Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band). Ðртур Шницлер
und das Licht auf den Schreibtisch stellt, hört man das Haustor unten öffnen und schließen.
Fritz geht zum Fenster und grüßt hinunter.
Christine von der Straße Gute Nacht!
Mizi ebenso, übermütig Gute Nacht, du mein herziges Kind...
Theodor scheltend Du, Mizi...
Man hört seine Worte, ihr Lachen, die Schritte verklingen. Theodor pfeift die Melodie des »Doppeladlers«, die am spätesten verklingt. Fritz sieht noch ein paar Sekunden hinaus, dann sinkt er au den Fauteuil neben dem Fenster.
Vorhang
Zweiter Akt
Zimmer Christinens. Bescheiden und nett.
Christine kleidet sich eben zum Weggehen an. Katharina tritt auf, nachdem sie draußen angeklopft hat.
Katharina Guten Abend, Fräulein Christin'.
Christine die vor dem Spiegel steht, wendet sich um Guten Abend.
Katharina Sie wollen grad' weggehn?
Christine Ich hab's nicht so eilig.
Katharina Ich komm' nämlich von meinem Mann, ob Sie mit uns nachtmahlen gehen wollen in' Lehnergarten, weil heut dort Musik ist.
Christine Danke sehr, Frau Binder... Ich kann heut nicht... ein anderes Mal, ja? – Aber Sie sind nicht bös?
Katharina Keine Spur... warum denn? Sie werden sich schon besser unterhalten können als mit uns.
Christine Blick.
Katharina Der Vater ist schon im Theater?...
Christine O nein; er kommt noch früher nach Haus. Jetzt fangt's ja erst um halb acht an!
Katharina Richtig, das vergess' ich alleweil. Da werd' ich gleich auf ihn warten, weil ich ihn schon lang bitten möcht' wegen Freikarten zu dem neuen Stück... Jetzt wird man s' doch schon kriegen?...
Christine Freilich... es geht ja jetzt keiner mehr hinein, wenn einmal die Abende so schön werden.
Katharina Unsereins kommt ja sonst gar nicht dazu... wenn man nicht zufällig Bekannte bei einem Theater hat... Aber halten Sie sich meinetwegen nicht auf, Fräulein Christin', wenn Sie wegmüssen. Meinem Mann wird's freilich sehr leid sein... und noch wem andern auch...
Christine Wem?
Katharina Der Cousin vom Binder ist mit, natürlich... Wissen Sie, Fräulein Christin', daß er jetzt fix angestellt ist?
Christine gleichgültig Ah. –
Katharina Und mit einem ganz schönen Gehalt. Und so ein honetter junger Mensch. Und eine Verehrung hat er für Sie –
Christine Also – auf Wiedersehn, Frau Binder.
Katharina Dem könnt' man von Ihnen erzählen, was man will – der möcht' kein Wort glauben...
Christine Blick.
Katharina Es gibt schon solche Männer...
Christine Adieu, Frau Binder.
Katharina Adieu... Nicht zu boshaft im Ton Daß Sie nur zum Rendezvous nicht zu spät kommen, Fräul'n Christin'!
Christine Was wollen Sie eigentlich von mir?
Katharina Aber nichts, Sie haben ja recht! Man ist ja nur einmal jung.
Christine Adieu.
Katharina Aber einen Rat, Fräulein Christin', möcht' ich Ihnen doch geben: Ein bissel vorsichtiger sollten Sie sein!
Christine Was heißt denn das?
Katharina Schaun Sie – Wien ist ja eine so große Stadt... Müssen Sie sich Ihre Rendezvous grad hundert Schritt weit vom Haus geben?
Christine Das geht wohl niemanden was an.
