Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni Behrendt
von Kyrt, schien den Baron von Brunbach kaum zu beachten, und doch leuchteten die Augen des Mannes verräterisch auf, wenn sie das Mädchen erblickten. Es gab Rosita jedesmal einen Stich ins Herz, wenn auch Marlene Grandt mit im Boot fuhr. Und da war es immer wieder der junge Graf Trutzger, der sie zu den Fahrten einlud. Doch während die anderen beiden Weiblichkeiten »zünftig« gekleidet ohne eine Spur von Angst herumkletterten, verharrte die dritte in einem netten Kleidchen ängstlich auf demselben Fleck. Sie schrie erschrocken auf, wenn sich das Boot zur Seite legte, und dann war Detlef stets zur Stelle, um sie zu beruhigen.
Bei alledem zuckte Rosita mit keiner Wimper, gab nie ihrem gequälten Herzen nach. Sie wuchs in den Tagen der Herzensnot über sich selbst hinaus, über ihre noch nicht einmal zwanzig Jahre, wo man ja noch töricht sein darf. Daß es keine schlaflosen Nächte für sie gab, dafür sorgten die Fahrten auf dem Wasser, die oft noch nach Feierabend, wenn die beiden Trutzgers ihr Tagewerk vollendet hatten, auf eine Stunde unternommen wurden. Danach war Rosita so müde, daß sie sofort einschlief. Auch das Reiten ermüdete, wie ja der Aufenthalt in der herben Seeluft überhaupt.
Aber da es im Mai auch Regentage gibt, selbst am Sonntag, dem einzigen Ruhetag des Landwirts während der Hochsaison, so regnete es auch an dem einen Sonntag, als Rosita erwachte. Grau in grau spannte sich der Himmel über das maischöne Land, es mit seinem Naß erquickend. Denn es hatte tagelang sommerlich heißes Wetter gegeben, da ist so ein gleichmäßiger Regen für Feld und Flur Goldes wert.
Rosita bedauerte es zuerst, daß man heute nicht hinaus konnte, tröstete sich dann jedoch damit, daß der verregnete Sonntag trotzdem nicht langweilig werden würde. Sicherlich erschien Manfred Brunbach und auch Dina, vielleicht auch Marlene. Sie war zwar seit dem Sonntag im April, als sie die Tabletten für die Tante holte, nicht mehr im Schloß gewesen, aber wer konnte wissen, welche List sie heute anwenden würde, um sich ein Zusammensein mit dem Liebsten zu verschaffen. Liebe soll ja erfinderisch sein. Allein, der Kelch sollte Rosita erspart bleiben. Marlene blieb unsichtbar. Dafür erschien Manfred nach dem Mittagessen.
»Nun, was gibt’s Neues?« erkundigte sich der Hausherr. »Immer noch das Ehekreuz im Hause?«
»Nur noch selten. Sie hat jetzt nämlich einen neuen Liebhaber, und zwar Eino Ballix.«
»Interessiert der sich nicht für Fräulein Grandt?«
»Nahm ich zuerst auch an, Herr Graf. Er scheint jedoch umgeschwenkt und sich Lida zugewandt zu haben.«
»Die passen ja auch wunderbar zusammen«, bemerkte Graf Detlef. »Sind bestimmt einander würdig. Hoffentlich begehen sie eine Unvorsichtigkeit, die dir zur endgültigen Scheidung verhilft, Manfred.«
Damit sollte der Graf recht behalten. Denn als er an einem Abend Ende Mai durch den Wald nach Hause ritt, hörte er in einer Schneise Stimmen. Schon wollte er weiterreiten, weil er annahm, daß zwei Liebende sich da ein Stelldichein gaben, als er in der einen Stimme die Marlene Grandts erkannte. Er zügelte das Pferd.
»Was denkst du dir eigentlich, Tino?« hörte er jetzt Marlene sagen. »Woher soll ich denn das Geld nehmen, das du verlangst? Du weißt ganz genau, daß ich von meinen Verwandten abhängig bin.«
»Na, denn nicht«, kam es gleichmütig zurück. »Dann werde ich die Kunde verbreiten, daß du mit mir ein Verhältnis hast.«
»Du Schuft!« flammte Marlene empört auf und...
»Sie Kanaille!« kreischte eine Frauenstimme von der anderen Seite. Und ehe die beiden wie erstarrt dastehenden Menschen zur Besinnung kamen, stürzte Lida sich auf das Mädchen, wollte ihm an Kopf und Kragen, was Tino gerade noch verhindern konnte.
