Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

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Kavalier zu bitten, das Wiederkommen nicht zu vergessen, und Baron Eberhard machte von dieser Erlaubnis den ausgedehntesten Gebrauch. Sartje war im Himmel.

      Aber es war nur der Vorhof des Himmels. Das Allerheiligste blieb eigensinnig verschlossen. Der Baron war die Artigkeit und Liebenswürdigkeit selbst. Sein Mund floß über und nur das eine Wort, das langersehnte, wollte nicht über seine Lippen.

      Mynheer de Klaat hatte es schon mehrfach bereut, den Baron bei dem ersten Erscheinen in seinem Hause zu ferneren Besuchen aufgefordert zu haben und ihn jetzt als täglichen Gast bei sich sehen zu müssen. Wer viele Gönner hat, hat auch viele Neider. Dem Baron fehlte es nicht daran, und alle diejenigen gehörten dazu, welche der gesellschaftlichen Vorzüge entbehrten, die ihm eigentümlich waren.

      Dazu kam, daß mehrfache Gerüchte über den Baron umliefen, die einem so scharf rechnenden Herrn, als Mynheer de Klaat, nicht genehm waren. Er war vermögenslos und sollte geäußert haben, der Reichtum sei nur etwas Zufälliges und Nebensächliches. Er lege gar keinen Wert darauf, denn es könne jemand bis über die Ohren im Golde sitzen und doch blutarm sein. Mynheer de Klaat, der diese letzte Aeußerung buchstäblich nahm, schüttelte zu diesem Wahnsinn gewaltig mit dem Kopfe. Auch sollte es mit dem ehrenvollen Abschied des Barons nicht ganz so beschaffen sein, wie es anfangs erzählt wurde, und was den Charakter desselben beträfe, erhielt man auf jede darauf sich beziehende Frage ein bedenkliches Achselzucken zur Antwort. Man munkelte viel von des Barons Neigung zu wüsten Gesellschaften, wo Spiel und Trunk vorherrschten und am wenigsten die gute Sitte, womit der Baron prunkte, das Regiment führte.

      Mynheer de Klaat saß auf der Veranda, mit diesen Gedanken beschäftigt, und nickte einem Manne zu, der mit einer dienstfertigen Verbeugung dem Pflanzer gegenübertrat. Es war der Agent Gerd Bloom, ein etwas magerer, leichtfüßiger Herr, welcher seine Tage damit hinbrachte, gegen eine mäßige Provision anderen Leuten die Mühseligkeiten ihres Lebens abzunehmen, damit sie ihnen nicht zu schwer zu tragen würden.

      Gerd Bloom erkundigte sich nach der unschätzbaren Gesundheit seines werten Patrons, machte einige Glossen über ein Paar Mynheers, die Herr de Klaat nicht ausstehen konnte, und sagte dann:

      »Der Kaffee sinkt im Preise.«

      »Schert mich nicht!« entgegnete Mynheer de Klaat. Er hatte nämlich seinen Vorrat bereits an den Mann gebracht.

      »Dagegen ist der Zucker in neuester Zeit beträchtlich gestiegen,« fuhr Gerd Bloom fort.

      Ein sonniger Schein flog über das Gesicht des Mynheer, dem die vorjährige Ernte noch auf dem Halse lag. Er nickte dem Agenten zu und sagte leise:

      »Losschlagen!«

      Gerd Bloom verbeugte sich und machte in seiner Schreibtafel einige Notizen; dann setzte er hinzu:

      »Die Surinam-Post ausgeblieben.«

      Der Sonnenschein schwand von Mynheers Stirn und verdrießlich fragte er:

      »Wo gestern gewesen?«

      »Bei Brookers, Mynheer. Der Baron war zum Mittagessen eingeladen und ist nachher mit den beiden Söhnen des Herrn Brookers ausgeritten. Sitzt gut zu Pferde, der Baron.«

      »Das geht Ihn nichts an!« polterte Mynheer, und Gerd Bloom schüttelte zum Zeichen des Einverständnisses mit dem Kopf; dann sagte er:

      »Heute spät aufgestanden. Abends in Batavia gewesen bei der französischen Madame.«

      Die französische Madame war eine Wirtin namens Hortense, die früher mit einem Seemann von Martinique verheiratet war. Sie errichtete ein Wein- und Kaffeehaus und hatte das Glück, durch ihre artigen Manieren sich eine reichliche Kundschaft zu erwerben. Bei den kalten, förmlichen Mynheers erregte das muntere, ungezwungene Wesen der Madame Hortense vielfachen Anstoß. Es galt für unpassend, ein Haus zu besuchen, wo in dem Schutze der Nacht Dinge vorfielen, die ein ehrbarer Mann auszusprechen nicht wagen dürfe.

