Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni Behrendt
Verzichten heißt aufgeben, und dagegen wehrte sich ihr Herz.
Ich will nicht verzichten, ich will Erfüllung haben, drängte es und schuf dem Menschenkind damit Not und Pein. Wie sollte es dem ungestümen Herzen wohl zu der Erfüllung verhelfen. Denn der, für den es so heiß und so brennend schlug, hörte diesen Schlag nicht. Er ging in der ihm eigenen Gelassenheit durch seine Tage.
Oder auch nicht? Denn er war sehr ernst und still, in den Mundwinkeln stand ein bitteres Lächeln. Rosita hätte weinen mögen, wenn sie es sah.
Herzensnot, o süßes Gebot! Gab es denn nichts, was dieses Gebot brechen konnte?
Bei einer war das möglich, nämlich bei Dina von Kyrt. Bei ihr konnte man sagen: Leise kommt das Glück zu dir. Es näherte sich ihr Schritt für Schritt, ganz leise, ganz verschwiegen. Doch vorläufig bewahrheitete sich bei ihr noch das Goethewort: »Hangen und Bangen in schwebender Pein.«
Und da war es wieder die junge Gräfin, die bei der Freundin diesem Hangen und Bangen endlich ein Ende machte. Man zählte die letzten Tage im Juni, als Baron von Brunbach in die Sonntagsnachmittagsruhe der Trutzgers hineintrat, lachend, strahlend wie ein Mensch, dem etwas Glückhaftes widerfuhr. Man lag gerade nach dem Mittagsmahl in den Liegestühlen auf der Terrasse, als der Mann plötzlich vor ihnen stand, braungebrannt von der Sonne, der er sich auf den heimatlichen Feldern ausgesetzt, im nimmermüden Schaffen
des Landwirts. Die Zähne blitzten durch den lachenden Mund.
»Ich bin frei!« verkündete er mit unterdrücktem Jubel. »Vor einer Stunde hat mein Rechtsanwalt mir das Scheidungsurteil durch einen Boten zustellen lassen. Ich habe das Gefühl, als wäre ich neu geboren.«
»Na, auf das Gefühl dürfte man sich nicht genau besinnen können«, dämpfte Detlef lachend den Enthusiasmus. Erhob sich jedoch gleich den anderen und streckte dem Freund die Hand entgegen.
»Meinen Glückwunsch, Manfred!« sagte er sehr herzlich. »Ich freue mich mit dir, das darfst du mir schon glauben.«
»Und wie ich mich erst freue!« strahlte Rosita ihn an. »Da muß ich doch rasch mal ein Zitat hervorkramen – oder besser gleich ein Verslein:
Sagt das Unglück dir Adieu,
denk nicht weiter an dein Weh.
Denn neben diesem Bösewicht
steht gleich das Glück –
versäum es nicht!«
»Wunderbar«, sagte Brunbach entzückt. »Aber wie soll ich das mit dem Glück verstehen? Neben mir stehen Sie doch, Frau Gräfin.«
»Vor Ihnen stehe ich, Herr Baron«, betonte sie spitzbübisch.
»Ach so«, lachte er. »Wenn darin ein Unterschied sein soll, muß es doch heißen: Vor dir steht das Glück.«
»Dann würden die Versfüßlein hinken«, blitzte sie ihn an, und da trat Rasmus dazwischen.
»Halt ein, du übermütiger Schelm! Du machst den Mann ja kopfscheu. Also, mein lieber Manfred, auch ich beglückwünsche Sie herzlich.«
Während Brunbach ausführlicher erzählte, schlich Rosita zum Fernsprecher, wo sie gleich darauf mit Dina sprach.
»Halte dich also bereit«, schloß sie das längere Gespräch mit unterdrücktem Lachen. »Wenn er abreitet, sage ich dir rasch Bescheid. Schluß der Rede, und alles, alles Gute, Dinalein! Ich drücke dir die Daumen.«
So kam es denn, daß Brunbach auf seinem Heimritt Dina von Kyrt begegnete.
Als er die Reiterin gewahrte, leuchtete es in seinen braunen Augen auf, und der Kuß, den er zur Begrüßung auf die zarte Hand drückte, war für eine Höflichkeitsform zu zärtlich und zu lang.
