Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

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noch zu atmen vermag, werde ich einen Landsmann nicht verlassen. Ihr findet den gewohnten Zufluchtsort bei mir.«

      Er ging nach der Richtung des Gouvernements-Palastes, wo die Audienz sich ihrem Ende näherte. Man verabschiedete sich gegenseitig, als der Diener mit lauter Stimme meldete:

      »Baron Eberhard!«

      Der Gouverneur entfärbte sich. Nach den neuesten Nachrichten, die er aus Cayenne empfing, hatte er auf einen andern Ausgang gerechnet. Es bedurfte einiger Momente, bevor er die Herrschaft über sich gewann; dann befahl er dem Diener, den Herrn in sein Kabinett zu führen, und entließ die noch anwesenden Personen mit einer Handbewegung.

      Der Gouverneur und der Baron standen sich gegenüber. Der erstere nahm das Wort und sagte:

      »Ich kann Euch nicht willkommen heißen, denn Ihr habt den Euch anvertrauten Posten verlassen ...«

      »Bevor der Uriasbrief in Erfüllung ging, den Ihr um meinetwillen geschrieben!« unterbrach ihn der Baron. »Was soll dieser strafende Blick? Ihr könnt gern die Maske fallen lassen. Ich weiß alles.«

      »Ihr sprecht im Fieber, Herr!« sagte der Gouverneur kalt. »Das Klima von Cayenne hat seine Signatur mit unverlöschlichen Zügen in Eure Stirn gegraben.«

      »Sie wird mich nicht hindern, meine letzten Pflichten zu erfüllen!«

      »Möchtet Ihr damit glücklicher sein, als es Euch bisher gelungen ist!« entgegnete der Gouverneur mit kaltem Spotte. »Das Vertrauen, welches man in Euch setzte, ist durch nichts gerechtfertigt. Unsere Angelegenheiten sind durch Eure Mission eher verschlimmert als gebessert. Man würde es dem Gouvernement nicht übel deuten können, wenn es eine Untersuchung anordnete und Euer Verfahren dem Urteil eines unparteiischen Richters vorlegte. Indessen wird dies um Eurer früheren guten Dienste willen nicht geschehen und man erteilt Euch den guten Rat, um Eure Entlassung einzukommen, die Euch mit der gesetzmäßigen Pension gewährt werden soll. Und somit, Herr Baron, denke ich, sind wir am Ende.«

      »Das Ende wird der Ausspruch des Gesetzes sein, den ich fordere und dem ich mich unterwerfe!« sagte der Baron. »Aber als Kavaliere stehen wir auf einem andern Boden uns gegenüber. Für die Schmach, welche Ihr mir antatet, gibt es nur eine Genugtuung.«

      »Ihr möchtet mit einem Säbelhiebe ausgleichen, was Ihr mit Eurer diplomatischen Weisheit verdorben habt!« entgegnete der Gouverneur abweisend. »Wir sind nicht mehr in dem Alter, wo man leichtsinnig mit dem Degen oder der Pistole einen sogenannten Ehrenhandel ausficht. Meine hohe Stellung ist zu bedeutend, um mich von dergleichen überspannten Ansichten leiten zu lassen. Ich bin der Chef, Ihr seid mein Untergebener; ich befehle und Ihr habt zu gehorchen.«

      »Für dieses Wort seid Ihr mir verantwortlich!« rief der Baron im hellen Zorn. »Wenn noch ein Funken Ehrgefühl in Euch ist, müßt Ihr mir jetzt die Genugtuung geben, die ich verlange. Weigert Ihr sie mir, habt Ihr Euch die Folgen selbst beizumessen. Weh! Mein Kopf! – Wollt Ihr die verlangte Genugtuung geben?«

      Statt aller Antwort zog der Gouverneur rasch nacheinander die Klingel. Die Dienerschaft flog herein.

      »Man geleite den Herrn Baron nach Hause!« sprach der Gouverneur kalt und ruhig. »Seine Gnaden ist plötzlich erkrankt und bedarf der sorglichsten Aufsicht.«

      Der Gouverneur entfernte sich. Die Diener nötigten den Baron, der zu schwach zum Widerstande war, sich zu entfernen. Als er sich draußen befand, flüsterte der eine von ihnen seinen Kameraden zu:

      »Laßt ihn um Gotteswillen laufen. Er hat das Cayennefieber und ich danke dafür, von ihm angesteckt zu werden.«

      Baron Eberhard schwankte. Es dunkelte ihm vor den Augen. Der Schauspieler, welcher ihn bis zum Gouvernements-Palast begleitete und auf seine Rückkehr harrte, trat herzu und sagte:

      »Stützt Euch auf mich, Herr! Bis zu dieser Stunde standet Ihr mir bei; jetzt kommt die Vergeltung.«

       Inhaltsverzeichnis

      Von Surinam nach Java! Eine weite, einförmige Fahrt durch die Ozeane. Monate schwinden von dem Tage ab, wo der Anker vor Paramaibo gelichtet wird, bis zu der Stunde, wo er in der Jakatrabucht vor Batavia wieder in die Tiefe sinkt.

