GEFAHR IN DER TIEFE. Jonathan Green

GEFAHR IN DER TIEFE - Jonathan  Green


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ignorierte den auskühlenden Cappuccino vor sich. »Dann schießen Sie mal los.«

      Cheng nahm eine Serviette und stützte seine Arme auf die Tischplatte. »Sie folgten jemandem von dem Schiff, mit welchem Sie eingelaufen sind. Dem medizinischen Offizier Dr. Ogilvy.« Mit flinken Fingern faltete er das weiche Tuch. »Liege ich soweit richtig?«

      »Weiter«, meinte Ulysses.

      »Und auch wenn die Öffentlichkeit der Meinung ist, dass Sie der Jungfernfahrt der Neptune für gut publizierte Erholung und Entspannung nach den letzten Ereignissen in London beiwohnen, sind Sie in Wahrheit aus beruflichen Gründen an Bord.«

      Cheng schaute von seinem Origami auf, um Ulysses’ Reaktion auf die letzte Behauptung zu sehen. Dieser nickte lediglich erneut.

      »Sie glauben, dass Dr. Ogilvy in illegale Schmuggeleien verwickelt ist. Ein kleiner Bauer in einem Opium-Schmuggelring.«

      Die beiden Agenten sahen sich an. Chengs schmale Augen emotionslos, während Ulysses’ funkelten und Cheng aufforderten, mehr zu sagen.

      »Korrekt«, gab er zu.

      »Die letzte Lieferung für Londons Räucherhöhlen kam niemals an, und die Profiteure dieses Unternehmens wollen wissen, was mit ihr geschehen ist. Das ist Ihre Gelegenheit, diese Organisation zu infiltrieren und herauszufinden, wer dahintersteckt. Die Identität des kriminellen Oberhauptes zu enthüllen.«

      Cheng platzierte seine verschlossene Hand auf die Tischplatte zwischen ihnen. Als er sie wieder wegnahm, stand ein Papierkranich an ihrer Stelle, die Flügel ausgestreckt, als wenn er jeden Moment losfliegen wollte.

      »Sehr gut, Mr. Cheng, sehr gut. Da Sie ja anscheinend so gut Bescheid wissen, könnten Sie vielleicht noch ein paar Löcher für mich stopfen.«

      »Das hört sich nur fair an, Mr. Quicksilver.«

      »Warum wissen Sie so viel über meinen verdeckten Auftrag? Wer hat Ihnen das gesteckt?«

      »Wie ich schon sagte; wir stehen auf derselben Seite. Wir haben die gleichen Bosse, welche uns mit den relevanten Fakten versorgen, wenn es nötig ist. Niemand kennt somit das komplette Bild. Ich muss zugeben, dass es von Ihren Auftraggebern ziemlich gewagt ist, jemanden, der so sehr in der Öffentlichkeit steht und als Agent der Krone von Magna Britannia bekannt ist, auf diesen Fall anzusetzen.«

      »Haben Sie noch nie von der Redewendung, sich in der Öffentlichkeit zu verstecken, gehört?« Ulysses lehnte sich zurück. »Kommen wir aber zum Offensichtlichen zurück. Wie viel wissen Sie über Ogilvys Rolle in diesem Spiel?«

      »Genug. Ich weiß, dass er keine große Rolle in diesem Ring spielt und dass seine eigene Sucht von denen mit der wirklichen Macht ausgenutzt wird, ihn gefügig zu machen.«

      »Noch einmal: Woher wissen Sie das alles?«

      »Wie ich Ihnen die ganze Zeit zu erklären versuche, Mr. Quicksilver, arbeiten wir für die gleiche Seite. Wir führen unsere Untersuchungen lediglich von verschiedenen Enden aus.«

      »Wurden Sie am Boriel rekrutiert?«, fragte Ulysses.

      »Wurde ich. Ich gehe davon aus, dass Sie …«

      »Natürlich. Sie würden es vielleicht so sehen, dass ich meinem Vater in dessen Fußstapfen folge.«

      »Ja, richtig. Der berühmte Hercules Quicksilver.«

      »Sie kennen ihn?«

      »Fast so gut wie Ihre jüngste Karriere, Mr. Quicksilver.«

      »Wirklich?«

      »Aber ja. Ich fand es aufregend, über Ihre Abenteuer in der Times zu lesen.«

      »So«, sagte Ulysses, um ihr Gespräch wieder zurück in die richtige Bahn zu lenken. »Wenn Sie so viel über Ogilvy wissen: Was wissen Sie noch alles?«

      »Geheime Informationen, auf die ich zurückgreifen kann behaupten, dass ein alter Bekannter von Ihnen hinter allem stecken könnte.«

      Ulysses konnte sein Interesse nun nicht mehr verbergen. Eine ganze Reihe böswilliger Charaktere, deren verächtliche Pläne er in der Vergangenheit durchkreuzt hatte, tauchte vor seinem inneren Auge auf. Eine wahrhaftige Galerie von Schurken.