»Bist du denn ganz von Sinnen?« fuhr er die Furie an. »Laß dir erklären, wie harmlos alles ist.«
»Du betrügst mich mit dieser Scheinheiligen, für die du ja immer schon viel übrig hattest. Endlich habe ich euch ertappt. Also hat mein Nachschleichen sich gelohnt.«
»Du bist dumm, Lida. Ich wollte mir doch nur Geld von Marlene borgen, weil ich so scheußlich in der Klemme stecke.«
»Und warum sagst du mir nichts davon?«
»Weil es mir peinlich ist, Geld von dir zu betteln.«
»Ach, sieh mal an, so sensibel mit einemmal. Belügst du mich auch nicht?«
»Mein Ehrenwort, Lida!«
»Na, dein Ehrenwort«, dehnte sie. »Aber ich will dir glauben, nachdem ich zur Besinnung gekommen bin. Übrigens eine Geschmacklosigkeit von mir, in dieser Pute eine Rivalin von mir zu sehen. Und nun komm, mein Wagen steht ganz in der Nähe.«
Sie zogen ab, und gleich darauf hörte man das Auto anfahren. Trutzger, der in seinem Versteck noch solange verharren wollte, bis Marlene sich entfernt hatte, sah sie plötzlich taumeln. Und schon war er heran, saß ab und stützte das Mädchen, das ihn zuerst wie irr anstarrte, ihn erkannte und dann die Arme um seinen Hals warf. Der Körper zuckte unter krampfhaftem Schluchzen, und beruhigend streichelte der Mann den Kopf, der so fest an seiner Brust lag, als gehörte er dahin.
Und da es im Leben Zufälle gibt, beglückende, unangenehme und sogar grausame, so mußte ausgerechnet in diesem Augenblick Rosita auftauchen, die von Eiseln kam. Ein verlorener Laut, fast wie das Ächzen eines todwunden Tieres, drang zu Detlef hin. Er wandte den Kopf und sah in das todblasse Antlitz seiner Frau. Doch ehe er sie anrufen, geschweige noch etwas sagen konnte, war die Reiterin verschwunden wie ein Schemen. Sollte er etwa an Halluzinationen leiden? Nun, darüber nachzudenken blieb ihm jetzt keine Zeit. Erst mußte er sich um das Mädchen kümmern, das er wie etwas Lästiges empfand. Er löste die Arme, die immer noch seinen Nacken umklammert hielten, und sagte energisch: »So, gnädiges Fräulein, jetzt aber die Tränen getrocknet, die eigentlich viel zu schade sind, für einen Lumpen vergossen zu werden.«
»Dann haben Sie dieses Schamlose mit angehört, Herr Graf?« fragte sie mit versagender Stimme.
»Ja, gnädiges Fräulein. Ich kam gerade dazu, als der Mann Geld von Ihnen forderte. Und da ich mich nicht gern in die Angelegenheiten anderer mische, wollte ich mich unbemerkt entfernen. Doch da tauchte auch schon die Megäre auf. Und ich freue mich, daß ich von dem Zeuge sein durfte, was sich dann abspielte. So bin ich in der Lage, dem Baron von Brunbach einen Wink zu geben, der ihm zur endlichen Scheidung verhelfen wird.«
»Herr Graf, tun Sie das nicht«, bat Marlene, worauf er sie ansah.
»Ja, warum denn nicht?«
»Weil ich dann mit hineingezogen werden würde, und ich habe auch so schon genug durchgemacht in dieser Stunde.«
»Gnädiges Fräulein«, entgegnete der Mann gelassen, »was Sie mit dem schon genug durchgemacht bezeichnen, steht in keinem Verhältnis zu dem, was mein Freund wirklich mitgemacht hat. Bei Ihnen handelt es sich um die Beleidigung eines Unverschämten, dort jedoch um das Martyrium einer Ehe. Und da der Baron die minderwertige Person immer noch nicht loswerden konnte, weil sie ihre Amouren so raffiniert zu tarnen versteht, daß man sie ihr nicht direkt nachweisen kann, wäre es direkt ein Frevel, wenn ich meinem Freund diese aufschlußreiche Begebenheit, die ihm endlich zur Scheidung verhelfen wird, verschweigen sollte.«
»Aber ich kann doch diese Beleidigung nicht noch an die große Glocke hängen, Herr Graf.«
»Das sollen Sie auch nicht, gnädiges Fräulein. Sie vertrauen sich Ihren Verwandten an, und soweit ich Ihren Herrn Onkel kenne, wird er sich den unverschämten jungen Mann schon vorknöpfen, wobei ihn der Herr Oberbürgermeister mit Nachdruck unterstützen und den minderwertigen Neffen zum Kuckuck jagen dürfte. Ist Ihnen das klar, gnädiges Fräulein?«
»Muß doch wohl«, seufzte sie. »Ich danke Ihnen für die gütige Unterstützung.«
»Keine Ursache. Aber nun müssen Sie nach Hause, es ist indes schon dunkel geworden. Ich gebe Ihnen bis zum Waldhaus das Geleit.«
Damit nahm er das Pferd am Zügel und ging an der Seite des Mädchens die kurze Strecke dahin. Es erzählte, daß Ballix bei den Verwandten erschienen wäre, dort Kaffee getrunken und sie, Marlene, zu einem Waldspaziergang aufgefordert hätte. So war sie ihm dann arglos