      Dort liegt sie, die Stätte des Reichtums und der Fülle, aber auch zugleich der Schauplatz der Qual und der Not ohne Ende, wo die Pest in jedem Winkel lauert und mit ihrem eklen Atem die Luft vergiftet. Hier rastet nur, wen die Notwendigkeit dazu zwingt, oder wer durch die Macht des Goldes an diese Stätte gebannt ist. Wenn der Zweck erreicht ward, flieht der Freigewordene auf die Höhen und atmet dort die reine Luft, die von dem Meere ihm entgegenströmt.

      Das Eldorado der stolzen Mynheers ist Buitenzorg. Es ist das wahre Sanssouci der reichen Kaufmannsaristokratie; das eigentliche Ohnesorgen der fürstlichen Beamtenwelt, welche hier ein sybaritisches Leben führt. Im Süden von Batavia erhebt sich der malerische Salak, an dessen nördlichem Fuß sich die Villen von Buitenzorg unter Palmen ausbreiten. Es sind die reichen Vasallen des königlichen Palastes, worin der Generalgouverneur von Holländisch-Ostindien seine Residenz aufgeschlagen hat. Die klaren Wellen des Tjdanie fließen durch die Tropenpracht der Gärten und ergießen sich in einen Kanal, der dieses Paradies mit der Stadt Batavia verbindet. Auf dieser Wasserstraße ist ein steter Verkehr.

      Unter den mancherlei Herrensitzen, die sich in dem Schatten der Palmen hinlagerten, befand sich auch derjenige des Mynheer de Klaat. Er war im Besitz ausgedehnter Kaffee- und Zuckerplantagen, die eine glänzende Rente abwarfen und ihm gestatteten, es den ersten gleich zu tun. Er genoß die allgemeinste Achtung, und selbst Mynheer Cornelis de Wiggers, der einer der Bewindhebber der holländisch-ostindischen Compagnie war, würdigte ihn seines näheren Umganges.

      Außer seinen reichen Plantagen und seiner fürstlich eingerichteten Villa besaß Mynheer de Klaat noch ein drittes Besitztum, welches ihm mehr als die beiden ersten hätte am Herzen liegen müssen, das ihm aber nichtsdestoweniger zeitweise unbequem wurde, und das war seine Tochter Sartje.

      Myjuffrouw Sartje de Klaat gehörte zu der Zahl derjenigen jungen und reichen Damen, welche in der Jugend erster Maienblüte allzu wählerisch sind, bis dann der Glanz allmählich erbleicht und das Herz in banger Sehnsucht derjenigen denkt, die es früher spottend abgewiesen.

      Die Dame war unvermählt geblieben. Das reiche Erbe, welches ihre Hand zu vergeben hatte, war nicht stark genug, um einen batavischen Rinaldo zu den Füßen dieser Armida niederzuwerfen.

      Da nahte sich in einer glücklichen Stunde der schützende Genius des verlassenen Mädchens und führte ihr den ersehnten Gegenstand zu. Der Bewindhebber Cornelis de Wiggers gab ein ländliches Fest, bei welchem auch Mynheer de Klaat mit seiner Tochter Sartje erschienen waren. Unter den zahlreich versammelten Gästen war einer, der von dem Hausherrn mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt, den einflußreichsten Mynheers besonders vorgestellt und dringend empfohlen wurde. Es war dies ein deutscher Edelmann, Baron Eberhard, der als Offizier im Solde der holländischen Regierung stand und derselben in Surinam nicht unwesentliche Dienste leistete. Mißhelligkeiten, die zwischen ihm und dem Gouvernement ausbrachen, hatten ihn vermocht, seinen Abschied zu nehmen, der ihm in den ehrenvollsten Ausdrücken zuteil ward.

      Weshalb er nach Java kam und dort die Bekanntschaft einflußreicher Männer suchte, wußte keiner, da der Baron in dieser Beziehung ziemlich verschlossen war. Sein bescheidenes und doch festes Auftreten, seine eleganten Manieren sicherten ihm die Gewogenheit der Herren. Die zarte Galanterie und die gewählte Ausdrucksweise erwarben ihm die Sympathie der Damen.

      Sartje de Klaat gehörte zu denjenigen ihrer Mitschwestern, welche bei den mannigfachen Vorzügen des deutschen Barons von einer zärtlichen Empfindung ergriffen wurden. Sie hörte mit klopfendem Herzen die zierlichen Redensarten an, die er ihr zuflüsterte, als er ihr in aller Form vorgestellt wurde. Sie hatte das Glück, an der Tafel neben ihm zu sitzen und von ihm mit großer Aufmerksamkeit bedient zu werden. Als die Gesellschaft aufbrach, geleitete er sie bis an den Wagen und bat um die Erlaubnis,


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