Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker) - Robert Kraft


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denn überhaupt noch?«

      Freilich, darauf kam es erst an.

      Wir zählten gleich hier in unserem Fundbüreau nach. 30 000 Pfund hatten schon auf dem Tische gelegen, und hier waren doch noch etwas über 4800 Pfund zusammengekommen, allerdings weniger unter den Schränken hervorgekratzt. Da kamen ja Blodwens 4000 Pfund in Betracht und was ich auch in Papier gehabt hatte.

      »Und dann lagen doch auch noch in dem Kasten ein ganzer Haufen Goldstücke!«

      Wir gingen wieder in die Kajüte, zählten den letzten Rest auf – es war doch kein so großer Haufen.

      Kurz und gut, wenn ich das zusammengekratzte Silbergeld nicht mitrechnete, so fehlten an der ganzen Summe von 36 700 Pfund gerade noch 214, und nun war ich ja fein raus, hatte mich mit allen Ehren aus der Affäre gezogen.

      »Hier, mein Lieber, Sie haben wohl die Güte,« sagte ich und überreichte den zusammengeknitterten Wechsel dem Makler.

      Aber dieser nahm ihn gar nicht, warf nur einen Blick darauf und schüttelte den Kopf.

      »Ich nehme keinen Wechsel.«

      »Weshalb nicht? Der ist doch so gut wie bares Geld.«

      »Mag sein, aber es war bares Geld abgemacht – ich nehme keinen Wechsel.«

      Wenn der Mann darauf bestand, war ihm nicht zu helfen. Aber nun mußte erst mir selbst geholfen werden.

      Da kam mir ein genialer Gedanke. Weshalb sollte ich es nicht tun? Da brauchte ich mich doch gar nicht zu genieren. Die Leute kannten doch mich und meine oder vielmehr Blodwens Verhältnisse.

      »Hört, Jungens,« sagte ich, »so und so, mir fehlen hier noch 214 Pfund, könnt ihr mir nicht einmal aushelfen?«

      Erst als ich das gesagt, fiel mir ein, was für ein Verlangen ich da gestellt hatte. Bei mir war das Geld eben schon gar zu sehr im Werte gesunken. Erst das dämliche Gesicht des Bootsmanns, wie der mich anguckte, ließ mir zum Bewußtsein kommen, was ich da von diesen Matrosen forderte. Denn es waren ja nur die drei Matrosen anwesend, die das Geld zählen oder vielmehr in Quadrate ordnen mußten, die beiden Kohlen- oder jetzt vielmehr Goldzieher und der Bootsmann als Kontrolleur. Auch Goliath hielt sich beschäftigungslos in der Kajüte auf.

      »Twee – twee- tweehondertunvärtehn Pund?« stotterte der Bootsmann. »Ob wi dee hämm? Nee, Käpt’n dee hämmer nich.«

      »Plötzlich fiel Blodwen wieder einmal um – nämlich aufs Sofa – weil sie vor Lachen nicht stehen konnte.

      Aber ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen.

      »Ich meine die Offiziere – und unter euren Kameraden kann doch vielleicht ein reicher Schlucker sein – fragt mal nach!«

      »Vielleicht der Gustav, daß der noch een oder twee Schilling …«

      »Naus, fragt mal nach!«

      Ungerührt wartete der Makler, ich hatte einen etwas roten Kopf bekommen, und Blodwen suchte ihr Lachen mit dem Taschentuch zu ersticken. Weshalb die eigentlich lachte, wußte ich in diesem Augenblick selbst nicht.

      Alsbald kam der Bootsmann wieder, seine fettige Pelzmütze, die er auch unterm Aequator trug, in der Hand, und in dieser, wie sich herausstellte, dreiundzwanzig Schilling und einige Pence, aber nur zwei Silberstücke darunter, sonst alles Kupfer, und nicht nur englisches, aus aller Herren Ländern, sogar messingnes aus China.

      »Dat is al, wat ick uptrieven konnt, aber der tweete Maschinist is en riecher Swienegel… «

      Da kam der zweite Maschinist schon selbst. Er war ein kleiner Kapitalist, nein, ein großer, hatte bei sich an Bord fast zweihundert Pfund gehabt, hatte sich wegen meiner Verlegenheit auch gleich an die anderen Offiziere gewendet, auch sie hatten in allen Taschen zusammengesucht – nun waren es gerade noch neun Schilling, welche an der Summe von 36 700 Pfund Sterling fehlten.

