Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band). Артур Шницлер

Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band) - Артур Шницлер


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könnt' ich sie natürlich bringen –

      Katharina Freilich, mit der Figur!

      Weiring Aber da sind ja gar keine Aussichten.

      Katharina Man hat wirklich Sorgen mit einem Mädel! Wenn ich denk', daß meine Linerl in fünf, sechs Jahren auch eine große Fräul'n ist –

      Weiring Aber was setzen Sie sich denn nicht, Frau Binder?

      Katharina Oh, ich dank' schön, mein Mann holt mich gleich ab – ich bin ja nur heraufgekommen, die Christin' einladen!...

      Weiring Einladen –?

      Katharina Ja, zur Musik im Lehnergarten. Ich hab' mir auch gedacht, daß sie das ein bissel aufheitern wird – sie braucht's ja wirklich.

      Weiring Könnt' ihr wahrhaftig nicht schaden – besonders nach dem traurigen Winter. Warum geht sie denn nicht mit Ihnen –?

      Katharina Ich weiß nicht... Vielleicht weil der Cousin vom Binder mit ist.

      Weiring Ah, schon möglich. Den kann s' nämlich nicht ausstehn. Das hat sie mir selber erzählt.

      Katharina Ja warum denn nicht? Der Franz ist ein sehr anständiger Mensch – jetzt ist er sogar fix angestellt, das ist doch heutzutag ein Glück für ein...

      Weiring Für ein... armes Mädel –

      Katharina Für ein jedes Mädel ist das ein Glück.

      Weiring Ja, sagen Sie mir, Frau Binder, ist denn so ein blühendes Geschöpf wirklich zu nichts anderem da als für so einen anständigen Menschen, der zufällig eine fixe Anstellung hat?

      Katharina Ist doch das Gescheiteste! Auf einen Grafen kann man ja doch nicht warten, und wenn einmal einer kommt, so empfiehlt er sich dann gewöhnlich, ohne daß er einen geheiratet hat... Weiring ist beim Fenster. Pause Na ja... Deswegen sag' ich auch immer, man kann bei einem jungen Mädel nicht vorsichtig genug sein – besonders mit dem Umgang –

      Weiring Ob's nun dafür steht, seine jungen Jahre so einfach zum Fenster hinauszuwerfen? – Und was hat denn so ein armes Geschöpf schließlich von ihrer ganzen Bravheit, wenn schon – nach jahrelangem Warten – richtig der Strumpfwirker kommt!

      Katharina Herr Weiring, wenn mein Mann auch ein Strumpfwirker ist, er ist ein honetter und ein braver Mann, über den ich mich nie zu beklagen gehabt hab'...

      Weiring begütigend Aber, Frau Binder – geht denn das auf Sie!... Sie haben ja auch Ihre Jugend nicht zum Fenster hinausgeworfen.

      Katharina Ich weiß von der Zeit nichts mehr.

      Weiring Sagen S' das nicht – Sie können mir jetzt erzählen, was Sie wollen – die Erinnerungen sind doch das Beste, was Sie von Ihrem Leben haben.

      Katharina Ich hab' gar keine Erinnerungen.

      Weiring Na, na...

      Katharina Und was bleibt denn übrig, wenn eine schon solche Erinnerungen hat, wie Sie meinen?... Die Reu.

      Weiring Na, und was bleibt denn übrig – wenn sie – nicht einmal was zum Erinnern hat –? Wenn das ganze Leben nur so vorbeigegangen ist Sehr einfach, nicht pathetisch ein Tag wie der andere, ohne Glück und ohne Liebe – dann ist's vielleicht besser?

      Katharina Aber, Herr Weiring, denken Sie doch nur an das alte Fräul'n – an Ihre Schwester!... Aber es tut Ihnen noch weh, wenn man von ihr red't, Herr Weiring...

      Weiring Es tut mir noch weh, ja...

      Katharina Freilich... wenn zwei Leut' so aneinander gehängt haben... ich hab's immer gesagt, so einen Bruder wie Sie find't man nicht bald.

      Weiring abwehrende Bewegung.

      Katharina Es ist ja wahr. Sie haben ihr doch als ein ganz junger Mensch Vater und Mutter ersetzen müssen.

