Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band). Ðртур Шницлер
Richtig – Abschied und Heimkehr!
Christine Ich weiß schon, daß die Bilder nicht schön sind. – Beim Vater drin hängt eins, das ist viel besser.
Fritz Was ist das für ein Bild?
Christine Das ist ein Mädel, die schaut zum Fenster hinaus, und draußen, weißt, ist der Winter – und das heißt »Verlassen«. –
Fritz So... Stellt die Lampe hin Ah, und da ist deine Bibliothek. Setzt sich neben die kleine Bücherstellage.
Christine Die schau' dir lieber nicht an –
Fritz Warum denn? Ah! – Schiller... Hauff... Das Konversationslexikon... Donnerwetter! –
Christine Geht nur bis zum G...
Fritz lächelnd Ach so... Das Buch für Alle... Da schaust du dir die Bilder drin an, was?
Christine Natürlich hab' ich mir die Bilder angeschaut.
Fritz noch sitzend – Wer ist denn der Herr da auf dem Ofen?
Christine belehrend Das ist doch der Schubert.
Fritz aufstehend Richtig –
Christine Weil ihn der Vater so gern hat. Der Vater hat früher auch einmal Lieder komponiert, sehr schöne.
Fritz Jetzt nimmer?
Christine Jetzt nimmer. Pause.
Fritz setzt sich So gemütlich ist es da! –
Christine Gefällt's dir wirklich?
Fritz Sehr... Was ist denn das? Nimmt eine Vase mit Kunstblumen, die auf dem Tisch steht.
Christine Er hat schon wieder was gefunden!...
Fritz Nein, Kind, das gehört nicht da herein... das sieht verstaubt aus.
Christine Die sind aber gewiß nicht verstaubt.
Fritz Künstliche Blumen sehen immer verstaubt aus... In deinem Zimmer müssen wirkliche Blumen stehn, die duften und frisch sind. Von jetzt an werde ich dir... Unterbricht sich, wendet sich ab, um seine Bewegung zu verbergen.
Christine Was denn? Was wolltest du denn sagen?
Fritz Nichts, nichts
Christine steht auf, zärtlich Was? –
Fritz Daß ich dir morgen frische Blumen schicken werde, hab' ich sagen wollen...
Christine Na, und reut's dich schon? – Natürlich! Morgen denkst du ja nicht mehr an mich.
Fritz abwehrende Bewegung.
Christine Gewiß, wenn du mich nicht siehst, denkst du nicht an mich.
Fritz Aber was red'st du denn?
Christine O ja, ich weiß es. Ich spür's ja.
Fritz Wie kannst du dir das nur einbilden.
Christine Du selbst bist schuld daran. Weil du immer Geheimnisse vor mir hast!... Weil du mir gar nichts von dir erzählst. – Was tust du so den ganzen Tag?
Fritz Aber Schatz, das ist ja sehr einfach. Ich geh' in Vorlesungen – zuweilen – dann geh' ich ins Kaffeehaus... dann les' ich... manchmal spiel' ich auch Klavier – dann plauder' ich mit dem oder jenem – dann mach' ich Besuche... das ist doch alles ganz belanglos. Es ist ja langweilig, davon zu reden. – Jetzt muß ich übrigens gehn, Kind...
Christine Jetzt schon –
Fritz Dein Vater wird ja bald da sein.
Christine Noch lange nicht, Fritz. – Bleib noch – eine Minute bleib noch –
Fritz Und dann hab' ich... der Theodor erwartet mich... ich hab' mit ihm noch was zu sprechen.
Christine Heut?
Fritz Gewiß heut.
Christine Wirst ihn morgen auch sehn!
Fritz Ich bin morgen vielleicht gar nicht in Wien.
Christine Nicht in Wien? –
Fritz ihre Ängstlichkeit bemerkend, ruhig – heiter Nun ja, das kommt ja vor! Ich fahr' übern Tag weg – oder auch über zwei, du Kind.