      Nun durfte ich aber auch nichts mehr hoffen, jetzt war das ganze Schiff rein ausgekehrt. Und der alte Makler beharrte auf seinen neun Schillingen wie der selige Shylock auf seinen Schein.

      »Mann, seien Sie doch nicht so komisch, kommen Sie morgen wieder …«

      »Ordnung muß sein.«

      »Tut mir leid, machen Sie, was Sie wollen, ich habe nichts mehr.«

      Da zog der Bootsmann seine silberne Zwiebel hervor, seine Taschenuhr, ein vorsündflutliches Ding.

      »Ick häww schon oftens tehn Schilling dafor krägen …«

      Ein neues Gelächter erscholl, aus Blodwens Munde kommend, und wie der Bootsmann so bescheiden mit seiner Zwiebel dastand, um meine Baumwolle damit zu bezahlen, die dort im Werte von Dreiviertelmillionen verbrannte, da mußte auch ich aus vollem Halse mit beistimmen.

      Der Makler schien Lust zu haben, die Uhr wirklich zu nehmen, aber ich mischte mich schnell ein.

      »Wollen Sie Zigarren dafür nehmen?«

      »Jawohl, Zigarren – oder Schnaps.«

      Ich holte eine Hundertkiste, die mich selbst dreißig Schilling gekostet hatte, der Makler steckte seine Nase hinein, brannte gleich eine an und erklärte sich zufrieden, er quittierte und verabschiedete sich mit seinen 36 691 Pfund Sterling und seiner Zigarrenkiste, bezahlt für die tausend Ballen Baumwolle, die dort in Flammen aufgingen, zu diesem ganzen Geschäfte geleuchtet hatten.

      Und Blodwens Lachen hallte ihm nach, nicht minder das meine. – – –

      Am anderen Morgen ging ich nach der Bank. Was von den 1000 Ballen Baumwolle nicht verbrannt war, das glimmte noch. Da war nichts mehr zu wollen. Es war ja noch viel, viel mehr verbrannt – nur mit dem einzigen Unterschied, daß die anderen alle versichert hatten.

      Jetzt aber wollte ich erst den Wechsel versilbern.

      Ich hatte doch auch noch die Kosten für das Ausladen der Kohlen zu bezahlen, fast fünfzehn Pfund.

      »Nein,« lächelte der Bankbeamte, »dieser Wechsel ist ganz wertlos. Vielleicht gestern noch, aber heute nicht mehr. Mit dem Stück Papier können Sie sich nur gleich Ihre Pfeife anbrennen.«

      Und ich hätte dem Kerl gleich in die grinsende Visage …

      Aber es war und blieb Tatsache. Der Händler war während der Nacht über die Schweiz gegangen. Meine Kohlen hatte er natürlich schon wieder verkauft.

      Ich ging wieder an Bord.

      »Blodwen, das ist eine nette Geschichte – soundso – jetzt sitzen wir ganz auf dem Trockenen.«

      Zunächst bekam Blodwen wieder ihre Lachkrämpfe, und ich konnte mir nicht helfen, ich mußte immer mit einstimmen.

      Dann versetzte ich auf dem Leihhause eine prachtvolle Diamantbrosche, bekam ohne weiteres 100 Pfund vorgestreckt – 1000 hatte sie wohl gekostet. Verloren waren wir also noch nicht, Blodwen hatte noch mehr solches glitzerndes Zeug in ihren Kästchen, aber sonst …

      Ich stand wieder an Deck meines Schiffes, hatte die Arme über der Brust verschränkt und stierte hinab ins Wasser, simulierte.

      Doktor Selo futsch, meine Million futsch, das schöne Prisengeld futsch, die Rente futsch, die Baumwolle futsch, die Kohlen futsch … eben alles futsch!

      Na, go ahead!

      ES GEHT NOCH VIEL MEHR FUTSCH.

       Inhaltsverzeichnis

      »Blodwen, ich bitte dich, nun höre endlich auf mit deinem gräßlichen Lachen,« sagte ich ärgerlich, mußte aber immer wieder selbst mit einstimmen, und zwar aus vollem Herzen, es war kein Galgenhumor dabei.

      Endlich konnten wir wieder ernst zusammen sprechen.

      »Was nun?«

      »Ich könnte dir vorschlagen, einen Teil


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