinius mit den Angaben des Fragments, so finden wir, daß die Blitze des Ersteren mit dem „Blitz der Gestirne“ und dem „Blitz des Gottes Bin“ (assyr. Rimmon) zusammenfallen. Bin ist der Gott der Luft und des Donners und wird deshalb mit einem Donnerkeil oder einem zackigen Blitz dargestellt.
Die Blitze der Götter Mamna und Baluv sind verschiedenen Erscheinungsphasen des Planeten Mars zugeeignet und waren wegen ihrer zündenden Kraft berüchtigt.[57]
Die übrigen auf dem Fragment genannten Blitzarten waren den Etruskern ebenfalls bekannt, welche dieselben auch zum Teil den obern Planeten zuschrieben.[58] Dieselben kannten auch eine Art dem Saturn geweihte Blitze, welche von der Erde zum Himmel emporstiegen.[59] Dies ist wohl „der Blitz der Erde“ des Fragments, welcher mit dem Blitz des Bel oder Mul-ge identisch ist. Endlich kannten die Etrusker noch „die Blitze der Nacht“, welche der Gott Summanus erzeugen sollte, während die Römer die komplizierte etruskische Fulgurallehre einfacher gestalteten und nur „Blitze des Tages“ und „Blitze der Nacht“ annahmen, die sie dem Jupiter oder dem Summanus zuschrieben. Dagegen findet sich in den Berichten über die etruskische Fulguration nichts, was sich mit dem rätselhaften „Blitz des Wassers“ der Chaldäer vergleichen ließe.
Über die Wahrsagerei der Chaldäer aus Erdbeben, welche Diodorus Siculus erwähnt[60], wissen wir nichts näheres, ebensowenig als über die chaldäische Kapnomantie und Pyromantie. In Griechenland war die Pyromantie, deren Erfindung dem Amphiaraus zugeschrieben wurde, allgemein gebräuchlich. Man warf unter Gebeten Weihrauch in die Flamme und beobachtete, ob derselbe verzehrt oder zerstreut wurde, worauf man dann Schlüsse auf günstige oder ungünstige Vorbedeutung schloß. Diese auch Libanomantie genannte Wahrsagungsart war besonders in Apollonia gebräuchlich, wo die heiligen Feuer durch dem Boden entströmende Kohlenwasserstoffgase genährt wurden.
Da oben ein mitgeteiltes Fragment einer Kapitelüberschrift des Sargonschen Auguralwerkes lautet: „Zinnober ist über der Flamme verbrannt“, so scheint es, daß die Akkader ein ähnliches Verfahren kannten; auch dürften sie, weil sie ihrem Feuergott eine so große Bedeutung als Bekämpfer der bösen Dämonen beilegten, auch auf das äußere Ansehen der Feuerflammen geachtet haben.
Nach einigen Bruchstücken des Sargonschen Werkes schrieben die Akkader auch Quellen und Flüssen prophetische Bedeutung zu und weissagten aus der Menge, dem Aussehen und der Strömung des Wassers.
Nach Psellus[61] sind die Assyrer die Erfinder der Lekanomantie, welche bei ihnen jedoch anders als in späterer Zeit ausgeübt wurde. Psellus sagt:
„Die Lekanomantie wird mittelst einer Schale ausgeübt, welche man mit prophetischem Wasser anfüllt und vor sich stehen hat. – Dieses Wasser unterscheidet sich äußerlich durch nichts vom gewöhnlichen Wasser, aber die Handlungen und Beschwörungen, welche über dem Gefäß vorgenommen werden, beschenken es mit einer prophetischen Kraft, welche im Schoße der Erde entspringt und sich eigenartig äußert: Denn während sie sich dem Wasser mitteilt, ruft sie ein unbestimmtes Rauschen hervor, welchem die Anwesenden zunächst keinen rechten Sinn abgewinnen können; hat sie sich aber in der Flüssigkeit nach allen Seiten hin gleichmäßig ausgebreitet, so vernimmt man gewisse seltsame Töne, aus denen man die Prophezeiung der Zukunft schöpft. Diese der materiellen Wirklichkeit angehörenden Klänge haben aber stets etwas Rätselhaftes und Geheimnisvolles an sich[62], daher denn auch die Weissager, welche diesen Umstand möglichst ausbeuten, niemals eines Betrugs überführt werden können.“
Nach einigen Tafeln der Bibliothek zu Niniveh legte man auch dem größern oder geringeren Glanz edler Steine divinatorische Bedeutung bei, wie denn z. B., um über das Gelingen oder Fehlschlagen eines feindlichen Angriffs zu prophezeien, geprüft wurde, ob „der Diamant am Finger“ seine Strahlen nach rechts oder links warf.