      Weiring Ja, ja –

      Katharina Das muß ja doch wieder eine Art Trost sein. Wenn man so weiß, daß man immer der Wohltäter und Beschützer von so einem armen Geschöpf gewesen ist –

      Weiring Ja, das hab' ich mir früher auch eingebildet – wie sie noch ein schönes junges Mädel war – und bin mir selber weiß Gott wie gescheit und edel vorgekommen. Aber dann, später, wie so langsam die grauen Haar' gekommen sind und die Runzeln, und es ist ein Tag um den andern hingegangen – und die ganze Jugend – und das junge Mädel ist so allmählich – man merkt ja so was kaum – das alte Fräulein geworden, – da hab' ich erst zu spüren angefangen, was ich eigentlich getan hab'!

      Katharina Aber, Herr Weiring –

      Weiring Ich seh' sie ja noch vor mir, wie sie mir oft gegenübergesessen ist am Abend, bei der Lampe, in dem Zimmer da, und hat mich so angeschaut mit ihrem stillen Lächeln, mit dem gewissen gottergebenen, – als wollt' sie mir noch für was danken; – und ich – ich hätt' mich ja am liebsten vor ihr auf die Knie hingeworfen, sie um Verzeihung bitten, daß ich sie so gut behütet hab' vor allen Gefahren – und vor allem Glück! Pause.

      Katharina Und es wär' doch manche froh, wenn sie immer so einen Bruder an der Seite gehabt hätt'... und nichts zu bereuen...

      Katharina, Weiring; Mizi tritt ein.

      Mizi Guten Abend!... Da ist aber schon ganz dunkel... man sieht ja gar nichts mehr. – Ah, die Frau Binder. Ihr Mann ist unten, Frau Binder, und wart' auf Sie... Ist die Christin' nicht zu Haus?...

      Weiring Sie ist vor einer Viertelstunde weggegangen.

      Katharina Haben Sie sie denn nicht getroffen? Sie hat ja mit Ihnen ein Rendezvous gehabt?

      Mizi Nein... wir haben uns jedenfalls verfehlt... Sie gehn mit Ihrem Mann zur Musik, hat er mir gesagt –?

      Katharina Ja, er schwärmt so viel dafür. Aber hören Sie, Fräulein Mizi, Sie haben ein reizendes Hüterl auf. Neu, was?

      Mizi Aber keine Spur. – Kennen Sie denn die Form nimmer? Vom vorigen Frühjahr; nur aufgeputzt ist er neu.

      Katharina Selber haben Sie sich ihn neu aufgeputzt?

      Mizi Na, freilich.

      Weiring So geschickt!

      Katharina Natürlich – ich vergess' immer, daß Sie ein Jahr lang in einem Modistengeschäft waren.

      Mizi Ich werd' wahrscheinlich wieder in eins gehn. Die Mutter will's haben – da kann man nichts machen.

      Katharina Wie geht's denn der Mutter?

      Mizi Na gut – ein bissel Zahnweh hat s' – aber der Doktor sagt, es ist nur rheumatisch...

      Weiring Ja, jetzt ist es aber für mich die höchste Zeit...

      Katharina Ich geh' gleich mit Ihnen hinunter, Herr Weiring...

      Mizi Ich geh' auch mit... Aber nehmen Sie sich doch den Überzieher, Herr Weiring, es wird später noch recht kühl.

      Weiring Glauben Sie?

      Katharina Freilich... Wie kann man denn so unvorsichtig sein.

      Vorige – Christine

      Mizi Da ist sie ja...

      Katharina Schon zurück vom Spaziergang?

      Christine Ja. Grüß dich Gott, Mizi... Ich hab' so Kopfweh... Setzt sich.

      Weiring Wie?...

      Katharina Das ist wahrscheinlich von der Luft...

      Weiring Geh, was hast denn, Christin'!... Bitt' Sie, Fräulein Mizi, zünden S' die Lampe an.

      Mizi macht sich bereit.

      Christine Aber das kann ich ja selber.

      Weiring Ich möcht' dein Gesicht sehn, Christin'!...

      Christine Aber Vater, es ist ja gar nichts, es ist gewiß von der Luft draußen.

      Katharina Manche Leut' können grad das Frühjahr nicht vertragen.

      Weiring


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