»Gnädiges Fräulein, ich bin glücklich über den Zufall, der Sie mir gerade jetzt in den Weg führt«, er sah sie mit einem Blick an, der ihr das Blut heiß in die Wangen schießen ließ. »So sollen Sie nach den Trutzgers die erste sein, die erfährt, daß ich endlich geschieden bin. Ich habe eine Freude in mir, daß ich am liebsten die ganze Welt umarmen möchte.«
Dann fang nur bei mir an, hätte sie am liebsten gesagt, was natürlich unterblieb. Im Gegenteil: Dina fühlte sich so gehemmt, daß sie kein Wort aus der geengten Kehle brachte. Schweigend ritt sie an seiner Seite dahin, hielt den Kopf beharrlich gesenkt, was den Mann schmerzlich berührte. Er spürte plötzlich nichts mehr von Freude, empfand seine Freiheit nicht mehr so beglückend.
»Gnädiges Fräulein«, begann er mit einer Stimme, in der sein Herzklopfen mitschwang. »Es tut mir weh, gerade Sie so gleichgültig zu sehen. Also habe ich mich getäuscht...«
»Bitte nicht so, Herr Baron«, unterbrach sie ihn hastig.
»Na, wie denn sonst, gnädiges Fräulein? Wollen Sie mich nicht wenigstens einmal ansehen?«
Sie tat es, und er glaubte, das Herz müßte ihm bersten vor seligem Schreck.
»Gnädiges Fräulein?« fragte er leise. Da nickte sie, wobei sich ihr Gesicht mit heller Glut übergoß. Nur noch wenige Meter ritten sie, dann war eine Bank erreicht, die unter einer alten Eiche stand. Da saß der Mann ab, hob die Reiterin aus dem Sattel und gab den Pferden das Maul frei, die laut wiehernd dem saftigen Grün der Wiese zutrabten. Das junge Paar jedoch nahm auf der Bank Platz. Blick wurzelte in Blick, und dann lagen vier Lippen heiß aufeinander.
Indessen saß Rosita mit den Ihren auf der Terrasse. Man hatte den Nachmittagskaffee hinter sich und lag nun faul in den bequemen Stühlen. Doch während die beiden Herren es mit Genuß taten, hob Rosita immer wieder den Kopf, als warte sie auf etwas. Der Gatte, der sie verstohlen beobachtete, konnte sich diese Unruhe nicht erklären. Was hatte die kleine Frau nur?
Das sollte er jedoch erst erfahren, als die Sonne schon ziemlich tief stand. Da schlug der Fernsprecher im Zimmer an, und schon stand Rosita auf den Beinen, eilte davon. Fünf Minuten später erschien sie mit strahlendem Gesicht.
»Erhebt euch, ihr Faulpelze! Wir sind feierlichst zur Verlobung eingeladen.«
»Wer will sich da wieder ins Unglück stürzen?« fragte der Vater pomadig. »Soviel ich weiß, haben wir in unserem Bekanntenkreis keinen so Leichtsinnigen zu vermerken. Laßt sie feiern, aber ohne uns.«
»Ach, sieh mal einer an«, spottete die Tochter. »Auch wenn es sich um Dina von Kyrt und den Baron Brunbach handelt?«
Die beiden Herren schnellten hoch und sahen das grazile Persönchen so verdutzt an, daß dieses sich vor Lachen bog.
»Macht den Mund zu«, neckte sie. »Denn geistreich seht ihr wahrlich nicht aus.«
»Rosita, du Erzschelm«, begann der Vater, doch sie winkte ab.
»Jetzt keine Fragen bitte. Wir wollen die Ungeduldigen in Eiseln nicht länger als nötig warten lassen. Feierlicher Anzug ist nicht erforderlich, nur die Jacken müßt ihr euch anziehen. Gebt euch keine Mühe, mich aushorchen zu wollen, ich schweige wie ein Trappistenmönch.«
Eine Stunde später erschienen sie in Eiseln, wo es strahlende Gesichter gab. Am meisten strahlte natürlich das junge Brautpaar, das sich sozusagen auf die lachende junge Gräfin stürzte. Doch während die Braut diese stürmisch umarmte und herzlich küßte, begnügte sich der Bräutigam damit, das jetzt immer so gepflegte Händchen schmeichelnd mit den Lippen zu berühren.
»Frau Gräfin, wenn ich ein Dichter wäre…«
»Um Gottes willen!« wehrte sie entsetzt ab. »Kommen Sie mir nicht womöglich mit Zitaten, Herr Baron. Es genügt, wenn ich mich damit abplagen muß. Sagen Sie lieber, ob ich das gut gemacht habe.«
»Gut ist gar kein Ausdruck, Frau Gräfin. Sagen wir: bezaubernd.«
»Na man vorsichtig«, blitzte sie ihn an. »Sie haben jetzt nämlich eine Braut, Herr Baron. Vor allen Dingen wollen wir die beiden Herren da aus ihrer Erstarrung aufrütteln, sonst werden sie noch ganz zur Salzsäule wie Lots Weib.«
Man erbarmte sich der