Katharina Ich hab's gar nicht glauben wollen, wie mir's der Binder erzählt hat. Der hat Sie nämlich gesehn... Geh, hab' ich ihm gesagt, du wirst dich verschaut haben. Das Fräulein Christin', die ist keine Person, die mit eleganten jungen Herren am Abend spazierengeht, und wenn schon, so wird's doch so gescheit sein und nicht grad in unserer Gassen! Na, sagt er, kannst sie ja selber fragen! Und, sagt er, ein Wunder ist's ja nicht – zu uns kommt sie gar nimmermehr; aber dafür läuft sie in einer Tour mit der Schlager Mizi herum, ist das eine Gesellschaft für ein anständiges junges Mädel? – Die Männer sind ja so ordinär, Fräul'n Christin'! – Und dem Franz hat er's natürlich auch gleich erzählen müssen, aber der ist schön bös worden – und für die Fräul'n Christin' legt er die Hand ins Feuer, und wer was über sie sagt, der hat's mit ihm zu tun. Und wie Sie so für's Häusliche sind und wie lieb Sie alleweil mit der alten Fräul'n Tant' gewesen sind – Gott schenk' ihr die ewige Ruh – und wie bescheiden und wie eingezogen als Sie leben und so weiter... Pause Vielleicht kommen S' doch mit zur Musik?
Christine Nein...
Katharina, Christine; Weiring tritt auf. Er hat einen Fliederzweig in der Hand.
Weiring Guten Abend... Ah, die Frau Binder. Wie geht's Ihnen denn?
Katharina Dank' schön.
Weiring Und das Linerl? – Und der Herr Gemahl?...
Katharina Alles gesund, Gott sei Dank.
Weiring Na, das ist schön. – Zu Christine Du bist noch zu Haus bei dem schönen Wetter –?
Christine Grad hab' ich fortgehn wollen.
Weiring Das ist gescheit! – Eine Luft ist heut draußen, was, Frau Binder, das ist was Wunderbar's. Ich bin jetzt durch den Garten bei der Linie gegangen – da blüht der Flieder – es ist eine Pracht! Ich hab' mich auch einer Übertretung schuldig gemacht! Gibt den Fliederzweig der Christine.
Christine Dank' dir, Vater.
Katharina Sein S' froh, daß Sie der Wächter nicht erwischt hat.
Weiring Gehn S' einmal hin, Frau Binder – es riecht noch genau so gut dort, als wenn ich das Zweigerl nicht abgepflückt hätt'.
Katharina Wenn sich das aber alle dächten –
Weiring Das wär' freilich g'fehlt!
Christine Adieu, Vater!
Weiring Wenn du ein paar Minuten warten möchtest, so könntest du mich zum Theater hinbegleiten.
Christine Ich... ich hab' der Mizi versprochen, daß ich sie abhol'...
Weiring Ah so. – Ist auch gescheiter. Jugend gehört zur Jugend. Adieu, Christin'...
Christine küßt ihn. Dann Adieu, Frau Binder! – Ab; Weiring sieht ihr zärtlich nach.
Katharina, Weiring
Katharina Das ist ja jetzt eine sehr intime Freundschaft mit der Fräul'n Mizi.
Weiring Ja. – Ich bin wirklich froh, daß die Tini eine Ansprach' hat und nicht in einem fort zu Hause sitzt. Was hat denn das Mädel eigentlich von ihrem Leben!...
Katharina Ja freilich.
Weiring Ich kann Ihnen gar nicht sagen, Frau Binder, wie weh mir's manchmal tut, wenn ich so nach Haus komm', von der Prob' – und sie sitzt da und näht – und nachmittags kaum stehn wir vom Tisch auf, so setzt sie sich schon wieder hin und schreibt ihre Noten...
Katharina Naja, die Millionäre haben's freilich besser wie unsereins. Aber was ist denn eigentlich mit ihrem Singen?
Weiring Das heißt nicht viel. Fürs Zimmer reicht die Stimme ja aus, und für ihren Vater singt sie schön genug – aber leben kann man davon nicht.
Katharina Das ist aber schad'.