      »Welcher? Sagen Sie es mir.«

      »Die schwarze Mamba.«

      Ulysses keuchte auf. Harry Cheng grinste glücklich darüber, dass er Oberwasser hatte und die ansonsten eiskalte Persönlichkeit seines Gegenübers ins Wanken brachte.

      Eine Reihe schmerzhafter Erinnerungen schossen Ulysses durch den Kopf. Er befand sich wieder hoch über dem Himalaja. Zwei Ballone waren fest miteinander verhakt und trudelten durch die Wirbel des mitternächtlichen Schneesturms auf die unerbittlichen Spitzen zu. Das finstere kaiserliche Mandarin Gesicht der schwarzen Mamba nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, einen Krummsäbel in der Hand, welchen Ulysses mit seinem Schwertstock auf Abstand hielt. Davenport an der Seite der Gondel hängend, während dieser sich mit tauben erfrorenen Fingern an die Stichwunde in seiner Brust griff.

      »Mr. Quicksilver?«

      Chengs Worte holten ihn abrupt zurück in die schwüle Wärme der Unterwasserkuppel.

      »Ich … ich dachte, ich hätte diesen Kerl über Mount Manaslu erledigt.«

      »Gedacht oder gehofft? Wir beide wissen, wie gerissen jemand wie die schwarze Mamba sein kann. Manchmal frage ich mich, warum er sich nicht die schwarze Katze genannt hat. Er scheint die neun Leben wahrhaft zu haben. Haben Sie je den grünäugigen Affengott von Sumatra zurückerlangt?«

      Ulysses warf dem chinesischen Agenten einen Blick zu, der besagte: Woher zum Teufel weißt du davon? Er ging jedoch nicht auf die Frage ein. Stattdessen betrachtete er die Oberfläche seines auskühlenden Kaffees, als ob er dort etwas sehen könnte. Wie ein Wahrsager, der in eine Kristallkugel blickte.

      »Darf ich ehrlich sein, Mr. Quicksilver?«

      »Ich würde nichts anderes von Ihnen wollen, Mr. Cheng.«

      »Wären Mr. Sin und ich nicht rechtzeitig aufgetaucht – und ich muss mich erneut für jede Unannehmlichkeit dabei entschuldigen – hätten Sie alles ruinieren können.«

      Ulysses schnaufte verärgert über den herablassenden Cheng. »So mach ich es eben. Ich mische die Dinge etwas auf. Was hatten Sie dort zu suchen, wenn Sie nicht handeln wollten und doch bereits so viel über die Operation wissen? Sie haben Ogilvy unter Beobachtung gestellt, vermute ich mal.«

      »Nein, Mr. Quicksilver, da liegen Sie leider falsch. Wir hatten Sie unter Beobachtung.«

      »Es ist wohl zu erwarten, dass Ihre einzige Spur entkommen ist, während Sie damit beschäftigt waren, mich am Auffliegen Ihrer Operation zu hindern. Wie wollen Sie jetzt noch herausfinden, ob die schwarze Mamba hinter dem Opium-Schmugglerring steckt?«

      Cheng lächelte weiterhin in seiner irritierenden und wichtigtuerischen Art und Weise.

      »Aber er ist doch gar nicht entkommen, Mr. Quicksilver. Ich vermute, dass er in Kürze wieder mit den anderen Passagieren an Bord der Neptune gehen wird.«

      »Wenn Sie ihn dort festnehmen, wird das aber für Sie selbst ein ziemlich öffentlichkeitswirksames Spektakel werden. Wahrscheinlich sogar vor den Augen der Weltpresse. Das ist sicherlich nicht der beste Weg, um zu verhindern, die schwarze Mamba zu alarmieren, dass Sie ihr auf den Fersen sind.«

      »Da stimme ich Ihnen vorbehaltlos zu«, entgegnete Cheng, weiterhin mit demselben einnehmenden Lächeln auf den Lippen.

      »Was in Gottes Namen wollen Sie dann tun?«

      »Ich habe meine Gründe anzunehmen, dass der gute Doktor nicht die einzige existierende Verbindung zwischen den Schmugglern und der Carcharodon Shipping Line ist«, erklärte Cheng. Er griff in seine Jacketttasche und zog vorsichtig einen Briefumschlag hervor. In diesem befanden sich zwei Karten.

      »Zwei Tickets, Mr. Quicksilver. Eins für mich und eins für


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