Unter den Akkadern wie unter allen Völkern des Altertums war die Phyllomantie, die Wahrsagung aus der Bewegung und dem Rauschen der Bäume sehr gebräuchlich[63] und von ihnen zu den Juden übergegangen; bei ihnen finden wir die Zaubereiche in Sichem[64]; die Maulbeerbäume, aus deren Rauschen David prophezeite[65], und die Palme, unter welcher Deborah weissagte.[66] Auch die vorislamitischen Araber hatten heilige Palmen und verehrten auch den Sumurahstrauch (Spina aegyptiaca) als göttlich. Überhaupt war es ein sehr verbreiteter Glaube der Araber, daß sie aus allen möglichen Arten dorniger Sträucher prophetische Laute zu vernehmen glaubten, und dieser Anschauung dürfte auch die Erscheinung Jehovahs im brennenden Dornbusch ihren Ursprung verdanken. – Die Etrusker, deren Kultur entschieden von der chaldäischen abhängig ist, unterschieden günstige und ungünstige Bäume je nach den Prophezeiungen, welche sie denselben entnahmen.[67] Die Griechen hatten redende Eichen (προσήγοροι δρύες), wie zu Dodona, der ältesten pelasgischen Orakelstätte, und weissagende Lorbeerbäume zu Delphi und Delos. – Auf den Baumkultus der Germanen werde ich später zurückkommen.
Die den Tieren entnommene Orakel anlangend, so betrachteten die Chaldäer vorzugsweise die Schlange als wahrsagendes Tier, was die alten Philosophen damit zu erklären suchen, daß die kriechende Schlange am meisten von allen Tieren mit der Erde, dem Urquell aller Inspiration, in Verbindung stehe. Auch ist darauf aufmerksam zu machen, daß in den semitischen Sprachen die Worte „Schlange“ und „weissagen“ der gleichen Wurzel nahasch entspringen.
Die Schlange ist bei den Chaldäo-Babyloniern und Assyriern das Sinnbild des Ea, der höchsten Einsicht wie des Inhabers der höchsten Weisheit, weshalb sie auch als Sinnbild alles magischen Wissens betrachtet wird. Die Genesis hält sie für listiger denn alle Tiere, die Jehovah erschaffen und die alten Araber glaubten, daß man durch den Genuß eines Schlangenherzens und einer Schlangenleber die Sprache der Tiere verstehen lerne, eine Anschauung, welche bekanntlich noch in der deutschen Volkssage fortlebt. – Es scheint sogar, daß man in einigen babylonischen Tempeln Schlangen züchtete, welche man als Mittler zwischen den Göttern und Menschen ansah und aus ihren Gebahren orakelte. – Auf Ähnliches scheint auch die biblische Erzählung „vom Drachen zu Babel“ hinzudeuten.
Ein anderes prophetisches Tier war der Hund, und Lenormant teilt eine ganze Reihe von Regeln mit, nach welchen die Chaldäo-Babylonier aus der Farbe und dem Exkrementieren eines fremd in den Königspalast oder ein Privathaus gelaufenen Hundes wahrsagten.
Eine leider nur lückenhaft erhaltene Inschrift giebt an, daß Fliegen (zumbi) von den Chaldäo-Babyloniern zum Wahrsagen benutzt wurden. Dieser Umstand beleuchtet einen wichtigen Punkt der semitischen Mythologie, nämlich die Rolle, welche der große Gott von Akkaron (Ekron) spielt. Derselbe hieß bei den Philistern bekanntlich Baal-Zebub, „Baal-Fliege“ oder „Herr der Fliege“; die Septuaginta nennt ihn Βαὰλ μυῖα, Josephus θεὸς μυῖα, und die Juden machten ihn später zum Obersten der Teufel. Dieser Baal-Zebub besaß ein berühmtes Orakel, welches nach dem alttestamentarischen Bericht selbst Achasja, König von Israel, über den Ausgang seiner Krankheit um Rat befragte und dadurch den Zeloteneifer des Elias entflammte. Berücksichtigen wir nun obige keilschriftliche Nachricht, so bleibt kein Zweifel, daß zwischen dem Namen des großen Gottes von Akkaron und der Art und Weise der Ausübung seines Orakels Zusammenhang herrscht, und daß die semitischen Völker so gut wie die Chaldäer Fliegenorakel besaßen. Daß Bienen und Ameisen als wahrsagende Tiere auch bei den klassischen Völkern eine Rolle spielten, beweist die Erzählung von der Kindheit Platos und die Midassage.
Nach dem Bericht des Jamblichus[68] weissagten die Babylonier sogar aus dem Verhalten der Ratten, Heuschrecken &c., und endlich wurden nach Angabe des Sargonschen Auguralwerks auch „die Fische der Teiche“ zu den prophetischen Tieren der Chaldäer gerechnet,