      Mynheer de Klaat beruhigte sich allmählich. Es schien ihm unmöglich, daß ein Mann, der in dem Hause der Madame Hortense verkehrte, den geringsten Eindruck auf seine Tochter machen könne. Er war der Furcht überhoben, einen Abenteurer, einen deutschen Muff zum Schwiegersohn annehmen zu müssen.

      Gerd Bloom konnte nicht umhin, seinen Gönner mit noch einer glücklichen Botschaft zu erfreuen. Er beugte sich vornüber und flüsterte geheimnisvoll:

      »Kahl und leer.«

      Er wies dabei auf die Tasche.

      »Ist das wahr?«

      »Der Diener sagt es. Herz-Dame hat ihm den Possen gespielt. Der vornehme Baron muß Schulden machen, Mynheer.«

      »Lump!« sagte de Klaat und faltete die Hände vor dem Bauch. »Vielleicht läßt er sich mit einem Stück Geld abkaufen und segelt nach Deutschland mit dem nächsten Schiffe zurück. He?«

      »Will es versuchen!« gab der Agent zur Antwort, als das Rauschen eines Kleides ihn störte.

      Es war Sartje, die auf die Veranda hinaustrat, und die letzten Worte gehört hatte:

      »Was will Gerd Bloom versuchen? Vielleicht wieder einmal ehrbare Leute verklatschen und ihnen einen bösen Leumund machen?«

      Der Agent war aufgesprungen und zog sich in die möglichste Entfernung zurück. Herr de Klaat, der alles haßte, was ihn aus seiner Ruhe bringen konnte, erhob sich und sagte:

      »Sartje, mein Kind! Gerd Bloom hat von mir einen Auftrag wegen meiner Zuckervorräte empfangen und darauf beziehen sich seine Worte. Geht an Eure Arbeit, Mann; ich bin mit Euerm Anerbieten einverstanden.«

      Der Agent entfernte sich so schnell er es vermochte.

      Sartje rauschte ein paarmal die Veranda auf und ab, dann blieb sie vor dem Vater stehen und sagte mit unterdrückter Lebhaftigkeit:

      »Sage es nur offen heraus, daß hier wieder von dem Baron die Rede gewesen ist. Dieser gemeine Mensch, dieser Gerd Bloom, der den Leuten auf Schritt und Tritt nachgeht, ist mir in den Tod verhaßt. Er spürt dem unschuldigsten Geheimnis nach, das er mit boshafter Zunge verdreht, und wenn er nichts zu entdecken vermag, lügt er zusammen, was ihm in seinen Kram paßt.«

      »Er spricht also von dem Baron, behauptest du?« entgegnete Mynheer. »Gut. Warum soll er nicht von einem Mann sprechen, den alle Welt im Munde führt? Der Herr ist hier erschienen, keiner weiß wie? Er kommt, woher? Keiner hat es mit Bestimmtheit erfahren, denn jedem erzählt er es anders. Er lebt; kein Mensch weiß, wovon? Er kennt alle Welt: ihn kennt niemand. Er geht in alle Häuser, die ihm bereitwillig geöffnet sind, aber wie es in seinen eigenen vier Pfählen aussieht, weiß niemand.«

      Seit geraumer Zeit hatte Mynheer nicht so viel und so anhaltend gesprochen als in diesem Augenblick. Er hielt erschöpft inne, und erst nach einer ziemlich langen Pause sprach er schließlich:

      »Der Mann ist ein Rätsel für Buitenzorg. Ein Rätsel, dessen Auflösung bisher keiner wagte, die aber wahrscheinlich nahe bevorsteht. Hoffe, daß nach dem zuletzt Gehörten der Besuch des Herrn nicht mehr bei uns zu erwarten steht.«

      »Hat Gerd Bloom das ausfindig gemacht?« entgegnete Sartje gereizt. »O, warum nicht! Man kann einem Manne von Ehre es nahe genug legen, daß er nicht wiederkommen darf. Es meiden alle Leute unser Haus, die sonst hier erschienen sind. Warum soll dieser eine noch bei uns aus- und eingehen? Du machst es mit mir, wie es euer Zauberer mit der Prinzessin machte, wie es in dem deutschen Märchenbuche steht. Er setzte sie in einen goldenen Käfig, dem auf tausend Schritte kein Mann zu nahe kommen durfte, wollte er nicht vom Blitz erschlagen werden.«

      »Ich will dir Zeit geben, dein ungehöriges Betragen einzusehen und dich bei mir zu entschuldigen,« antwortete Mynheer de Klaat. »Gehe mit dir zu Rate und gestehe dir selbst, daß es nur deine Schuld ist, wenn dein Leben sich nicht gestaltet hat, wie du es zu wünschen scheinst. Mich bitte ich mit Vorwürfen sowie mit den Ausbrüchen deiner üblen Laune zu verschonen.«

      Er entfernte sich und ließ seine Tochter in der allerübelsten Stimmung zurück, die sich aber nach wenigen Minuten auffallend


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