Christine Wohin?
Fritz Wohin!... Irgendwohin – Ach Gott, so mach' doch kein solches Gesicht... Aufs Gut fahr' ich zu meinen Eltern... na... ist das auch unheimlich?
Christine Auch von denen, schau, erzählst du mir nie!
Fritz Nein, was du für ein Kind bist... Du verstehst gar nicht, wie schön das ist, daß wir so vollkommen mit uns allein sind. Sag, spürst du denn das nicht?
Christine Nein, es ist gar nicht schön, daß du mir nie was von dir erzählst... Schau, mich interessiert ja alles, was dich angeht, ach ja... alles – ich möcht' mehr von dir haben als die eine Stunde am Abend, die wir manchmal beisammen sind. Dann bist du ja wieder fort, und ich weiß gar nichts... Da geht dann die ganze Nacht vorüber und ein ganzer Tag mit den vielen Stunden – und nichts weiß ich. Darüber bin ich oft so traurig.
Fritz Warum bist du denn da traurig?
Christine Ja, weil ich dann so eine Sehnsucht nach dir hab', als wenn du gar nicht in derselben Stadt, als wenn du ganz woanders wärst! Wie verschwunden bist du da für mich, so weit weg...
Fritz etwas ungeduldig Aber...
Christine Na schau, es ist ja wahr!
Fritz Komm daher, zu mir Sie ist bei ihm Du weißt ja doch nur eins, wie ich – daß du mich in diesem Augenblicke liebst... Wie sie reden will Sprich nicht von Ewigkeit. Mehr für sich Es gibt ja vielleicht Augenblicke, die einen Duft von Ewigkeit um sich sprühen. – ... Das ist die einzige, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört... Er küßt sie. – Pause. – Er steht auf. – Ausbrechend O, wie schön ist es bei dir, wie schön!... Er steht beim Fenster So weltfern ist man da, mitten unter den vielen Häusern... so einsam komm' ich mir vor, so mit dir allein... Leise so geborgen...
Christine Wenn du immer so sprächst... da könnt' ich fast glauben...
Fritz Was denn, Kind?
Christine Daß du mich so lieb hast, wie ich's mir geträumt hab' – an dem Tag, wo du mir den ersten Kuß gegeben hast... erinnerst du dich daran?
Fritz leidenschaftlich Ich hab' dich lieb! – Er umarmt sie; reißt sich los Aber jetzt laß mich fort –
Christine Reut's dich denn schon wieder, daß du mir's gesagt hast? Du bist ja frei, du bist ja frei – du kannst mich ja sitzen lassen, wann du willst... Du hast mir nichts versprochen – und ich hab' nichts von dir verlangt... Was dann aus mir wird – es ist ja ganz einerlei – ich bin doch einmal glücklich gewesen, mehr will ich ja vom Leben nicht. Ich möchte nur, daß du das weißt und mir glaubst: Daß ich keinen lieb gehabt vor dir, und daß ich keinen lieb haben werde – wenn du mich einmal nimmer willst –
Fritz mehr für sich Sag's nicht, sag's nicht – es klingt... zu schön...
Es klopft.
Fritz schrickt zusammen Es wird Theodor sein...
Christine betroffen Er weiß, daß du bei mir bist –?
Christine, Fritz; Theodor tritt ein.
Theodor Guten Abend. – Unverschämt, was?
Christine Haben Sie so wichtige Dinge mit ihm zu besprechen? –
Theodor Gewiß – und hab' ihn schon überall gesucht.
Fritz leise Warum hast du nicht unten gewartet?
Christine Was flüsterst du ihm zu?
Theodor absichtlich laut Warum ich nicht unten gewartet habe?... Ja, wenn ich bestimmt gewußt hätte, daß du da bist... Aber da ich das nicht habe riskieren können, unten zwei Stunden auf und ab zu spazieren...
Fritz